Hahnemannstraße
Eppendorf (1929): Christian Friedrich Samuel Hahnemann (10.4.1755 Meißen – 2.7.1843 Paris), Hygieniker, Psychiater, Pharmazeut, Homöopath, Freimaurer.

Prof. Robert Jütte, Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung schreibt über den Lebensweg von Samuel Hahnemann: „Obwohl er aus recht ärmlichen Verhältnissen stammte und der Vater [Porzellanmaler] wegen der prekären finanziellen Verhältnisse der Familie kein rechtes Verständnis für die Studienpläne seines Sohnes hatte, konnte Hahnemann nach dem Besuch der Fürstenschule St. Afra ein Medizinstudium in Leipzig aufnehmen. Seinen Lebensunterhalt verdiente sich der fleißige und hoch begabte Student durch Sprachunterricht und Übersetzungen. Es folgte ein kurzes Auslandsstudium in Wien, wo er schnell Kontakt zu Joseph von Quarin, dem Leibarzt der Kaiserin Maria Theresia, fand. Dieser vermittelte ihm 1777 eine Hausarztstelle beim Statthalter von Siebenbürgen, Baron Samuel von Brukenthal. 1779 verließ er Hermannstadt, um den medizinischen Doktorgrad an der Universität Erlangen zu erwerben.
(…)
Ein Jahr später ließ er sich in Hettstedt im Mansfeldischen nieder, doch scheint die erste Praxis wenig einträglich gewesen zu sein. Die folgenden beiden Jahrzehnte waren für Hahnemann und seine ständig größer werdende Familie unstete Wanderjahre.“ 1)
1782 heiratete Hahnemann die Apothekertochter Henriette, geb. Küchler (1764-1830). Das Ehepaar bekam elf Kinder. Die Familie lebte in Armut, zog viel um. „Sein kärgliches Auskommen aus der ärztlichen Tätigkeit besserte er durch zahlreiche Übersetzungen sowohl von Fachliteratur als auch von belletristischen Werken auf. (…).
Nachdem sein Name durch die zahlreichen Übersetzungen französischer, englischer und italienischer Werke aus den Bereichen Pharmazie, Medizin und Naturwissenschaften über die Fachwelt hinaus schon bekannt war, versuchte sich Hahnemann auch als Autor. Bereits in jenen Jahren deutete sich der unbändige medizinische Reformwille an. In diese äußerst produktive schriftstellerische Phase seines Lebens fiel die ‚Entdeckung‘ des Simile-Prinzips, das bis heute Grundbestandteil der homöopathischen Lehre geblieben ist. (…) Sechs Jahre lang prüfte Hahnemann seine erst später ausformulierte Hypothese, dass ‚Ähnliches mit Ähnlichem‘ geheilt werden könne. Die Ergebnisse seiner Arzneiprüfungen und die Summe seiner Reflexionen über dieses Phänomen veröffentlichte er 1796 (…). Dieses Datum gilt gemeinhin als die Geburtsstunde der Homöopathie,“ 2) so Robert Jütte.
Robert Jütte schreibt über den weiteren beruflichen Weg von Hahnemann: „Nach bescheidenen Anfängen im sächsischen Eilenburg und Schildau fand seine nun ausschließlich homöopathische Praxis in Torgau bereits über die Stadtgrenzen hinaus Zulauf. 1810 erschien sein Hauptwerk, das aufgrund des dogmatischen Grundtons der späteren Auflagen oft als ‚Bibel der Homöopathie‘ bezeichnet wird. Dieses Buch erreichte zu seinen Lebzeiten fünf Auflagen und wurde von Mal zu Mal ergänzt und verbessert. (…).“ 3)
Im Hintergrund agierte Henriette Hahnemann. Sie hielt ihrem Gatten den Rücken frei und sorgte für ein Umfeld, ohne das er nicht hätte forschen und existieren können, schließlich war er ja auch noch Vater von elf Kindern geworden. Später bezeichnete Hahnemann seine Frau als „edle Gefährtin seines Künstlerlebens“. Er benutzte sie und die Kinder als Testpersonen für seine Arzneimittelprüfungen. Henriette Hahnemann starb 1830 im Alter von 66 Jahren. Damals war Hahnemann 75 Jahre alt. Fünf Jahre später verliebte sich der fast Achtzigjährige in die damals 35-jährige Marquise Mélanie D’Hervilly (2.2.1800 - Mai 1878 Paris).

„Marie Mélanie d’ Hervilly wurde als Tochter von Comte Joseph d’ Hervilly und Marie-Josèphe Gertrude Heilrath in eine alte, aber verarmte französische Adelsfamilie geboren. Sie genoss die Privilegien der republikanischen Aristokratie und erhielt Privatunterricht, (…). [Das junge Mädchen wurde] Opfer von häuslicher Gewalt seitens ihrer Mutter [und] lebte (…) ab dem Alter von fünfzehn Jahren bei ihrem Ziehvater Guillaume Guillon-Lethière, von dem sie das Malen lernte. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie durch den Verkauf gemalter Porträts und Miniaturen und erhielt auch Preise und Auszeichnungen für ihre Werke. Neben der Malerei begeisterte sich die exzentrische junge Frau für das Reiten, das Pistolenschießen und politische Diskussionen.
Sie nahm 1830 den Namen Gohier an, als der einstige Direktoriums-Präsident Louis-Jérome Gohier sie in seinem Testament adoptierte und ihr sein Vermögen hinterließ. Gohiers eigene Tochter war zu dem Zeitpunkt seit zwanzig Jahren verheiratet und kinderlos. (…).“ 4)
Als 1832 in Paris die Cholera wütete, „begann sich die 32-Jährige für Homöopathie zu interessieren, (…).“ 5)
1834 fuhr sie, als Mann verkleidet, von Paris zu Hahnemann nach Köthen, nachdem sie sein Werk „Organon“ gelesen hatte und begeistert von seiner Therapieform war. Sie wollte sich von Hahnenmann behandeln lassen. Hahnemann war betört von der Marquise und machte ihr wenige Tage nach dem Kennenlernen einen Heiratsantrag. Sie willigte ein, die heimliche Hochzeit erfolgte 1835 und das Paar zog nach Paris. „Bald nach der Ankunft (…) in Paris setzte sie es dank ihrer glänzenden Beziehungen durch, dass Hahnemann die Erlaubnis zum Praktizieren erhielt; sie mietete in der Rue Madame ein geräumiges, repräsentatives Haus, das sich schnell mit Heilungssuchenden und Neugierigen füllte. Nach kurzer Zeit wurde das Haus zu klein für den Ansturm der Gäste, man zog um in die Rue de Milan, und immer länger wurden die wartenden Wagenreihen vor dem ‚Palais Hahnemann‘.“ 6)
Mélanie Hahenemann führte ihren Mann in die gesellschaftlichen Kreise ein und wurde seine Assistentin. Hahnemann urteilte über sie, sie sei „der beste Homöopath in ganz Europa“. Nach seinem Tod erfuhr sie Ablehnung von Seiten der Ärzteschaft und vom Berufsstand der Homöopathen, weil sie kein rechtmäßiges Diplom hatte, sondern nur ein Diplom als Docteur en médecin homéopathique. 1847 wurde sie wegen illegaler Ausübung der Medizin und Pharmazie angeklagt; sie bekam eine Geldstrafe und Berufsverbot. Jahre später nahm sie heimlich ihre Arbeit wieder auf.
„Die ihr vererbte 6. Auflage des Werks ihres Mannes, Organon, wurde aufgrund fachlicher und persönlicher Auseinandersetzungen mit anderen Hahnemann-Anhängern erst 1921, lange nach Mélanies Tod veröffentlicht, knapp siebzig Jahre nach dem Tod Samuel Hahnemanns. (…)
1869 praktizierte Mélanie Hahnemann kaum noch. Sie verarmte langsam, zudem zwangen die Auswirkungen des Deutsch-französischen Kriegs 1871 sie, den Großteil ihres Besitzstands und das Haus zu verkaufen. Als sie 1872, nun weit weniger populär als zuvor, doch noch eine medizinische Zulassung erhielt, konnte sie ihre Dienste fortan offen bewerben.
Sie starb 1878 und wurde neben den drei Männern begraben, welche ihr Leben geprägt hatten. Zwanzig Jahre nach ihrem Tod wurde Samuel Hahnemann 1898 auf den Friedhof Père Lachaise umgebettet; seine Frau liegt in einem nicht gekennzeichneten Grab neben ihm.“ 7)