Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Arno-Schmidt-Platz

Hammerbrook (2004): Arno Schmidt (18.1.1914-3.6.1979), Schriftsteller


Arno Schmidt entstammte so genannten „kleinen“ Verhältnissen: sein Vater Friedrich Otto Schmidt (30.1.1883 Halbau – 8.9.1928 Hamburg) arbeitete als Polizei-Oberwachtmeister. Doch er muss mehr verdient haben, als er jemals seine Ehefrau hatte wissen lassen. Denn nachdem er gestorben war – damals war sein Sohn Arno vierzehn Jahre alt – musste seine Witwe Clara Gertrud Schmidt, geb. Ehrentraut (30.7.1894 Lauban – 17.10.1973 Quedlingburg) feststellen, dass die Witwenpension höher ausfiel als das Geld, das ihr Mann zu seinen Lebzeiten als Gehalt mit nach Hause gebracht hatte. Clara Schmidt zog mit ihren beiden Kindern Arno und Luzie Hildegard (18.3.1911 Lauban – 24.7.1977 New York) aus der Wohnung Rumpfsweg in Hamburg-Hamm zu ihren Eltern zurück nach Lauban. Um ihre Witwenrente nicht zu verlieren, heiratete sie nicht erneut. Doch auf Liebesverhältnisse wollte sie nicht verzichten und nahm sich die damals „verwegene“ Freiheit, Liebhaber zu haben. Solches wurde einer Frau übel nachgesehen. Und auch der Sohn Arno billigte nicht das Verhalten seiner Mutter und hatte Schwierigkeiten damit, dass sie sich die Freiheit nahm, neue erotische Beziehungen zu pflegen. Außerdem hatte sie keine große Freude am Hausfrauendasein.

Arno Schmidt gab seiner Mutter die Schuld an seinen persönlichen Problemen und so schrieb er: „Ich erkläre hiermit ausdrücklich, daß [meine Mutter] mit ihren Intrigen und erotischen Affären meine ganze Jugend während der Laubaner Jahre (1928-1937) vergiftet hat, […] und die ganze unsägliche Einsamkeit und Bitternis jener Jahre (und der späteren!) sind hierauf zurückzuführen. Meine Eltern waren mein Fluch! Aber meine Mutter am meisten!!“ 1) Marcus Simon interpretiert dieses Verhalten Arno Schmidts wie folgt: „Ihr zum Mann reifender Sohn mag Probleme damit gehabt haben, dass sie [die Mutter] sich nicht mit der lebenslänglichen Witwenrolle zufrieden gibt, sondern – da sich erstmalig für sie die Möglichkeit dazu eröffnet – selbstbestimmt ihr Leben in die eigenen Hände nimmt. Er kann es nicht verkraften, seiner Mutter eine eigenbestimmte Sexualität zugestehen zu müssen.

Er beginnt in seiner Mutter auch die Frau zu sehen, die nach zahlreichen, durch den Mann dominierten Ehejahren endlich versucht, eigenständig ihr Dasein zu gestalten. Ihre wiedergefundene Freiheit empfindet er als persönliche Zurückweisung. Seine kindlich-narzistische Eitelkeit wird gekränkt, als die Mutter beginnt, ihn nicht mehr als Teilhaber ihrer Wunschprojektionen zu benötigen. Sie ist nicht mehr das schwache Geschöpf, als das er sie in der Verbindung mit seinem Vater kennen und lieben gelernt hat. Sie wächst über ihre Rolle als ständig verfügbare Frau hinaus.“ 2)

1937 wurde Arno Schmidt Lagerbuchhalter in den Greiff-Werken. Dort lernte er die zwei Jahre jüngere Alice Murawski (24.6.1916 Greiffenberg - 1.8.1983 Bargfeld], die in den Greiff-Werken als kaufmännische Angestellte arbeitete, kennen. Das Paar heiratete im August 1937, und Arno Schmidt übernahm die Ehemannrolle so, wie es auch sein Vater getan hatte: Er verbot seiner Frau weiter erwerbstätig zu sein, denn er wollte, dass sie ihm den Haushalt führe und darüber hinaus seine Sekretärin wurde. „Schmidt wählte seine Frau nicht zufällig aus. Sie passt perfekt in seine Strategie zum Aufbau eines schriftstellerischen Produktionsprozesses. Sie steckt voller Bewunderung für sein Wissen und ist selbst intelligent genug, seine herausragende Intelligenz goutiren zu können. (…). Alice ist ihm Sekretärin und Hausfrau in einem. Sie erfüllt damit zwei Positionen im Schmidtkosmos: Zum einen eignet sie sich zumindest teilweise als Schablone für manche fiktiven Frauenfiguren, zum anderen ist sie ihm ideales Bindeglied, um Leben und Arbeit zu verknüpfen. Auffallend oft sind Schmidts Frauenfiguren Sekretärinnen. (…) Die literarisch ambitionierten Erzähler bemühen sich in nahezu allen seinen Texten, die jeweilige Geliebte als Mitarbeiterin nutzbar machen zu können. (…) Für Schmidt steht das Werk unumstößlich im Vordergrund. Er ordnet seine Ansprüche bedingungslos dem Schreibprozess unter und verlangt ganz selbstverständlich von seiner Frau die gleiche asketische Entsagungshaltung. Selbst Ausflüge unternehmen die Schmidts nur, sofern es dem Werk dienlich ist.“ 3) Und in Wikipedia heißt es in einem eigenen Eintrag über Alice Murawski: „Arno Schmidt verlangte von seiner Frau, dass sie nach der Heirat ihre Berufstätigkeit aufgab, obwohl sie diese gerne fortgesetzt hätte: ‚Seit ihrer Hochzeit im August 1937 hatte Alice Schmidt [...] ihr eigenes Leben so weitgehend in den Dienst ihres Mannes gestellt, dass sie fast vollständig in seinem Schatten aufging. Mit ihren Tagebüchern [sie verfasste mehrere Tagebücher, die später veröffentlicht wurden] tritt sie posthum daraus hervor, doch belegen ihre Notizen auch, dass es, wie Jan Philipp Reemtsma einmal feststellte, ‚einfachere Lebenswege in der Welt gibt, als den, die Frau Arno Schmidts zu sein‘. Susanne Fischer, die Herausgeberin von Alice Schmidts Tagebüchern, fasst Alice Schmidts besondere Bedeutung für Arno Schmidts Leben, Werk und Wirkung so zusammen: ‚Alice Schmidt hielt den Kontakt zur Außenwelt und zum literarischen Leben, als Arno Schmidt das nicht mehr tun mochte. Darüber hinaus arbeitete sie für ihren Mann als Erstleserin, Übersetzungshelferin, Chronistin, Assistentin in Verlagsgeschäften, Sekretärin und letztlich auch als Hausfrau. Wer beklagt, wie es denn sein könne, dass das männliche Genie von einer so bodenständigen, nur wenig gebildeten Ehefrau durch das Leben begleitet wurde, hat nicht verstanden, dass hier ein Team am Werk war: Sicher nicht während des kreativen Prozesses, aber in allem anderen, was zu Beruf und Leben gehörte.‘“ 4)

Zuletzt lebte das Paar seit 1958 in Bargfeld in Niedersachsen. Nach Schmidts Tod gründete Alice Schmidt gemeinsam mit Jan Philipp Reemtsma die Arno Schmidt Stiftung.