Gyula-Trebitsch-Platz
Wandsbek (2011): Prof. Gyula Trebitsch (3.11.1914 Budapest -12.12.2005 Hamburg), Filmproduzent, Mitbegründer und Geschäftsführer der Real-Film, später Studio Hamburg
„Schon als Junge erklärte er seinem Vater, dass er ‚Filmfabrikant‘ werden wolle. Nach dem Schulbesuch in Budapest und der Reifeprüfung an der Handelsakademie 1932 wurde Gyula Trebitsch Volontär in der Niederlassung der deutschen ‚Universum Film-Aktiengesellschaft‘ (UFA) in Budapest. Er lernte das Filmhandwerk ‚von der Pike auf‘: als Platzanweiser, Kinovorführer, Aufnahme- und Theaterleiter. Nach einer Ausbildung zum Vorführer arbeitete er in dem zum UFA-Konzern gehörenden Kino ‚Urania‘. Er war jetzt ‚königlich-ungarischer Filmvorführer‘, (…).
1937 gründete er die ‚Objekt-Film‘, die im Auftrag der UFA ungarische Spielfilme für den Inlandsmarkt produzierte und amerikanische Filme in Ungarn vertrieb.
Gyula Trebitsch war jüdischen Glaubens. Bereits als Kind und Jugendlicher wurde er mit dem starken Antisemitismus in Ungarn konfrontiert. (…)
Ab 1938 wirkten auch in Ungarn sogenannte Judengesetze. Gyula Trebitsch musste die Geschäftsführung der Objekt-Film abgeben.“ 1)
Trebitsch heiratete am 2. 4. 1941 Klári Décsi, eine der ersten Cutterinnen in Ungarn. Ihre Eltern betrieben das Budapester Premierenkino „Mozgókép Otthon“. „Ein paar Tage später, am 11. April 1941, trat Ungarn, das bis dahin Neutralität hatte wahren können, als Verbündeter Deutschlands in den Krieg ein. (…) Als Jude galt Trebitsch als ‚wehruntüchtig‘, doch er wurde zum Arbeitsdienst eingezogen. (…) Als die Kompanie von Gomel in Weißrussland nach Kiew verlegt werden sollte, gelang ihm und 20 Häftlingen die Flucht, indem sie die ungarischen Wachsoldaten bestachen. Unbehelligt schlugen sie sich bis nach Budapest durch. (…) Am 3. Oktober 1943 traf Trebitsch zu Hause ein. Er tauchte unter und hielt sich illegal bei Freunden und Verwandten auf. Am 19. März 1944 marschierten deutsche Truppen in Ungarn ein und besetzten das Land. (…) Trebitsch beging, was er später als den ‚größten Fehler meines Lebens‘ bezeichnete: Seine Frau Klàri war schwanger, und er meldete sich ordnungsgemäß bei den Behörden. Über die Geburt seiner Tochter Juliana am 21. April konnte er sich nicht lange freuen, denn einen Monat später wurde er erneut eingezogen. Diesmal kam er nach Bor in Serbien. (…) Unter unmenschlichen Bedingungen, bewacht von Angehörigen der ‚Organisation Todt‘ und der SS, musste er unter Tage in den Kupferminen und beim Gleisbau arbeiten. Als Ende August 1944 die deutsche Wehrmacht abzog und die von Marschall Tito befehligten Partisanentruppen vorrückten, wurden die Zwangsarbeiter von ungarischem Militär und SD-Verbänden (…), zur österreichischen Grenze und von dort weiter nach Deutschland getrieben – in einem monatelangen Fußmarsch, den nur wenige überlebten. (…) Am 14. November traf Trebitsch im Konzentrationslager Sachsenhausen ein.“ 2) Trebitsch wurde noch in weitere Konzentrationslager verbracht. Am 2. Mai 1945 wurde er von den Amerikanern befreit, die ihn in ein Hilfskrankenhaus nach Itzehoe brachten. Seine Frau Klári folgte ihrem Mann im Sommer 1946 nach Intzehoe.
Trebitsch wurde Leiter der Jüdischen Gemeinschaft Itzehoe und Zweiter Vorsitzender der Ortsgruppe der VVN, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. „1946 sorgte Gyula Trebitsch dafür, dass – deutschlandweit zum ersten Mal – ein Mahnmal zur Erinnerung an die Opfer der Verfolgung durch die Nationalsozialisten errichtet wurde.“ 3) Den Architekten, den er dazu beauftragt hatte, war Fritz Höger (siehe zu ihm unter: Recha-Lübke-Damm). „Was Trebitsch sicherlich nicht bekannt war: Höger trat schon 1932 der NSDAP bei. Höger verkaufte es [das Mahnmal] als seine persönliche ‚Wiedergutmachung‘. Dass es sich dabei um reinen Opportunismus handelte, legt ein unveröffentlichtes Dokument nahe, das von Höger nach November 1945 verfasst wurde und in dem er in extrem antisemitischer Manier das ‚Weltjudentum‘ für die deutsche Niederlage verantwortlich machte. ‚Egoistischer Materialismus, grosse Schlauheit, die zur Hinterlist wird, Lug und Trug und anschmeichelnde Zähigkeit sind die äusseren Zeichen des Judentums; dazu die Nase, Plattfüsse und mauschelnde Hände. [...] Die Schergen und Schlächtergesellen des Weltjudentums führen ein bacchalisch gutes Leben‘, ließ Höger seinen Ressentiments freien Lauf. In England sah er ein ‚verjudete[s] Krämervolk‘, tadelte aber auch Hitler für dessen ‚Eitelkeit‘ und den Krieg: ‚Das Werk Hitlers hätte nur als Friedenswerk Hoffnung auf Erfolg gehabt.‘“ 4)
Trebitsch als ehemaliger „Königlich-Ungarischer-Filmvorführer“, bekam in Hamburg eine Filmtheater-Lizenz für die Kinos in Itzehoe.
„Auf einer Kulturveranstaltung des ‚Komitees ehemaliger politischer Gefangener‘ in Hamburg (…) lernte Trebitsch Walter Koppel kennen. (…) Koppel war nach der nationalsozialistischen ‚Machtergreifung‘ zunächst nach Wien geflohen, dann über Prag und Brüssel nach Paris emigriert. Hier heiratete er im Juni 1938 Erna Sander, eine Hamburgerin, die aus politischen Gründen emigriert war.“ 5) Beide wurden sie verhaftet und wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ angeklagt. Erna Sander war Mitglied der KPD und hatte in Paris Flugblätter gegen Hitler verteilt. Koppel „wurde wegen ‚Rassenschande‘ – er war Jude, seine Frau ‚arisch‘ – verurteilt. Die Ehe wurde im November 1944 geschieden. (…)“ 6)
Koppel und Trebitsch gründeten die Firma „Real-Film“, die „Vorgängerfirma des Studio Hamburg in Tonndorf, [das] dazu bei[trug], dass Hamburg Filmstadt wurde – mit einem der für Film und Fernsehen größten Dienstleistungszentrum in Europa“. 7) Erna Sander (30.6.1914-30.11.1991) entwarf die Kostüme. Sie, deren Mutter unter ihrem Geburtsnamen Louise Otto ein bekannte Schwimmsportlerin war, „hatte Mutterwitz, und sie konnte umwerfend schlagfertig sein. Sie konnte aber, wenn und wo es geboten war, ebenso die große Dame sein.“8)
Trebitsch ließ sich 1948 in Budapest von seiner ersten Frau scheiden und heiratete im März 1949 Erna Sander. Am 25.10.1949 wurden Tochter Katharina und am 26.9.1950 Sohn Markus geboren. Außerdem adoptierte das Paar noch Ulrike (geb. 1944).
Ulrike Trebitsch wurde Kosmetikerin, Katharina Trebitsch studierte Jura und wollte zunächst nicht – so wie ihr Bruder – in die Filmbranche einsteigen. „Nach dem Jura-Studium, 1974 mit dem ersten Staatsexamen abgeschlossen und der Referendarzeit in Hamburg, New York und Washington, lebte sie ein Jahr lang in einem Indiodorf in Guatemala. 1980 legte sie das Zweite Staatsexamen ab, doch sie wollte nicht Juristin werden.“ 9) 1980 gründete sie die „Objectiv-Film“ Produktion.