Heinz-Erhardt-Park
Wellingsbüttel (2009): Heinz Erhardt (20.2.1909 Riga – 4./5.6.1979 Hamburg), Schauspieler, Entertainer.
Heinz Erhardt war der Sohn von Alice Henriette Erhardt, geborene Neldner und des deutsch-baltischen Kapellmeisters Gustl Erhardt und wuchs nach der Trennung der Eltern überwiegend bei seinen Großeltern mütterlicherseits in Riga auf.
Mit knapp acht Jahren kam Heinz Erhardt wieder zu seiner Mutter, die damals in St. Petersburg mit ihrem zweiten Ehemann lebte. Dazu Heinz Erhardt: „Verzehrt vom Heimweh durfte ich bald zurückkehren [nach Riga zu den Großeltern, R. B.], um dort in jenes Institut einzutreten, das sich damit beschäftigte, unschuldigen Kindern das Lesen und Rechnen beizubringen.“1)
Im Alter von zehn Jahren kam Heinz Erhardt zum Vater: „Mein Vater holte mich mit 10 Jahren nach Deutschland, wo er an ständig wechselnden Theatern arbeitete. Ich wechselte des öfteren Städte und Schulen, was nicht ohne Schwierigkeiten ging.“ 2) Im Alter von 15 Jahren musste Heinz Erhardt wieder zur Mutter, diesmal nach Riga und zu den Großeltern. Dort besuchte er das deutsche Gymnasium und verließ es 1926 ohne Abschluss. Er begann nun, da der Großvater seinen Enkel als Nachfolger seines Musikhauses sah, „in Leipzig ein Volontariat in einer Musikalienhandlung. Gleichzeitig studierte er am dortigen Konservatorium von 1926 bis 1928 Klavier und Komposition und sammelte erste Erfahrungen als Stegreifkomiker auf Bunten Abenden“3), schreibt Michael Busch in seiner Biografie über Heinz Erhardt. Danach ging er zurück nach Riga, um im großväterlichen Betrieb zu arbeiten, wozu er aber keine große Lust verspürte. „Nachdem sein Großvater 1929 gestorben war und der zweite Mann seiner Mutter den Laden kommissarisch übernommen hatte, verringerte Erhardt sein Arbeitspensum im Musikalienhandel stetig. Zwischen 1928 bis 1934 entwickelte er ein kleines Tingelprogramm, mit dem er in Riga auftrat. (…) 1932 stand er zum ersten Mal auf der Bühne des deutschen Schauspiels in Riga. Ein erster Versuch, in Berlin Fuß zu fassen, scheiterte 1933.“4)
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten trat Heinz Erhardt nicht der NSDAP bei. Weder in der NSDAP-Zentralkartei noch in der NSDAP-Gaukartei des Berlin Document Center im Bundesarchiv findet sich eine auf ihn ausgestellte Mitgliederkarte, sodass sich eine Parteimitgliedschaft darüber nicht nachweisen lässt.
Im Frühjahr 1934 lernte Heinz Erhardt seine zukünftige Ehefrau kennen - und zwar im Fahrstuhl. Sie hieß Gilda Zanetti (1913-1987) und war als Tochter des italienischen Konsuls in St. Petersburg aufgewachsen, ihre Mutter war eine Deutsche. Am 5. Januar 1935 heiratete das Paar und bekam im Laufe seiner Ehe vier Kinder (geboren: 1936, 1940, 1943 und 1944).
In ihren ersten Ehejahren hatte das Paar kaum Geld, Gilda Erhardt-Zanetti arbeitete weiterhin als Sprechstundenhilfe bei einem Zahnarzt, bis das erste Kind geboren wurde. Heinz Erhardt bemühte sich, als Komponist und Entertainer Fuß zu fassen. „Seine Zuversicht, als Künstler den richtigen Weg zu gehen, verdankt er nicht zuletzt dem ständigen Zuspruch seiner Frau. Gilda Erhardt war überzeugt, dass er sein berufliches Glück nur in Deutschland machen würde“ 5), schreiben Erhardt Biographen Rainer Berg und Norbert Klugmann.
1938 ging Heinz Erhardt erneut nach Berlin. Die Sperlichs Künstleragentur vermittelte ihn an die „Kaiserkrone“, wo er in Vertretung des erkrankten Kabarettisten Peter Igelhoff auftrat. Doch das Publikum war nicht begeistert, es hatte Peter Igelhoff erwartet und nahm Heinz Erhardt als Künstler nicht an. Enttäuscht und traurig trat Erhardt bei seinem nächsten Auftritt in Breslau auf die Bühne. Das Publikum wertete dies als „komische Einlage“ und amüsierte sich köstlich. Erhardt hatte also Erfolg. Im Oktober 1938 trat er dann im „Kabarett der Komiker“ auf.
Mittlerweile war Gilda mit den Kindern nach Berlin gezogen, so dass die Familie wieder beisammen war – oder auch eher nicht -, denn Erhardt war kaum zu Hause anwesend. Ab Januar 1939 „reiste [er] als Pianist und ‚fabelhafter Schnellsprecher mit den köstlichen Blödeleien am Klavier‘, so die Presse, im Programm der Tänzerin La Jana durch Deutschland.“ 6)
1941 wurde Erhardt zum Musikkorps der Kriegsmarine einberufen, später zur Truppenbetreuung an die Ostfront geschickt und 1943 nach Kiel versetzt, dann nach Dänemark und 1944 wieder nach Kiel, wo er einen Posten in der Schreibstube der Marineverwaltung bekam.
Gilda Erhardt und die inzwischen vier Kinder lebten mit Gildas Mutter in Inowroc /Polen und flohen 1945 von dort nach Schleswig-Holstein, wo sie in einem Stall des Gutes Rastorf bei Preetz unterkamen.
Heinz Erhardt kam nach der Befreiung vom Nationalsozialismus in englische Kriegsgefangenschaft, aus der er Ende 1945 entlassen wurde. 1948 bezog die Familie Erhardt, die zuvor kurze Zeit in Blankenese einquartiert gewesen war, ein Haus im Fasanenweg 9 in Hamburg-Wellingsbüttel.
1946 hatte Heinz Erhardt eine Stelle als Radiomoderator beim NWDR an der Rothenbaumchaussee erhalten. Gemeinsam mit Willy Meyen schuf er die Sendereihe „So was Dummes“. Er schrieb auch die „Glosse der Woche“ und der NWDR strahlte 1948 Erhardts „Zehn-Pfennig-Oper“ aus.
Erhardts Karriere ging steil bergauf. Er nahm Schallplatten auf, trat ab 1955 in Peter Ahrweilers „Kleine Komödie“ am Neuen Wall in Hamburg auf und übernahm ab 1957 auch Kinorollen in Filmkomödien, so z. B. in „Witwer mit fünf Töchtern“. „In vielen seiner Filmrollen spielt er eine Art netten, aber etwas verwirrten und schüchternen Familienvater oder Onkel, der gerne Unsinn erzählt. Gleichzeitig versuchte er meist, den typischen Deutschen aus der Zeit des Wirtschaftswunders darzustellen.“ 7)
Der private Preis für seine Karriere war: seine Kinder sahen ihn kaum noch. „Für seine Familie hat Heinz Erhardt wenig Zeit. ‚Viel zu wenig‘, finden die Kinder, die stolz neben dem Radioapparat stehen, wenn der heißgeliebte Vati Sendung hat. Frau Erhardt hat zum Entsetzen ihres Mannes eine Unmenge Porträts von ihm in der Wohnung verteilt, damit die Kinder, wenn sie ihn zu selten sehen, nicht allmählich Onkel zu ihm sagen.“8) Heinz Erhardt selbst schrieb 1969 in sein Tagebuch: „Mal was ganz Privates. Ich bin ein schlechter Vater gewesen. Nie habe ich mich um meine vier prächtigen Kinder gekümmert. Was muß mein Zippchen [Kosewort für seine Frau, R. B.] gelitten haben (…). Viele sagen, ich sei der Prototyp eines vorbildlichen Familienoberhauptes! Dabei bin ich ein ganz mieses! Armes Zipp!!!“.9)
Die Rolle des abwesenden Vaters spielten viele Väter, damit stand Heinz Erhardt nicht allein auf weiter Flur. Auch die Mutter war häufig abwesend, weil sie ihren Mann auf den Tourneen oft begleitete. Sie war es auch, die das Geld verwaltete, die Kinder erzog und ihren Gatten in allen Dingen des alltäglichen Lebens den Rücken freihielt. So konnte Heinz Erhardt die Rolle seines Lebens spielen. „Bei ihm passen Rolle und reale Person zusammen. Komiker Heinz Erhardt begeisterte sein Publikum als kleiner Mann von nebenan, mit dem sich viele Deutsche identifizieren konnten. Er begegnete den kleinen und großen Katastrophen des Alltags leicht unbeholfen wirkend mit einem Wortwitz, der bei genauerer Betrachtung ungemein tiefsinnig war. Er spielte in seinen insgesamt 39 Filmen Durchschnittstypen wie den besorgten Familienvater oder den überforderten Witwer. Und auch privat gab er sich als Teil seines Publikums - ohne Starallüren und Skandale. So lebte er auch am Stadtrand von Hamburg in Wellingsbüttel ein idyllisches gutbürgerliches Leben. Mit seiner Frau, seinen drei Töchtern und einem Sohn wohnte er seit 1948 in einem kleinen, bescheidenen Backsteinhaus mit Garten. So wie der Durchschnitt eben,“ 10) charakterisiert Jenny Bauer den großen Komiker.
Ab Ende der 1960er Jahre plagten Heinz Erhardt Herz- und Kreislaufbeschwerden. 1971 erlitt er einen Schlaganfall, durch den das Sprachzentrum betroffen wurde und er kaum noch sprechen konnte. Acht Jahre später verstarb er.