Korachstraße
Bergedorf/Lohbrügge (1965): Prof. Dr. Siegfried Samuel Korach (30.6.1855 Posen – 1.7.1943 KZ Theresienstadt), Chefarzt der medizinischen Abteilung des Israelitischen Krankenhauses in Hamburg, Opfer des Nationalsozialismus.
Stolperstein: Hartungstraße 1.
Siegfried S. Korach war einer der bekanntesten Hamburger Mediziner. Er legte sein Examen in Breslau ab, absolvierte die Ausbildung zum Internisten in Köln und begann drei Jahre später seine ärztliche Tätigkeit am Israelitischen Krankenhaus in Hamburg. 1880 noch zweiter Assistenzarzt, übernahm er kurz vor der Jahrhundertwende die Leitung der Inneren Abteilung, avancierte dann zum Leitenden Oberarzt der Chirurgischen Abteilung und verließ schließlich 1930 das Krankenhaus nach 44-jähriger Chefarzttätigkeit.
Korach zeigte sich neuen Methoden gegenüber offen, beispielsweise bei der Tuberkulosebehandlung, und erhielt 1917 den Professorentitel aufgrund seiner wissenschaftlichen Verdienste. Der Spezialist für Nerven- und Herzkrankheiten bemühte sich auch sehr um die Schwesternausbildung und kümmerte sich über seine Pensionierung hinaus um die Kinder im Jüdischen Waisenheim und die Bewohner des Alten- und Siechenheims.
Wie anderen Ärzten wurde auch ihm 1938 die Approbation entzogen. Mit seiner Ehefrau Mathilde – die einzige Tochter des Paares, Mathilde, war verstorben – lebte der wohlsituierte Pensionär in der Hartungstraße 1. Die Akten des Oberfinanzpräsidenten zeigen, dass er bedrängten Freunden offensichtlich großzügig mit Krediten aushalf, solange er über sein Vermögen frei verfügen konnte.
1939 stellte der NS-Staat das Vermögen des nunmehr 84-Jährigen mit der Standardbegründung unter Sicherungsanordnung. „Sie sind Jude. Es ist damit zu rechnen, dass Sie in nächster Zeit auswandern werden. Nach den in letzter Zeit mit auswandernden Juden gemachten Erfahrungen ist es daher notwendig, Verfügungen über Ihr Vermögen nur mit Genehmigung zuzulassen." Doch der 84-Jährige wollte nicht auswandern. 1941 betrug sein Vermögen RM 217.000, und allen Steuern und Sonderabgaben zum Trotz, die der NS-Staat Juden abzwang, belief es sich 1943 immer noch auf RM 127.000. Siegfried Korach und seine Ehefrau durften allerdings monatlich nur über RM 900 verfügen, wovon sie auch die Hausangestellte unterhalten und entlohnen mussten, auf deren Dienste sie angewiesen waren. Die nicht jüdische Angestellte stand seit Jahrzehnten bei ihnen in Diensten, vor allem kümmerte sie sich um den inzwischen erblindeten Siegfried Korach. Dieser setzte ihr dafür eine Leibrente aus, was der Oberfinanzpräsident genehmigte. Wie in diesem Fall, musste der wohlhabende Pensionär für jede Massage, Gartenhilfe, ja, sogar für die An- und Restzahlung eines Grabdenkmals eine Genehmigung einholen.
Im Januar 1943 wurde der zugestandene Betrag zum Lebensunterhalt für den dreiköpfigen Haushalt auf RM 650 vermindert. Als sich abzeichnete, dass Korachs trotz ihres hohen Alters deportiert würden und sie ihr Vermögen nicht, wie vorgesehen, ihrer Hausdame vermachen konnten, wollten sie ihr noch einmal ein größeres Geldgeschenk machen, was der Oberfinanzpräsident verbot. Es hätte die Summe vermindert, die die Theresienstadt-Deportierten in einem „Heimeinkaufsvertrag" abtreten mussten, als kauften sie sich in ein Altersheim ein.
Mathilde Korach verstarb am 19. Juni 1943, vier Tage vor der Deportation. Siegfried Korach blieb der Transport nicht erspart: Am 25. Juni erreichte sein Zug Theresienstadt. Fünf Tage später stellte der Ghetto-Arzt seinen Totenschein aus. Die Todesfallanzeige aus dem Ghetto zeigt, dass er in ein Siechenheim (L 206) eingewiesen wurde und dort in der „Marodenstube" (sic) starb. Als Todesursache des 88-Jährigen nannte der Ghetto-Arzt „Altersschwäche".
Text: Beate Meyer, Text entnommen www.stolpersteine-hamburg.de