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nach Personen benannt

Jesselallee

Rahlstedt (1960): Leon Jessel (22.1.1871 Stettin – 4.1.1942 Berlin), Operettenkomponist.


Der Komponist Leon Jessel komponierte vor allem Operetten.

Leon Jessel war der Sohn von Mary Jesssel, geborene Brock und des Textilkaufmanns Samuel Jessel, die jüdischen Glaubens waren.

Anton Würz schreibt in der Neuen Deutschen Biographie über Jessel u. a. : „J. war bis 1888 Schüler des Marienstift-Gymnasiums in Stettin. Seine schon in dieser Zeit begonnene und einige Jahre später abgeschlossene musikalische Ausbildung dankte er außer Carl Pohl und Hermann Rowe dem damaligen Städt. Musikdirektor in Stettin Karl Adolf Lorenz.“ 1)

Nicht unbeteiligt an Jessels musikalischer Ausbildung und Ausrichtung war aber auch seine Mutter Mary. Schon als kleiner Junge hörte er seiner Mutter gerne bei deren Klavierspiel zu. Sie war es auch, die ihn schon früh im Klavierspielen unterrichtete. Dennoch musste Leon Jessel, bevor er sich ganz der Musik und des Komponierens widmen konnte, eine dreijährige Lehre im Textilhandel absolvieren, denn sein Vater wollte ursprünglich, dass sein Sohn in seine beruflichen Fußstapfen trete.

Doch Jessel schlug diesen Weg nicht ein. 1891 wurde er Opern- und Operetten-Kapellmeister. „Diese Tätigkeit führte ihn in den folgenden 13 Jahren an die Theater in Bielefeld (für 3 Spielzeiten), Stettin, Freiberg, Chemnitz, Lübeck, Bremen und Kiel. Schon seit 1893 trat er mit eigenen Kompositionen hervor, befaßte sich dabei vornehmlich mit den dem Geschmack der Zeit entsprechenden Unterhaltungsmusikformen des sog. Salon- und Charakterstücks und erreichte damit in kurzer Zeit populäre Wirkung und finanzielle Unabhängigkeit. Sein Erfolg gründete sich auf die gefällige Einprägsamkeit von Titelstücken meist tänzerischer oder marschmäßiger Art (…).“ 2)

1896 heiratete Jessel die Verkäuferin Clara Luise Grunewald (30.12.1868 Ueckermark – 18.11.1951 Berlin). Außerdem konvertierte er zum christlichen Glauben.

Von 1899 bis 1905 wirkte Jessel als Kapellmeister am Wilhelm-Theater in Lübeck und war anschließend Direktor der Liedertafel des Gewerkvereins Lübeck. 1909 wurde die Tochter Eva Maria geboren.
Hans Dieter Roser schreibt über diese Zeit: „Lübeck war auch in einer anderen Hinsicht für das Leben Léon Jessels entscheidend: Hier freundete er sich mit dem holsteinischen Dichter Johann Meyer (1829-1904) an, der in ihm den christlichen Glauben und seine deutschnationale Gesinnung vertiefte und ihn auf eine heimatverbundene Volkstümlichkeit stimmte, die sich in den Kompositionen dieser Zeit manifestierte. Dass Meyer auch antisemitischem Gedankengut zugänglich war, konnte wohl auch Jessel nicht verborgen bleiben, schien ihn aber nicht zu stören. Durch diese Freundschaft kamen die Operettenambitionen ins Hintertreffen, da das bis dahin noch dominierende international gefärbte erotische Flair des Genres den Prinzipien Meyers entgegenstand. Erst 1904 schrieb Jessel wieder eine Operette: Die Nihilistin, seiner Frau Luise gewidmet, aber nie aufgeführt.“ 3)

1911 zog Jessel mit Frau und Kind nach Berlin, wo er mit seinen Operettenkompositionen endlich Erfolg hatte; 1917 gelang ihm sogar ein Welterfolg mit Schwarzwaldmädel, „einer Operette, die mit ihrem idyllischen Traum vom Glück den Bedürfnissen der deutschen Bevölkerung im dritten Jahr des Ersten Weltkriegs Vergessen und Zuversicht schenkte.

Der Krieg hatte noch eine andere Auswirkung: Während Jessels kriegsbedingtem Hilfsdienst in der Krankenversicherungsanstalt lernte er die um 19 Jahre jüngere Berlinerin Anna Gerholdt kennen und lieben, (…).“ 4)

1919 ließ sich Jessel von seiner Frau scheiden, die die gemeinsame Tochter zu sich nahm. Zwei Jahre später heiratete Jessel die Büroangestellte Anna Gerholdt (22.6.1890 Berlin – 11.11.1972 Berlin). Im selben Jahr hatte Jessel mit seiner Operette Die Postmeisterin wieder einen großen Erfolg.

Das wohl populärste Werk Jessels soll aber die Parade der Holzsoldaten gewesen sein, komponiert 1905, das 1933 als Titellied im Paramount-Zeichentrickfilm The Parade of the Wooden Soldiers diente.
Bereits in den 1920 er Jahren hatte Jessel als überzeugter Nationalist: „einen guten Kontakt zu den Führungspersönlichkeiten der NSDAP“5) aufgebaut. „So bot er Joseph Goebbels bei einem Besuch in dessen Berliner Wohnung an, eine nationalsozialistische Parteihymne zu komponieren, analog zum faschistischen Giovinezza-Lied der Italiener. Und 1932 widmete er Benito Mussolini dem ‚großen Führer Italiens‘, gar einen Marsch mit dem vielsagenden Titel Morgenröte. Im selben Jahr trat seine Frau der NSDAP bei. Nach Hitlers Machtergreifung ersuchte Jessel um Aufnahme in Rosenbergs Kampfbund für deutsche Kultur, doch wurde sein Antrag (…) abgewiesen. (…) Jessel ging sogar so weit, sich selbst als Opfer jüdischer Operettendirektoren darzustellen. Ende 1933 wurde seine Frau aus der NSDAP ausgeschlossen, weil sie sich weigerte, sich von ihrem jüdischen Mann scheiden zu lassen (…) 1937 erfolgte Jessels Ausschluss aus der Reichsmusikkammer.“ 6)

Am 15. Dezember 1941 wurde Léon Jessel wegen „Verbreitung von Greuelmärchen“ und „Hetze gegen das Reich“ von der Gestapo vorgeladen und verhaftet, nachdem man bei einer Hausdurchsuchung bei ihm zu Hause einen Brief aus dem Jahre 1939 vorgefunden hatte, den er an seinen Librettisten Wilhelm Sterk in Wien geschrieben hatte und in dem stand: „Ich kann nicht arbeiten in einer Zeit, wo Judenhetze mein Volk zu vernichten droht, wo ich nicht weiss, wann das grausige Schicksal auch an meine Tür klopfen wird.“ Jessel war zahlreichen Misshandlungen und Verhören durch die Gestapo ausgesetzt, was eine schwere Erkrankung nach sich zog. Am 4. Januar 1942 wurde Jessel in das Jüdische Krankenhaus gebracht, wo er noch am selben Tag verstarb.