Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Hilda-Monte-Weg

Bergedorf, seit 1986, benannt nach Hilde Meisel. Pseudonym: Hilda Monte (31.7.1914 Wien – 18.4.1945 Tisis bei Feldkirch), Schriftstellerin, Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus. Motivgruppe: Verdiente Frauen


Hilde Meisel, so ihr richtiger Namen, war jüdischer Herkunft. Im Alter von fünfzehn Jahren schrieb sie für das Berliner Blatt des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes „Der Funke“. Als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, war sie in England und nahm von dort ihre Widerstandstätigkeit gegen Hitler-Deutschland auf. Über den Internationalen Sozialistischen Kampfbund fand sie Kontakt zu politischen Freunden in verschiedenen Ländern. Unter dem Decknamen Hilda Monte brachte sie ihren GesinnungsgenossInnen in Deutschland Literatur und Informationen und half auch so manchem bei der Flucht aus Deutschland. Während des Krieges schrieb sie in englischer Sprache die Novelle „Where Freedom Perished“. Mit dieser Schrift wollte sie im Ausland die Lage der Deutschen, die unter der nationalsozialistischen Diktatur litten, verständlich machen. Sie veröffentlichte außerdem das Buch „The Unity of Europe“.

Selbst während des Krieges versuchte sie immer wieder, nach Deutschland zu kommen. 1939 unternahm sie diesen Versuch über Lissabon, musste jedoch auf halbem Wege umkehren und nach England zurückkehren. 1944 gelang es ihr, über die Schweiz und Österreich nach Deutschland zu kommen. Im Frühjahr 1945 wurde sie auf dem Rückweg von Deutschland in die Schweiz von einer SS-Patrouille beim illegalen Grenzübertritt erschossen.

Nachdem der jüdische Händler Berthold Walter (19.3.1877 München –7.8.1935 Suizid Hamburg) wegen der ihm durch die Nationalsozialisten zugefügten Repressalien und Schikanen aus dem siebten Stock des Gebäudes der Hamburger Finanzbehörde am Gänsemarkt in den Tod gesprungen war, schrieb Hilda Monte aus Betroffenheit über seinen Tod das nachstehende Gedicht.

Hamburg 1935
Von dieser Brüstung werde ich gleich springen.
Gleich wird mein Körper auf dem Hof zerschellen.
Ich höre noch den Bettler drüben singen,
Ich höre einen Hund ein Pferd anbellen.
Bleich werde ich gestorben sein.

Ich sterbe mitten im Gewühl der Stadt,
und nicht im Kämmerlein mit Veronal,
denn wer den Todessprung verschuldet hat,
wer schuldig ist an meiner Lebensqual,
soll ihren schreckensvollen Ausgang sehn.

Zwei Jahre lebte ich als Emigrant
Und konnte Frau und Kinder nicht ernähren,
und sehnte mich nach meinem Heimatland.
Schließlich entschloss ich mich, zurückzukehren,
verzweifelt, und verängstigt, und verzagt.

Ein alter Jude, schwach und hoffnungslos,
Kehrt' ich zurück ins Deutschland der Barbaren.
Ich wollte arbeiten. Ich wollte bloß
den Kindern, die so lange hungrig waren,
ein wenig Brot und Kleidung noch verschaffen.

Ihr ließet es nicht zu. Ihr seid so roh!
Ach, wüsstet ihr, wie meine Kinder froren,
als ich von ihnen ging. Sie weinten so . . .
Doch ihr habt eure Seelen längst verloren,
seit euch das Hitlerreich die Freiheit nahm.

Er ist so mächtig! Kann ich meine Kinder schützen
vor Banden, die sich frech Regierung nennen?
Was kann ich alter Jud den Kleinen nützen?
Vielleicht, wenn sie mich nicht mehr kennen,
wird ihnen irgendwo ein Tor zur Welt.

Drum geh ich fort. Doch geh ich nicht im Stillen.
SA-Mann dort: in einem Augenblick
hörst du die aufgeschreckte Masse brüllen:
„Ein Mann fiel, und er brach sich das Genick.
Und dieser Mann – es war ein armer Jude.“

J U D E

Man drängt um seinen Leichnam. Zieht den Hut.
Doch wenn du kommst, weicht angstvoll man zurück.
Dein braunes Hemd, es riecht so stark nach Blut –
und aus dem toten Körper saugt ein Blick
anklagend sich an deinem Auge fest.

Beklommen starrst du auf den toten Mann,
siehst Kinder um den alten Juden weinen,
und selbst die arischdeutsche Marktfrau kann,
so sehr sie sich bemüht, nicht teilnahmslos erscheinen –
Barsch forderst du zum Weitergehen auf.

Man geht. Man wendet sich noch einmal um -
ein letzter Blick – birgt er nicht ein Verstehen?
Birgt er die Frage nicht an diese Zeit: Warum
müssen wir über dieses Juden Leiche gehen?
Und das Geständnis: Unser ist die Schuld?

Ich bin ein Jude. Und ich sterbe hier,
damit ihr denken möget an das Leben
der Abertausend, über die, gleich mir,
ihr euer Todesurteil abgegeben.
Wer seid ihr, dass ihr unsere Richter seid?