Leanderweg
Iserbrook (1984): Richard Volkmann, ab 1885 von Volkmann; Pseudonym: Richard Leander und Richard von Volksmann-Leander (17.8.1830 Leipzig – 28.11.1889 Jena), Chirurg, Hochschullehrer, Märchenerzähler, Lyriker, Jugendschriftsteller.
„Er gilt als Begründer der modernen wissenschaftlichen Orthopädie und war 1872 Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (…).“ 1)
Richard Volkmann war der Sohn von Adele Volkmann, geborene Härtel und des Physiologen und Anatomen Alfred Wilhelm Volkmann.
Weil der Vater es wollte, studierte Richard Volkmann ab 1850 Medizin. Nach der Promotion wurde er Assistenzarzt bei Ernst Blasius an der alten Chirurgischen Universitätsklinik in Halle. Die Habilitation erfolgte 1857.
Ein Jahr später heiratete Volkmann 1858 Anna von Schlechtendal (23.8.1833 - 17.7.1914). Damals hatte Volkmann Blasius‘ Vertretung übernommen, da dieser längerfristig erkrankt war. Doch als Blasius zurückkehrte, gab es Spannungen zwischen den beiden Männern, so dass Volkmann schließlich die Klinik verließ und sich in Halle als praktischer Chirurg niederließ.
„1863 kehrte Volkmann als außerordentlicher Professor an die Universität zurück. Am Krieg gegen Österreich 1866 nahm er als Chefarzt des Lazaretts Trautenau in Böhmen teil. 1867 wurden Volkmann das Ordinariat für Chirurgie und die Leitung der Chirurgischen Universitätsklinik übertragen. Während des Krieges gegen Frankreich 1870/71 war er als konsultierender Generalarzt beim IV. Armee-Korps, später an der Maas und bei der Südarmee eingesetzt.“2)
In diesen Jahren war Volkmann bereits Vater mehrerer Kinder. Das Paar bekam insgesamt sieben Kinder. An diese und an seine Frau schrieb er während seines Einsatzes im deutsch-französischen Krieg 22 Märchen. „Nachdem er tagsüber Kriegsverletzte behandelte, traf er an den Abenden deutsche Besatzungssoldaten, die in den verlassenen Schlössern an der Loire saßen und Volkmanns Geschichten zuhörten.“3)
Nachdem Volkmann aus dem Krieg zurückgekehrt war, gab er 1871 die Märchen unter seinem Pseudonym Richard Leander und unter dem Titel „Träumereien an französischen Kaminen“ heraus. Er widmete das Buch seiner Frau Anne.
„Aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen (sein Großvater mütterlicherseits war der Verleger Gottfried Christoph Härtel) erschien es im eigentlich auf Musikalien spezialisierten Verlag Breitkopf & Härtel, Leipzig.“4)
Das Buch wurde ein sehr großer Erfolg und erfuhr mehr als 300 Auflagen.
Volkmann hatte schon vorher Gedichte verfasst. Während seiner Studienzeit schrieb er „Lieder aus der Burschenschaft“. Bekannt wurden auch seine „‘Troubadourlieder““ die er einige Monate vor seinem Tode verfasste. Seine Studien entnahm er provenzalischen Dichtungen des frühen Mittelalters.“5)
Sein benutztes Pseudonym „Leander“ „stammt aus dem Griechischen und entspricht der Übersetzung seines Namens. Somit ahnte niemand, daß sich hinter diesem Namen der berühmte Chirurg verbarg“, 6) schreibt Ute Söll.
Wegen seiner hervorragenden chirurgischen Tätigkeit und seiner bahnbrechenden medizinischen Forschungen gehörte Volkmann zu den bedeutendsten Chirurgen Deutschlands des 19. Jahrhunderts. 1873 „berichtete er erstmals über den durch Teer hervorgerufenen Krebs. V. behandelte und operierte erfolgreich Hundebandwurmzysten und Hydrozelen, erforschte die Hodentorsion und entwickelte erfolgreich neue Methoden zur operativen Entfernung von Mastdarmkrebs-Tumoren. Er erkannte als erster ‚Die ischämischen Muskellähmungen und Kontrakturen‘ (in: Zbl. f. Chirurgie 8, 1881, S. 801–03) nach dem Abnehmen von zu fest sitzenden Gipsverbänden, die seither V.-Kontrakturen heißen. Er schuf neue Methoden zur Resektion von Gelenken, zur operativen Behandlung komplizierter Frakturen sowie zur Orthopädie und Chirurgie der Extremitäten und der Wirbelsäule. Desweiteren etablierte er in Deutschland die antiseptische Wundbehandlung durch Karbol (Phenol) gemäß dem Listerschen Verfahren, was die Überlebensrate bei Operationen sprunghaft ansteigen ließ sowie risikoreiche und komplizierte operative Eingriffe, wie z. B. bei der Bauchchirurgie, erst ermöglichte.“7) Erst später erkannte man die Gefährlichkeit von Karbolsäure.
Volkmann erfand u. a. auch die V.- Schiene, „eine dachrinnenförmige Lagerungsschiene für das Bein,“ 8) schreibt Werner Gerabek in der Neuen Deutschen Biographie.
1882 wurde ihm die Ehrenbürgerwürde der Stadt Halle verliehen.
Volkmann soll sich laut Wikipedia im Krieg mit Syphilis angesteckt haben, „die zur Tabes dorsalis führte“ 9). Er starb an einer Lungenentzündung.