Leibnizstraße
Eilbek (1907): Gottfried Wilhelm Freiherr von Leibniz (21.6./1.7.1646 Leipzig – 14.11.1716 Hannover), Philosoph, Physiker, Mathematiker.
Leibniz „gilt als der universale Geist seiner Zeit und war einer der bedeutendsten Philosophen des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts sowie einer der wichtigsten Vordenker der Aufklärung. Als Philosoph, Mathematiker, Diplomat, Historiker und politischer Berater der frühen Aufklärung war er seiner Zeit weit voraus,“ 1) heißt es auf der Website der Leibniz Universität in Hannover.
Er war der Sohn von Catharina Leibnütz, geb. Schmuck, Tochter von Gertraude Schmuck, geb. Lindner und des Professors der Rechte Wilhelm Schmuck, und des Juristen und Professors für Moralphilosophie Friedrich Leibnütz.
Leibniz’ war sechs Jahre alt, als sein Vater starb und 18 Jahre alt, als seine Mutter starb. „Im Nachlass des Vaters (…) gab es eine umfangreiche und vielfältige Bibliothek, zu der der frühe Tod des Vaters dem jungen Leibniz weitgehend unbeaufsichtigten Zugang gab (…). Als Achtjähriger lernte er in dieser Bibliothek autodidaktisch die lateinische und die griechische Sprache; als Zwölfjähriger entwickelte er beim Durchdenken logischer Fragestellungen die Anfänge einer mathematischen Zeichensprache.“ 2)
Von 1661 bis 1663 studierte Leibniz in Leipzig Philosophie, 1663 Mathematik und Philosophie in Jena und von 1663 bis 1666 in Leipzig Jura. 1666 promovierte er in Altdorf bei Nürnberg zum Doktor beider Rechte (Zivilrecht und Kirchenrecht). Über Leibniz weiteren Werdegang siehe unter: Schepers, Heinrich, "Leibniz, Gottfried Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 121-131 [Online-Version]; URL: www.deutsche-biographie.de/pnd118571249.html
Was Leibniz u. a. wollte, fasst die Leibniz Universität Hannover zusammen: „Wissensaustausch und Erkenntnisinteresse: Das waren die Antriebskräfte von Leibniz bei all seinen Arbeiten. Ihm ging es stets darum, den Gesamtzusammenhang zu begreifen, nach Einfluss zu streben, um die Welt zu verbessern und Frieden zu stiften. Bestimmend waren für ihn Rationalität, Universalität und Internationalität.
Leibniz war der Überzeugung, dass die Natur mit allen Geschöpfen immer mehr erkannt und erklärt werden kann und soll. Dies hat unter dem logischen Grundsatz ‚Nihil fit sine causa sufficiente‘ (Nichts geschieht ohne zureichenden Grund) zu erfolgen. Alles Seiende ist göttlich begründet, auch in seinen Verknüpfungen, und damit logisch erfassbar. Wissenschaft und Technik sind nur durch die notwendige Reihe der Ursachen und Wirkungen möglich.
Leibniz ging es in seinem holistischen Anspruch darum, den Gesamtzusammenhang der Welt zu begreifen. In seinen zahlreichen Entwürfen zu einer scientia generalis versucht er, die Wissenschaften, die sich zu seiner Zeit schon zu spezialisieren begannen, zu gegenseitigem Nutzen zu vereinigen. In Leibniz Verständnis soll Wissenschaft das scheinbar Gegensätzliche verbinden und in seinem Streben nach Harmonie die Einheit in der Vielheit bewirken. Bloßes Sammeln des Vielen genügt hierzu nicht, allerdings auch nicht die Reduktion des Mannigfaltigen auf unterschiedslose Einheit. Gelehrte aller Fachrichtungen sollten an Akademien forschen, dabei nach universaler Erkenntnis streben und diese zur Ausbreitung und Anwendung bringen. (…)
Merkmale von Leibniz‘ Arbeit [waren]:
• Inhärenter Rationalismus des Leibnizprogramms: Einheit der Wissenschaft, Einheit der realen und geistigen Welt, Einheit von Theorie und Praxis.
• Das Maß der Welt ist auch ein ethisches Maß.
• Erkenntnisinteresse bestimmt jede seiner wissenschaftlichen Betätigungen, in der Theologie ebenso wie in Physik, Geschichte oder Mathematik.
• Streben nach Einfluss, um die Welt zu verbessern und Frieden zu stiften: Vielfältige (meist erfolglose) politisch-religiöse Projekte unter dem Schirm der Mächtigen (‚... für das öffentliche Wohl zu arbeiten, ohne mich zu sorgen, ob es mir jemand dankt. Ich glaube, dass man damit Gott nachahmt, der sich um das Wohl des Universums sorgt, egal ob die Menschen es anerkennen oder nicht‘).
• Sein selbst gewähltes Pseudonym ‚Pacidius‘ (Friedensstifter) belegt seine immerwährenden Versuche nach Ausgleich und Verständigung in politischen und religiösen Konflikten.“ 3)
Im ökumenischen Heiligenlexkon heißt es über Leibniz u. a.: „Mit fast allen Gelehrten Europas stand er in regem Briefkontakt. 1676 wurde er Bibliothekar des Herzogs von Hannover, später Hofgeschichtsschreiber. Er regte die Gründung von Akademien der Wissenschaften an, 1700 wurde eine solche in Berlin, 1711 in Petersburg gegründet. Leibniz wurde eines der ersten ausländischen Mitglieder der französischen Akademie der Wissenschaften und 1709 zum Freiherrn ernannt.
1673 stellte Leibniz eine von ihm entworfene mechanische Rechenmaschine vor, die die Multiplikation durch fortgesetzte Addition und die Division durch fortgesetzte Subtraktion ermöglichte; eine verschiebbare Walze sorgte dabei für die stellengenaue Addition bzw. Subtraktion der einzelnen Teilprodukte.
Als Philosoph begründete Leibniz ein rationalistisch-idealistisches Weltbild, das die mechanistische Erklärung der Natur durch Descartes mit dem christlichen Glauben zu versöhnen suchte. Statt der toten Atome sieht er als Basis allen Seins Monaden, deren Lebensgrund die unendliche Zentralmonade der Welt, Gott, bildet. Gott sorgt demnach für eine von vornherein angelegte Harmonie zur Steuerung der Vorgänge in Natur und Geschichte. Aus der Erkenntnis, dass die Welt um uns die vollkommenste aller denkbaren ist, folgt die Rechtfertigung Gottes - Leibniz prägte für diese Frage, warum Gott nicht alle Übel in der Welt beseitige, den Begriff Theodizee. Gott herrscht als Gütiger und Mächtiger trotz des Schlimmen in der Welt. Leibniz' Welt- und Gottesbild war geprägt von einer lebens- und weltbejahenden Zuversicht.“ 4)
„Von 1676 an stand Leibniz bis zu seinem Tod im Jahre 1716 im Dienste der Herzöge und Kurfürsten in Hannover. Herzog Johann Friedrich (reg. 1665-1679) ließ Leibniz viel Spielraum für seine wissenschaftlichen Arbeiten und Projekte. Sein Bruder, Herzog Ernst August (reg. 1679-98, ab 1692 Kurfürst), setzte ihn ab 1680 allerdings bereits stärker für technische Verbesserungen im Harzer Bergbau ein. Er beauftragte Leibniz 1685 auch mit der Abfassung der Geschichte des Welfenhauses. Ernst Augusts Sohn, Kurfürst Georg Ludwig (reg. 1698-1727), forderte den Universalgelehrten immer wieder zur Fertigstellung der Welfengeschichte auf und verhängte sogar Reiseverbote, aufgrund derer Leibniz heimlich reisen musste.
Im Auftrag der Herzöge von Hannover befasste Leibniz sich mit staatsrechtlichen Fragen, um unter anderem Hannovers Einfluss im Reich zu stärken. Darüber hinaus entwickelte er Vorschläge zur Verbesserung der Staatsverwaltung, des Ackerbaus, des Manufakturwesens sowie Pläne zur Prüfung und Anwendung technischer Neuerungen und er verfasste zahlreiche Denkschriften.“ 5)
Leibniz und die Frauen
Leibniz blieb zeit seines Lebens ledig. „Es gab keine Ehefrau, es gibt keine Nachweise über Affären oder Geliebte; (…). Ein Denker im Elfenbeinturm war er deshalb auch nicht. Ein Nachtarbeiter war er, der wohl mit nur vier Stunden Schlaf auskam. Aber kein einsamer Eigenbrötler, (…). Leibniz konnte seine Zuhörer begeistern, besaß Humor und Esprit, konnte sich in Sprache und Wortwahl seinem Gegenüber anpassen. Sein langjähriger Sekretär Eckhart schreibt: ‚Er war bey dem Frauenzimmer sehr beliebt.‘“ 6)
Leibniz pflegte intensive Freundschaften mit Frauen, mit denen er u. a. brieflich korrespondierte und sich gedanklich austauschte. So z. B. mit der Herzogin Sophie von der Pfalz (14.10.1630 Den Haag – 8.6.1717 Herrenhausen), später Kurfürstin Sophie von Hannover, die mit Ernst August verheiratet worden war, mit dem sie sieben Kinder bekam und über dessen viele „Mätressen, Affären und freudenreichen Reisen (…) nach Italien [sie gelassen] hinwegsah“.7)
Leibnitz wurde für Sophie von Hannover ein wichtiger Gesprächspartner. „Mit ihm strebte sie eine Vereinigung der christlichen Religionen an. In einem Brief an die Tochter ihres Bruders Karl Ludwig aus zweiter, morganatischer [d.h. nicht standesgemäßer] Ehe, Raugräfin Luise (1661-1733) schreibt sie: ‚Ich hoffe die Christen werden bald eins sein (...). In jener Welt wird man uns nicht fragen, von welcher Religion wir gewesen sein, sondern was wir Gutes und Böses getan haben; daran ist wohl am meisten gelegen, das andere ist ein Pfaffengezänk, das bei den Fürsten stehet zu akkordieren.‘“. 8)
Auch mit Sophie von Hannovers Tochter, der brandenburgischen Kurfürstin Sophie Charlotte (30.10.1668 Iburg – 1.2.1705 Hannover) stand Leibnitz in freundschaftlicher Beziehung. „Sie interessierte sich sehr für Leibniz’ Philosophie und bezeichnete sich als seine Schülerin. Weiterhin unterstützte sie Leibniz’ Bemühungen um die Gründung der Berlin-Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften (1700).“ 9)
Sophie Charlotte lebte auf Gut Lietzow, wo Leibniz, den Sophie Charlotte seit ihrer Kindheit kannte, häufig zu Gast war. „Leibniz soll über ihre Neugier gesagt haben, dass sie noch das Warum des Warums wissen wolle. Sie besprechen die Lektüre miteinander, Sophie-Charlotte nimmt lebhaft Anteil an allen Diskussionen. 1703 schreibt sie an Leibniz über das, was sie von John Locke gelesen hatte: „Ich lese gerade das Buch von Mr. Locke, von dem Sie in Ihrem Brief sprachen, und ich bin inzwischen bei den angeborenen Ideen angelangt, die mir so gut widerlegt scheinen, dass ich auf Ihre Erwiderung umso neugieriger bin.‘
Manchmal war aber die 1701 zur Königin von Preußen gekrönte Sophie Charlotte verärgert über Leibniz. An eine Vertraute schreibt sie in dieser Zeit: ‚Ich mag diesen Mann, obgleich ich mich eigentlich über die Art, mit der er alles so oberflächlich mit mir erörtert, ärgern müsste. Ich zweifle an meinem Talent, denn selten geht er genau auf die Themen ein, die ich anschlage.‘
Sicher ist, dass Leibniz eines seiner berühmtesten Werke, die 1710 veröffentlichte „Theodicée“, nicht verfasst hätte ohne die Regentinnen in Hannover und Berlin.“ 10)
Leibniz, der Sophie Charlotte um elf Jahre überlebte, schrieb nach ihrem Tod über sie: ‚sie wollte mich oft in ihrer Nähe haben; so genoß ich häufig das Gespräch einer Fürstin, deren Geist und Menschlichkeit von keiner jemals übertroffen wurde […] Die Königin besaß eine unglaubliche Kenntnis auch auf abgelegenen Gebieten und einen außerordentlichen Wissensdrang, und in unseren Gesprächen trachtete sie danach, diesen immer mehr zu befriedigen, woraus eines Tages ein nicht geringer Nutzen für die Allgemeinheit erwachsen wäre, wenn sie der Tod nicht dahingerafft hätte.‘““11)
Es gab noch weitere Frauen, die für Leibniz wichtig waren: „eine Frau, die 1679 gestorbene englische Naturphilosophin Anne Conway, bezeichnete er gar als seine Vordenkerin: ‚Meine philosophischen Ansichten nähern sich ein bisschen mehr jenen der verstorbenen Comtesse Conway und nehmen eine Zwischenstellung ein zwischen Plato und Demokrit.‘ Wie Leibniz hatte schon Conway vorgeschlagen, dass letztlich alles aus einer einzigen Substanz bestehe.“12)