Julius-Kobler-Weg
St. Georg (1988): Julius Kobler (21.4.1866 Damborrice/Mähren-22.6.1942 im Israelitischen Krankenhaus Hamburg). Schauspieler am Thalia-Theater und Schauspielhaus, Opfer des Nationalsozialismus.
Stolperstein vor dem Deutschen Schauspielhaus, Kirchenallee. Stolperstein vor dem Wohnhaus Oberstraße 5.
Julius Kobler wurde als Sohn des jüdischen Ehepaars Juda und Hanny Kobler, geb. Stiassny, im südmährischen Damboritz (Damborice) geboren. Im heutigen Tschechien, beim Deutschen Theater in Pilsen, begann er 1889 auch seine Karriere als Schauspieler. 1890 war er Mitglied des herzoglich-sächsischen Hoftheaters in Meiningen in Thüringen. Von 1891 bis 1904 hatte er Engagements in Wien, Berlin und New York. 1904 zog er nach Hamburg und wurde Mitglied des Ensembles am Thalia-Theater, von dem er 1917 an das Deutsche Schauspielhaus in der Hansestadt wechselte. 1916 hatte er die 1893 in Altona geborene, nichtjüdische Sängerin Käthe (Käthchen), geb. Wettwer, geheiratet, mit der er die Kinder Norbert (geb. 1916) und Eva (geb. 1918) hatte und die nach der Heirat in die Jüdische Gemeinde eintrat, deren Mitglied sie bis zu ihrem Austritt im Januar 1940 blieb. Beide Kinder strebten dem Vorbild ihres Vaters nach und wollten Schauspieler werden, was ihnen in Deutschland jedoch wegen ihrer Herkunft vom NS-Regime verwehrt wurde.
Julius Kobler war in Hamburg ein außerordentlich bekannter und beliebter Schauspieler, der Hauptrollen in den damals berühmtesten Stücken der Weltliteratur spielte. Am 1. September 1934 zwang man ihn, aus dem Ensemble des Deutschen Schauspielhauses auszuscheiden. Bis 1936 unternahm er noch Tourneen, bei denen er auf deutschsprachigen Bühnen in Nachbarländern wie Österreich und der Tschechoslowakei spielte. In Deutschland spielte er nur noch auf Bühnen des Jüdischen Kulturbundes in Hamburg und anderen Städten, wobei er zeitweilig auch Regie führte. In den 1930er-Jahren wurde eine Magenkrebserkrankung bei ihm festgestellt, die er 1936 zunächst erfolgreich in Wien operieren ließ. Er arbeitete danach noch einige Jahre für den Jüdischen Kulturbund, seine Krankheit verschlimmerte sich seit Anfang der 1940er-Jahre jedoch erneut.
Im Juni 1942 wurde er mit starken Beschwerden zunächst ins Universitätskrankenhaus Eppendorf eingeliefert, wo man ihm jedoch schon nach wenigen Tagen mit der Begründung entließ, dass Juden dort nicht mehr operiert werden dürften, da ein Erlass von 1936 vorschrieb, dass jüdische Patienten nur noch in „extremen Notfällen" zu behandeln seien. [Von 1934 bis 1945 war Georg Ernst Konjetzny Leiter der chirurgischen Klinik des Universitätskrankenhauses Krankenhauses Eppendorf. Nach ihm war in Hamburg eine Straße benannt. Die Umbenennung dieser Straße wegen Konjetznys NS-Belastung erfolgte 2016). Julius Kobler wurde daraufhin vom Israelitischen Krankenhaus aufgenommen, wo aber auch eine ein oder zwei Wochen später durchgeführte Operation ihm nicht mehr das Leben retten konnte; er verstarb dort am 22. Juni 1942. Wenn auch drei ärztliche Gutachten in den 1950er-Jahren einen im medizinischen Sinne unmittelbaren kausalen Zusammenhang zwischen der Verweigerung der Operation im Universitätskrankenhaus und dem Tod Julius Koblers verneinten, war er unzweifelhaft Opfer rassistischer Diskriminierung und Verfolgung durch das NS-Regime.
Die Kinder von Julius Kobler – Norbert und Eva – blieben als „Geltungsjuden" ebenfalls nicht von Verfolgung verschont. Norbert Kobler wurde schon 1933 aus der Oberrealschule Eppendorf hinausgedrängt ohne die Möglichkeit, seine Schulzeit mit dem Abitur abzuschließen, das er unbedingt erlangen wollte, um ein universitäres Schauspielstudium aufzunehmen. Er stand bereits vor 1933 mit seinem Vater auf der Bühne und lernte privat viel von der Schauspielkunst von ihm. Seit 1934 spielte er mit seinem Vater und auch allein auf Bühnen in der CSSR, Österreich und den Niederlanden.
Als er Ende 1937 seine Eltern nach einem Engagement in der Tschechoslowakei in Hamburg besuchte, wurde er von der Gestapo verhaftet und als „feindlicher Ausländer" (er hatte nur die tschechische Staatsangehörigkeit nach seinem Vater und sich länger als drei Monate nicht mehr im Deutschen Reich aufgehalten) aufgefordert, sofort das Land zu verlassen. Er ging daraufhin nach Frankreich und verließ Europa dann endgültig im April 1938 mit dem Schiff von Southampton in Richtung USA, wo er sich niederließ.
Seine Schwester Eva hatte beruflich ähnliche Pläne wie er, die sie jedoch ebenfalls wegen rassistischer Diskriminierung aufgeben musste. Sie galt nach den Bestimmungen als „Geltungsjüdin", da sie jüdisch erzogen worden war. Auch ihr Austritt aus der Gemeinde im November 1938 konnte sie nicht vor dieser Stigmatisierung bewahren, musste sie doch ebenfalls den „Judenstern" tragen und andere für „Volljuden" bestimmte Beschränkungen und Schikanen ertragen. Sie arbeitete bis zum Herbst 1942 als kaufmännische Angestellte bei der Firma J. Joseph Flach, bis diese vom Regime gezwungen wurde, sie zu entlassen. Danach musste sie häufig sehr beschwerliche Zwangsarbeit in Hamburger Fabriken leisten.
Im Januar 1944 erhielt sie einen Deportationsbefehl nach Theresienstadt. Sofort nach Erhalt des Befehls floh sie nach München zu einem Ehepaar, das ihr und ihrer Mutter im Falle von Verfolgung angeboten hatte, sie in seiner Wohnung zu verstecken. Kurz nach ihrem Eintreffen wurde sie jedoch von eben diesem Paar bei der Gestapo denunziert, die Eva verhaftete und erst Ende September 1944 mit der Auflage aus der Haft entließ, sich unverzüglich zu ihrer Mutter nach Hamburg zurückzubegeben. Möglicherweise war diese überraschende Freilassung auf erfolgreiche Bemühungen der Mutter oder einflussreicher Bekannter gegenüber den NS-Behörden zurückzuführen. Jedenfalls konnte Eva bis Kriegsende zurückgezogen bei ihrer Mutter leben, ohne nochmals von Verfolgungsmaßnahmen betroffen zu sein. (…).
Text: Benedikt Behrens (✝), Text entnommen www.stolpersteine-hamburg.de