Jean-Dolidier-Weg
Neuengamme (1986): Jean Aimé Dolidier (30.4.1906- 22.5.1971), Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, Präsident der „Amicale Internationale de Neuengamme“.
Vorher ein Teil des Neuengammer Heerwegs.
Der gelernte Restaurator und Kunsttischler arbeitete als Journalist und engagierte sich in der französischen Kommunistischen Partei und in Gewerkschaften. 1937 wurde er Leiter der Gewerkschaftszeitung „La Vie Ouvrière“. Bereits 1938 wurde Jean Dolidier verhaftet, denn nach dem Hitler-Stalin-Pakt und dem Niedergang der Volksfrontregierung herrschte auch in Frankreich eine starke antikommunistische Stimmung. Als Mitglied der im Zweiten Weltkrieg in Frankreich und Belgien aktiven Widerstandsbewegung „Résistance“ hatte er – nach verschiedenen Inhaftierungen – im Zentralgefängnis von Eysses eine Gefängnisrevolte organisiert, die sich gegen die Auslieferung von 107 politischen Gefangenen an die Gestapo richtete. Der Aufstand wurde niedergeschlagen und Dolidier ausgeliefert. Im Mai 1944 deportierte man ihn aus dem Internierungslager „Camp de Voves“ ins KZ Neuengamme bei Hamburg. Sofort schloss er sich dort dem „Comité Clandestine“, einem Geheimkomitee politischer Häftlinge an. Nach der Evakuierung des Lagers im Mai 1945 kam Dolidier über Schweden nach Frankreich zurück. Er starb 1971 nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren.
Als Überlebender gehörte Dolidier dort 1945 zu den Mitbegründern der französischen „Amicale Française“. Zwei Jahrzehnte später wurde er auf der ersten in Osteuropa durchgeführten Konferenz in Warschau für fünf Jahre zum Präsidenten der „Amicale Internationale de Neuengamme“ (AIN) gewählt. Die AIN als Dachverband war im Mai 1958 von ehemaligen Häftlingen aus Belgien, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland ins Leben gerufen worden. Nach und nach schlossen sich Verbände aus weiteren Nationen an. Zu den wichtigsten Zielen der AIN gehörten die Errichtung und später der Ausbau der Gedenkstätte in Neuengamme. Die AIN führt bis heute regelmäßig Kongresse und Gedenkveranstaltungen durch.
Eine der Hauptaufgaben Dolidiers war die Leitung der Denkmalskommission. So engagierte er sich für einen öffentlichen Zugang zum ehemaligen Standort des Krematoriums in Neuengamme. Mit Verhandlungsgeschick setzte er sich auch für die Errichtung eines Mahnmals auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers ein. Am 7. November 1965 war es soweit: In Gegenwart von 1.800 ehemaligen Häftlingen und deren Angehörigen wurde dieses Mahnmal mit Stele, Gedenkmauer und Skulptur auf dem Gelände der früheren Lagergärtnerei eingeweiht. Seit 1981 befindet sich hier auch das Dokumentenhaus Neuengamme als Herzstück der Gedenkstätte mit einer ständigen Ausstellung zur Geschichte des Lagers.
Beruflich war Dolidier nach der Rückkehr in seine Heimat weiterhin bei der französischen „Securité Sociale“ tätig gewesen. In Pierrefitte-sur-Seine nördlich von Paris ist seit 1971 ein von Dolidier mit aufgebautes kommunales Gesundheitszentrum nach ihm benannt. Die Straße Jean-Dolidier-Weg in Neuengamme trägt ihm zu Ehren seit dem 24. November 1986 seinen Namen. Vorher hieß sie Neuengammer Heerweg und war die Zufahrtsstraße zum ehemaligen Konzentrationslager, so wie jetzt zur heutigen KZ-Gedenkstätte.
Text: Cornelia Göksu