Heinrich-Goebel-Straße
Volksdorf (1948): Heinrich Goebel (20.4.1818 Springe – 4.12.1893 New York); Erfinder der Glühbirne. Freimaurer.
Vorher hieß die Verkehrsfläche Rainweg.
Heinrich Goebel aus Springe in Niedersachsen und seit 1865 US-Staatsbürger, wurde: „im Jahr 1893 in den USA und Europa durch Zeitungsberichte über seine Behauptung bekannt, er habe bereits in den 1850er Jahren die ersten Glühlampen mit Kohleglühfaden (Kohlenfadenlampen) hergestellt und genutzt, ohne jedoch ein diesbezügliches Patent anzumelden. Das Patent für diesen Lampentyp hatte im Jahr 1880 Thomas Alva Edison erworben,“ 1) schreibt Christian Polscher.
Henry – wie er sich in den USA nannte – Goebel war aber: „nicht das Erfinder-Genie, für das er in Deutschland, besonders in seiner Geburtsstadt Springe am Deister, gehalten wurde. Unhaltbar ist die Annahme, dass er Edisons Kohlefaden-Glühlampe vorweggenommen hat,“ 2) schreibt Hans-Christian Rohde in seinem Buch „Die Göbel-Legende. Der Kampf um die Erfindung der Glühlampe“ aus dem Jahr 2007.
Alles also nur Legende, an die man auch im Jahr 1948 glaubte, als eine Straße in Hamburg nach Goebel benannt wurde? Noch 2004 „gab das Bundesministerium der Finanzen in Berlin unter dem Titel ‚150 Jahre elektrische Glühlampe, Heinrich Göbel‘ ein Sonderpostwertzeichen im Wert von 220 Cent heraus.“3)
Warum man so lange in Deutschland daran glaubte, dass Heinrich Goebel der Erfinder der Glühlampe gewesen sei, erklärt Hans-Christian Rohde und gibt dafür mehrere Gründe an. Vor allem nach dem Ersten Weltkrieg war man in Deutschland sehr daran interessiert, diese Legende als Wahrheit zu verkaufen. Dazu Hans-Christian Rohde: „In Göbel wird das Dogma von der Überlegenheit des Deutschtums personifiziert. Die angebliche Genie-Leistung Göbels dient unter Umständen, die als nationale Demütigung empfunden werden, der mentalen Daseinsbewältigung. (…) Befördert wurde der Glaube an die Wahrheit der Legende nicht nur dadurch, dass er das eigene Wunschbild von der Leistungskraft der deutschen Nation befriedigte. Die Darbietung der Legende selbst erzeugte immer wieder neue Varianten, die von späteren Autoren als erzählende Quellen gewertet werden konnten. Je mehr Varianten im Laufe der Zeit verfasst wurden, desto besser fundiert schien die Geschichte zu sein.“4)
Auch in der NS-Zeit wurde Göbel hochstilisiert; man sah in ihm „das typische Beispiel eines deutschen Erfinders.“ Die Legende hielt sich auch in der Nachkriegszeit. So gab es im April 1948 zum 130. Geburtstag von Heinrich Göbel eine Gedenkfeier in seinem Geburtsort Springe. Und just in diesem Jahr 1948 wurde in Hamburg Volksdorf eine Verkehrsfläche nach ihm benannt.
In Deutschland wollte man gerne glauben, dass ein Deutscher die Glühlampe erfunden habe. Deshalb nahm man begehrlich auf, was Goebel selbst 1882 behauptet hatte. Damals bemühte er sich: „selbstständig in das neue Geschäftsfeld einzusteigen, und [suchte] dafür Geldgeber. Aus diesem Zusammenhang lassen sich seine Ausführungen für die New York Times als geschickte, aber unredliche Werbemaßnahme deuten. (…)
1893 nutzten die Anwälte von drei amerikanischen Glühlampen-Firmen Goebels Behauptungen von 1882, um darauf eine Verteidigungsstrategie gegen die Ansprüche der Pateninhaberin der Edison Electric Light Company, aufzubauen. Die ‚Goebel-Defence‘ sollte sie vor dem ruinösen Produktionsverbot schützen. Um dieses Interesse durchzusetzen, bot man Goebel die Möglichkeit, seine alte Rolle weiter zu spielen: den großen Erfinder. Doch er war mittlerweile zu alt und nicht mehr in der Lage und willens dazu (…). Die Geschichte von Henry Goebels Glühlampen diente 1882 und 1893 dazu, unmittelbare wirtschaftliche Interessen zu fördern. Die Absichten der Akteure müssen als betrügerisch gewertet werden,“5) schreibt Hans-Christian Rohde.
Auch in Wikipedia wird detailliert über die Legende berichtet – und so sei an dieser Stelle die Frage erlaubt, ob eine Kontextualisierung des Straßennamens nicht doch angebracht sei.
In Wikipedia ist nachzulesen „Glühlampenhersteller in den USA versuchten in einer Reihe von Patentrechtsstreiten, anhand von Göbels Behauptung die Ungültigkeit des Edison-Patents von 1880 zu beweisen, um selbst einer vom Patentinhaber Edison Electric Light Co. angestrengten Schließung ihrer Produktion wegen Patentverletzung zu entgehen. Göbels Erfindungsbehauptungen konnten jedoch nicht bewiesen werden. Sie werden nach aktuellem Forschungsstand als unwahr zurückgewiesen. (…).
Göbel hat Patente für eine Verbesserung von Nähmaschinen (1865), für eine Verbesserung der Geißler-Pumpe (1882) sowie für eine Technik zur Verbindung von Kohlefäden mit Metalldrähten in Glühlampen (1882) erworben. Auf weitere technische Entwicklungen hatten diese drei Patente keinen Einfluss.“ 6)
Heinrich Goebel war der Sohn von Marie Eleonore Goebel, geborene Hüper und des Landschaftsgärtners und Hausierers Johann Heinrich Christian Goebel. Nach einer Schlosserlehre arbeitete er als Uhrmacher und heiratete im Oktober 1844 im Alter von 26 Jahren Sophie Lübke geb. Rodewig aus Springe. Zwei Monate später wurde ein Sohn geboren, der wenig später verstarb. 1846 und 1848 kamen in Deutschland zwei weitere Kinder auf die Welt.
Im Jahr der Geburt des dritten Kindes 1848 wanderte Goebel mit seiner Familie in die USA aus. In New York erwarb er einen Juwelierladen, den er als Reparaturladen für mechanische Geräte betrieb.
In Wikipedia wird der weitere Lebensweg Göbels detailliert beschrieben. Dort heißt es u. a.
„1882 suchte Göbel mittels einer Ausstellung in seinem Laden nach Geldgebern für die Produktion einer angeblich von ihm entwickelten Glühlampe. In den späteren Patentprozessen wurde dieser Typ als Göbel-Lampe Nr. 5 geführt. Acht Lampen wurden nach dem Bericht der The New York Times ausgestellt, die ein weißes, flackerfreies Licht spendeten. Göbel soll gesagt haben, dass diese Lampen einen Glühfaden mit dem höchsten bislang erreichten Widerstand hätten, was einen günstigen Energieverbrauch ermögliche. Als Material gab er Schilfgras an. Nach dem Zeitungsbericht soll Göbel den Besitz aller Patente für die Produktion seiner vorgeführten Lampe behauptet haben. Er hatte zu diesem Zeitpunkt jedoch noch gar kein erteiltes Lampenpatent. Zudem verletzte die vorgestellte Lampe in einigen Punkten das Edison-Patent.
Die The New York Times berichtete, dass Göbel bei der Lampenausstellung am 29. April 1882 gesagt habe, dass das elektrische Licht viel älter sei als die Amerikaner glaubten. Er selbst habe bereits vor 29 Jahren ein elektrisches Licht erfunden und Probleme gehabt, da die Nachbarn an ein Feuer glaubten und die Feuerwehr alarmierten. Seither sei er kontinuierlich mit Experimenten befasst gewesen.“ 7)
Göbels Ehefrau, mit der er 14 Kinder bekommen hatte, starb 1887. In den 1880er – Jahren hatte sich Göbel aus seinem Geschäft, das sein Sohn Henry jun. übernommen hatte, zurückgezogen. Über die Streitigkeiten um Patente und gerichtliche Auseinandersetzungen, siehe im Wikipedia Eintrag zu Göbel.