Heinrich-Barth-Straße
Rotherbaum (1899): Heinrich Barth (16.2.1821 Hamburg -25.11.1865 Berlin), Afrikaforscher und Afrikanist.
Die Heinrich-Barth-Straße ist in der Liste der Straßennamen mit kolonialen Bezügen aufgeführt. Siehe unter: https://geschichtsbuch.hamburg.de/wp-content/uploads/sites/255/2017/07/AB-SEK-I-Stra%C3%9Fennamen-Projekt-1.pdf
2021 erinnerte Axel Tiedemann im Hamburger Abendblatt an den 200. Geburtstag von Heinrich Barth u. a. mit folgenden Sätzen: „er durchstreifte Mitte des 19. Jahrhunderts mit Karawanen auf 17.000 Klometern die Sahara und Teile Nordafrikas, schlug sich mit Räubern und Malaria herum. Und er schaffte es als europäischer Christ und ‚Ungläubiger‘, die damals sagenumwobene Oasenstadt Timbuktu zu erreichen – und zu überleben. Sein Sprachtalent und ein tiefes Verständnis für den Islam und afrikanische Kulturen halfen ihm dabei.“ 1)
Die Journalistin und Literaturwissenschaftlerin Heide Soltau schreibt über Barth und die damalige Sichtweise auf Afrika: „Die Erforschung Afrikas geschah lange unter eurozentristischen Gesichtspunkten. Der 1821 in Hamburg geborene Heinrich Barth gehörte zu den wenigen Wissenschaftlern, die sich schon Mitte des 19. Jahrhunderts um eine vorurteilsfreiere Sichtweise bemühten. Für ihn waren es nicht unzivilisierte, zu missionierende und kolonisierende ‚Wilde‘, er betrachtete sie als gleichwertige Menschen mit verschiedenen Sprachen und Kulturen.“ 2)
Heinrich Barth war der Sohn von Charlotte Karoline, geb. Zadow (1789-1862) und des Fleischereibesitzers Johann Christoph Heinrich Barth (1787–1856). Barth wächst in Hamburg auf, besucht das Johanneum. Nach dem Abitur geht er im Alter von 18 Jahren zum Studieren nach Berlin, wo er Geographie und Altertumskunde studiert, auch lernt er Englisch, Französisch und Arabisch. Sein Studium beendet er 1844 mit Abschluss Promotion. Seine erste große Forschungsreise begann er 1845.

In der Neuen Deutschen Biographie heißt es über Barths weiteren Werdegang: „Bis Ende 1847 durchzog er oftmals unter großen Schwierigkeiten nacheinander Marokko, Algerien, Tunesien, Malta, Tripolitanien, die Cyrenaika, Ägypten, Palästina, Syrien, Zypern sowie Süd- und West-Kleinasien und kehrte reich an Erfolgen und Erfahrungen über Konstantinopel und Athen zurück. 1848 habilitierte B. sich in Berlin, siedelte nach dort über und begann mit Vorlesungen und der Bearbeitung seines Reisewerkes. Doch schon 1849 wurde er durch Vermittlung R. Bunsens, A. Petermanns und Ritters zusammen mit A. Overweg Teilnehmer einer englischen Forschungsexpedition unter J. Richardson ins Innere Nordafrikas, die am 31.3.1850 von Tripolis aufbrach. [Zweck dieser Expedition war von Seiten der britischen Krone: neue Handelswege zu erschließen] Die Hauptpunkte der Expedition waren: Mursuk, Ghat, Air (Asben), Kuka, Tschadsee, Adamaua, Jola, Kamen, Bagirmi, Benue, Kano, Katsema, Sokoto, Niger, Timbuktu, Kuka, Tripolis. Diese nach dem Tode von Richardson und Overweg seit September 1852 von B. allein durchgeführte Forschungsreise gehört zu den bedeutendsten der Entdeckungsgeschichte Afrikas, die durch sie in eine neue Epoche eintrat. Sie erschloß und erforschte erstmalig das gewaltige Gebiet zwischen Tripolitanien und dem Benue, dem oberen Niger und dem Lande Wadai, also den westlichen Sudan, große Teile des mittleren Sudan und der Sahara. B.s geographische und ethnographische Forschungen - allein rund 20 000 km Weges wurden von ihm kartographisch aufgenommen, 49 Sudansprachen aufgezeichnet - sind z. T. auch heute noch nicht überholt. Am 8.9.1855 nach Europa zurückgekehrt, wurde B. reich geehrt. Die geographischen Gesellschaften von Paris und London verliehen ihm die große goldene Medaille, die Universitäten Jena und Oxford den Ehrendoktor, nachdem die Berliner Akademie der Wissenschaften ihn bereits schon am 11.8. zu ihrem korrespondierenden Mitglied ernannt hatte. November 1855 siedelte B. (…) nach London über. Hier vollendete er bis Mai 1858 sein großes fünfbändiges Reisewerk, das überall größte Beachtung fand. Im Herbst 1858 bereiste er das nördliche Kleinasien und kehrte 1859 nach Berlin zurück. Nach dem Tode Ritters 1859 wurde B. zweiter, 1863 erster Vorsitzender der ‚Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin‘, dadurch Hauptbegründer der ‚Ritterstiftung‘ und damit Mittelpunkt und Anreger der gesamten Afrikaforschung seiner Zeit. Demgegenüber treten seine Lehrtätigkeit an der Universität (seit 1863) und die Bedeutung seiner weiteren Reisen (1861 Spanien, 1862 Balkan, 1863 Alpen, 1864 Italien, 1865 Mazedonien, Albanien, Montenegro) zurück.“ 3)
Heinrich Barth war ein entschiedener Gegner der Sklaverei. „Andreas Mulitor schreibt in seinem Artikel „Jenseits des ‚dunklen Afrika‘“ über Heinrich Barth: „Bei einem seiner abendlichen Erkundungsgänge im heute zu Lybien gehörenden Akakusgebirge, entdeckt Barth Felsbilder, bis zu 14.000 Jahre alt, denn den abendländischen Blick auf die Sahara für immer verändern: Es sind Darstellungen von Rindern, Büffeln, Antilopen und Straußen, die davon künden, dass die Sahara einst keine lebensfeindliche Wüste war, sondern fruchtbares Land.
Je zahlreicher die Zeugnisse vergangener Kulturen, die Barth während der Expedition zutage fördert, desto mehr reift in ihm die Überzeugung, dass Afrika eine lange, faszinierende Geschichte hat – und seine Bewohner handelnde Subjekte dieser Geschichte sind und keine bemitleidenswerten oder zu verachtenden Wilden, gerade gut genug für die Sklaverei. Damit stellt er sich gegen die herrschende Meinung. (…) Die gängigen Theorien von der angeblichen biologischen Minderwertigkeit der Afrikaner nimmt er nicht zur Kenntnis. Auch religiöser Bekehrungseifer liegt ihm fern. (…) Trotzdem ist auch Barth ein Mann seiner Zeit. (…) Sosehr Barth jeglicher Hochmut abgeht, glaubt er doch an die Überlegenheit der europäischen Zivilisation, räsoniert darüber, afrikanische Länder ‚zu civilisieren‘, und hält es für ‚zu diesem Behufe unumgänglich notwendig, die günstigste Strecke des Landes zu kolonisieren und somit Handelsverkehr und Civilisation nach allen Richtungen im Innern des Welttheiles zu verbreiten.‘ Zugleich neigt er zu einer gewissen romantischen Verklärung der vermeintlichen ‚Einfalt und Rohheit‘ Afrikas, die er der ‚gekünstelten Zone europäischer Bildung und Wissenschaft‘ entgegenstellt. Solch zeittypische Aussagen finden sich verschiedentlich in seinem Expeditionsbericht – neben scharfen Angriffen auf die europäische Missionierung des Kontinents und vor allem: ausführlichen Schilderungen von Ländern und Menschen.“ 4)
Einen sehr differenzierten Blick auf Heinrich Barth unternehmen Stephanie Zehnle und Sarah Benneh-Oberschewen. Sie schreiben: „Doch auch der für seine Anpassungsfähigkeit bekannte Barth war von rassistischen Diskursen seiner Zeit geprägt und (re-)produzierte stereotype Beschreibungen von Afrikaner*innen. Andererseits machte er in seinem fünfbändigen Reisebericht mehrfach deutlich, wie sehr er an eine ‚grundsätzliche Einheit der Menschheit‘ glaubte.
Als afrikareisender Geograph war Heinrich Barth ein indirekter Wegbereiter der ab Ende des 19. Jahrhunderts einsetzenden Kolonialisierung der Region. In in eine ‚direkte Kontinuitätslinie‘ zur Kolonialisierung einzureihen, wäre jedoch anachronistisch, denn seine Vision war die eines intensiven Kulturkontaktes und regen Güterausaustauschs zwischen unabhängigen Staaten Europas und Afrikas und nicht die Kolonialisierung (…).“ 5)
Axel Tiedemann kommt nach der Lektüre des Buches von Dieter Schöneborn, der eine Biografie über Barth verfasst hat, zu dem Schluss: „eine vielleicht erhoffte glanzvolle Karriere bleibt aus. Mit seinem Bericht [Reisebericht] kann er zudem nicht den Massengeschmack treffen, seitenweise und auch ein wenig langatmig beschreibt er dort lieber Details seiner akribischen Forscherarbeit – und nicht abenteuerliche Kämpfe mit Löwen oder Räubern, so wie es das breite Publikum aus anderen Afrika-berichten liebt.
Auch seine schroffe Art mag ihm im Wege stehen, vermute sein Biograf Schöneborn. Doch ausschlaggebend für die geringe Anerkennung seinerzeit seien wohl vor allem die vorurteilsfreie Sicht Barths auf Afrika und sein Verständnis für den Islam. Beides passt nicht in die Zeit. Europäische Länder begründen jetzt den beginnenden Kolonialismus und die Ausbeutung Afrikas mit einer angeblichen Überlegenheit der europäischen Kultur. Da passt Barths Beschreibung einer langen afrikanischen Zivilisationsgeschichte nicht ins Bild.“ 6)
Heinrich Barth wurde: „eine ordentliche Professur an der Universität Berlin verweigert (..), obwohl er alle Qualifikationen hierfür mitbrachte. Aber sein hartnäckiges Eintreten für die Gleichwertigkeit der Afrikaner, seine Behauptung, Afrika sei keineswegs ein geschichtsloser Kontinent, und wohl auch sein unzeitgemäß positives Bild vom Islam machten ihn bei den etablierten Professoren verdächtig. Leopold von Ranke, Deutschlands bekanntester Historiker und Lehrstuhlinhaber in Berlin, schrieb in einem Gutachten, Barth sei wohl ein kühner Abenteurer, aber kein ernst zu nehmender Gelehrter. Ranke selbst hatte den Afrikanern jede Geschichtsfähigkeit bestritten, was im 19. Jahrhundert, in dem die anzunehmende Entwicklungs- und Geschichtsfähigkeit eines Volkes als ein wichtiges Kriterium für seine Rangfolge innerhalb der Menschheit angesehen wurde, ein vernichtendes Urteil darstellte. Damit war Barths Versuch, die Erforschung der afrikanischen Geschichte im akademischen Bereich zu etablieren, wenn auch über den Umweg über die historische Geographie, endgültig gescheitert. (…)
Erst 1863 wurde er als außerordentlicher Professor für Geographie an die Berliner Universität berufen, was in der Praxis bedeutete, dass er weiterhin ohne feste Bezüge unterrichtete und seinen Lebensunterhalt von der Leibrente, die König Friedrich Wilhelm IV. ausgesetzt hatte, bestreiten musste. Offenbar mit Blick auf die Ablehnung seines Afrikabildes im akademischen Kreis hielt er Lehrveranstaltungen ab, die sich thematisch im allgemein akzeptierten Rahmen bewegten (…).“ 7)
Heinrich Barth galt als Eigenbrödler, als Einzelgänger. Von Liebesbeziehungen ist keine Rede.