Adolf-Wagner-Straße
Eißendorf (1926): Prof. Adolf Wagner (25.3.1835 Erlangen -8.11.1917 Berlin), Nationalökonom, Bodenreformer. Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses (1882-1885) und des preußischen Herrenhauses (ab 1910)
2022 erfolgte eine textliche Ergänzung zum Straßennamen, der 1926 vergeben worden war. Der folgende Text wird als Grundlage für ein Zusatzschild des Bezirks genommen. Benannt nach: „Adolf (auch Adolph) Wagner (1835-1917), Wirtschafts- und Finanzwissenschaftler. Er galt als Vertreter des Staatssozialismus und wurde zu den bedeutendsten Ökonomen der Bismarck Ära gezählt. Die Benennung der Straße erfolgte 1926. Wagner war stellvertretender Vorsitzender der antisemitischen Christlich-Sozialen Partei des Hofpredigers Adolf Stoecker und 1882-1885 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses. Er war 1895/96 Rektor der Wilhelms-Universität, der heutigen Humboldt-Universität in Berlin.“
Adolf Wagner war der Sohn von Rosalie, geb. Henke (1813-1894), Tochter des Erlanger Professors Adolph Henke und des Mediziners Rudolf Wagner (1805-1864). Adolf Wagner erhielt nach dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften als 23-Jähriger das Lehramt der Nationalökonomie an der Handelsakademie in Wien. 1863 bekam er eine ebensolche Anstellung in Hamburg. 1865 ging er als Professor an die Hochschule in Dorpat, 1868 nach Freiburg und 1870 dann nach Berlin als Professor für Staatswissenschaften an die Friedrich-Wilhelm-Universität, wo er bis 1916 lehrte.
Laut Wikipedia-Eintrag gehörte Adolf Wagner zu den „führenden Personen im 1881 konstituierten Conservativen Central-Comitee (CCC). Das CCC formierte sich bald zur antisemitischen Berliner Bewegung, in der Wagner unter anderem mit Adolf Stoecker zusammenarbeitete.“ 1)
Adolf Wagner trat für die Monarchie und gegen den Parlamentarismus ein. Im WDR Beitrag "Stichtag" heißt es zu Adolf Wagner: „Obwohl er ein konservativer Monarchist bleibt, hat er Sympathie für die aufkommende Sozialdemokratie - und wagt den Spagat in seiner Wirtschaftstheorie, die er als ‚Staatssozialismus‘ bezeichnet: ‚Der Staatssozialismus kommt prinzipiell dem Sozialismus entgegen, weil er dessen Kritik teilweise für berechtigt und dessen Forderungen [...] für erwünscht hält.‘ Das bedeutet: Verstaatlichung bestimmter Bereiche wie Bahn, Banken und Versicherungen. Wagner sucht den ‚dritten‘ Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Er fordert mehr Staatseingriffe wie etwa besseren Arbeitsschutz und das Verbot von Kinderarbeit.
Wagner will straffe Reformen von oben durch eine starke, parlamentarisch-monarchistische Hand - keine Revolution, die den ganzen Staatsapparat auf den Kopf stellt. Die Sozialdemokraten verspotten ihn als ‚Katheder-Sozialisten‘ oder ‚Psalmist des sozialen Königtums‘. Aus dem rechten Lager lautet der Vorwurf: ‚Sozialismus von oben‘. Obwohl Wagner zwischen allen Stühlen sitzt, macht er Karriere und wird 1895 Rektor der Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität. Er gehört zu den einflussreichsten Ökonomen während der Regierungszeit Otto von Bismarcks. Dass er mittlerweile weitgehend in Vergessenheit geraten ist, dürfte mit den Schattenseiten seiner Biografie zu tun haben. Zum einen unterstützt er die aggressive Flottenpolitik des Deutschen Reiches. Zum anderen ist er Mitglied der Christlich-Sozialen Arbeiterpartei des Hofpredigers Adolf Stoecker, die eine antisemitische Hetzkampagne auslöste. Wagner selbst schreibt damals von ‚bedenklichen Seiten des jüdischen Stammescharakters.‘“ 2)
Vor dem Hintergrund von Adolf Wagners antisemitischer Haltung gab die CDU am 19.10.2020 in der Bezirksversammlung Harburg eine Stellungnahme ab zum „Gemeinsamen Antrag SPD-GRÜNE betr. Adolf Wagner - verdienter Sozialökonom, Antisemit oder beides?“. Die CDU forderte „eine Ergänzung des Namensschildes der Adolf-Wagner-Straße und biographische Daten des Namensgebers“ 3), da es eine Namensgleichheit des Namensgebers mit einem Nationalsozialisten (NSDAP-Gauleiter, SA-Obergruppenführer, geb. 1890, gest. 1944) gibt und außerdem „eine Ambivalenz im Leben und Wirken erkennbar“ 3) ist.
Adolf Wagner war dreimal verheiratet: Im Alter von 26 Jahren heiratete er 1861 die 24 Jahre alte Johanna, geb. Buse (1837-1868). Das Paar bekam 2 Söhne und eine Tochter. Doch sieben Jahre nach der Hochzeit starb seine Frau im Alter von 31 Jahren. Ein Jahr nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Wagner die damals 30jährige Johanna (Jane) Hahn (1839-1872). Auch mit ihr war ihm nur ein kurzes Eheleben vergönnt. Bereits zwei Jahre nach der Hochzeit starb auch sie. In dieser kurzen Ehezeit hatte Johanna Wagner zwei Töchter geboren. Auch diesmal heiratete der Witwer mit nun fünf Kindern ein Jahr nach dem Tod seiner zweiten Ehefrau. 1873 ehelichte der 38-Jährige Martha Schönberg (15.8.1846 Stettin-1918). Das Paar bekam 3 Töchter. So bestand die Familie nun aus Mutter, Vater und 8 Kindern. Diese dritte Ehe hielt 43 Jahre lang bis zum Tode von Adolf Wagner im Jahre 1917. Ein Jahr später verstarb auch seine Ehefrau.
Adolf Wagner stand dem Studium von Frauen wohlwollend gegenüber und ließ auch Frauen zu seinen Seminaren zu, wozu andere Kollegen nicht bereit waren. So unterstützte er auf seine Art den von der Sozialreformerin und Frauenrechtlerin Alice Salomon (9. 4. 1872 Berlin - 30. 8. 1948 New York) gestellten Antrag auf Promotionszulassung, den sie erstmals 1905 gestellt hatte und zwar mit ihrer Arbeit „Die Bestimmungsgründe der ungleichen Entlohnung gleicher Leistungen von Männern und Frauen“. Dazu heißt es in Annette Vogts Beitrag „Alice Salomon. Das »Cum laude« gelang erst im zweiten Anlauf“: „In der Fakultätssitzung stimmten 20 dafür und zwei dagegen, (…).“ Das Ministerium genehmigte die Zulassung „unter Befreiung vom Reifezeugnis, ‚jedoch in der Voraussetzung, daß die von dem Mehrheitsbeschluß der Fakultät abweichenden Stimmen ihren Widerspruch nicht auf besondere Mängel der Dissertation, der Vorbildung oder der sittlichen Qualifikation gründen‘.
In Salomons Akte zum Verfahren sind Schreiben von Max Sering und Adolf Wagner (1835–1917) erhalten geblieben, die ihre Arbeit loben. Dennoch schrieb die Fakultät am 8. Juli 1905 an das Ministerium, ‚dass sie schon deshalb nicht in der Lage ist, weiteres derzeit in der Angelegenheit des Frl. Alice Salomon zu tun, da die Dame am 20. Mai ihre Arbeit und ihre Papiere zurückerhalten hat‘.
Die Fakultät hatte damit strenger entschieden als das Ministerium (…). In dem Schreiben bekundete die Fakultät jedoch die Bereitschaft, einen erneuten Antrag von Alice Salomon gemäß der Hinweise des Ministerialvertreters (…) zu behandeln. Für dieses Antwortschreiben sind übrigens zwei Varianten in der Akte erhalten geblieben, das eine, oben wiedergegebene, weil vom Dekan Erman abgezeichnete, und ein weiteres, betitelt ‚Entwurf des Herrn Wagner‘.
Der Staatswissenschaftler Adolf Wagner, (…), nutzte den ‚Fall Salomon‘, um in seinem Antwortentwurf ein prinzipielles Problem anzusprechen – das der geforderten Einstimmigkeit der Fakultät bei derartigen Anträgen. (…) Er schreibt eingangs, die Fakultät wäre bereit, ‚die genannte Dame zur Promotion zuzulassen‘, wenn sie in Zukunft damit von der ‚Forderung der Einstimmigkeit‘ entbunden würde. Und dann betont er: ‚Sie (die Fakultät – A. V.) gestattet sich dabei auch hervorzuheben, dass nach ihrer Ansicht die Forderung der Einstimmigkeit bei Dispensen vom Reifezeugnis unbedingt zu weit geht. Ihre Aufrechterhaltung würde nur dazu führen, ganz wenigen und selbst einem einzigen Mitglied der Fakultät, welches aus welchen Gründen immer eine abweichende Auffassung vertritt, die Macht zu geben, diese seine Auffassung selbst derjenigen der Gesamtheit der übrigen Mitglieder gegenüber durchzusetzen. Wenn z. B. ein einziges Mitglied grundsätzlich der Zulassung von Frauen zum akademischen Studium und zur Promotion entgegen ist, würde es im Stande sein das Studium von Frauen überhaupt zu hindern, ähnlich jedes Dispensgesuch von Personen, deren Vorbildung und Bildungsgang nicht ganz den normalen Bedingungen entspricht, unmöglich zu machen. Wir bitten daher Euer Excellenz auch in Zukunft von der sachlich unhaltbaren Forderung der Einstimmigkeit in Promotionsangelegenheiten, wo es sich um Dispensgesuche handelt, absehen zu dürfen. Wenn hier nicht wie in den meisten anderen Angelegenheiten die einfache Mehrheit der Stimmen genügen soll, könnte unseres Erachtens höchstens die Forderung einer höheren Einheit z. B. von zwei Dritteln gestellt werden. Vollends in so grossen und aus Vertretern so verschiedener Fachwissenschaften bestehenden Fakultäten erscheint ein anderes Vorgehen unmöglich, wenn nicht einzelnen oder selbst einem einzigen Mitglied eine übermässige Macht gegenüber den anderen Mitgliedern gegeben werden soll.‘ (…).“ 4)
Alice Salomon ließ sich nicht unterkriegen. Sie stellte noch im selben Jahr, 1905, erneut einen Antrag auf Zulassung zur Promotion. „In ihrem Lebenslauf, (…) dankte sie besonders den Professoren Sering und Weber ‚für das freundliche Interesse, das sie dieser Arbeit [ihre Promotionsarbeit] geschenkt haben‘.“ 5)
Eine von Adolf Wagners Töchtern war die Malerin und Grafikerin Cornelia Paczka-Wagner (9.8.1864 Göttingen- nach 1930). 1885/1886 studierte sie bei Karl Stauffer in Bern, an einer Privatschule in Paris, an der Königlichen Akademie der Künste in München bei Johann Caspar Herterich und an der Zeichen - und Malschule des Verbandes der Künstlerinnen Berlins.
1888 ging sie nach Rom, um sich dort im Malen weiterzubilden und blieb dort bis 1894. Dann ging sie für ein Jahr nach Madrid und kam 1895 nach Berlin.
Cornelia Paczka-Wagner war befreundet mit der Malerin Käthe Kollwitz, mit der sie zusammen bei Karl Stauffer in Bern ausgebildet wurde, und mit dem Maler Max Klinger, der sie mehrfach portraitierte und dem sie Modell stand. 1890 heiratete sie den ungarischen Maler Franz Paczka (1856-1925). Zwischen 1896 und 1930 war Cornelia Paczka-Wagner Mitglied des Berliner Künstlerbundes.
„Cornelia Paczka-Wagner befasste sich hauptsächlich mit Frauendarstellungen, die sie durch Allegorisierung und Idealisierung mit einer erhöhenden, geheimnisvollen Aura versah. Die Künstlerin schuf auch Wandbilder und Brunnen.
Cornelia Paczka-Wagner stellte in Berlin, Budapest, Hannover, Frankfurt a. M., München und Dresden aus. 1910 war sie auf der Biennale in Venedig, 1926 auf der Großen Berliner Kunstausstellung vertreten. Die Künstlerin erhielt zahlreiche Preise, darunter die Bronzemedaille in Paris (1900) und den Ehrenpreis auf der Internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik, Leipzig (1914). Sie war Mitglied im Deutschen Lyceum-Club und in der Vereinigung der Graphiker.“ 6) Cornelia Paczka Wagner starb nach 1930.