Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Agnes-Gierck-Weg

Langenhorn-Nord (1997). Vorher Peter-Mühlens-Weg, umbenannt wegen Peter Mühlens' NS-Belastung. Agnes Gierck, geb. Höhne (28.2.1886 Weimar -12.11.1944 Hamburg). Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus, Langenhorner Hausfrau


Zwei Männer hängen ein Straßenschild auf
Einweihung Agnes-Gierck-Platz, Foto: René Senenko

In der NS-Zeit wurde diese Verkehrsfläche 1936 Tannenkoppel benannt. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde sie 1945 umbenannt in Peter-Mühlens-Weg. 1997 erfolgte wegen Peter Mühlens' NS-Belastung wieder eine Umbenennung, diesmal wurde der Weg nach der Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus Agnes Gierck benannt.

(Profil von Peter Mühlens am Ende des Textes)

Agnes Höhne besuchte in Hamburg die Volksschule bis zur Selekta und arbeitete anschließend als Hausangestellte und Plätterin.1909 heiratete sie den Arbeiter Karl Gierck, bekam drei Kinder (geboren 1909, 1912, 1914).1929 trat das Ehepaar in die KPD ein. „Agnes Gierck arbeitete in einer aus fünf Personen bestehenden Gruppe der KPD mit, die sich auf die Arbeit im Untergrund vorbereitete und Zeitungen und Flugblätter verteilte, die zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten aufriefen und vor dem drohenden Krieg warnten.“ 1) In der Zeit des Nationalsozialismus sammelte Agnes Gierck in ihrer Funktion als Kassiererin Spenden für die Rote Hilfe, „einer der KPD nahestehenden politischen Hilfsorganisation“. 2) Damit wurden u. a. Familien von Verfolgten unterstützt. Auch kassierte Agnes Gierck Parteibeiträge und „stand Schmiere“. Am 1. Oktober 1934 wurde sie nach einer erfolgten Denunziation von der Gestapo verhaftet und im April 1935 wegen Volksverhetzung und Vorbereitung zum Hochverrat zu zwei Jahren Zuchthaus – ihr Mann, ihr Sohn und ihr Schwiegersohn zu je anderthalb Jahren Kerker – verurteilt. Nach ihrer Entlassung nahm sie die illegale Widerstandstätigkeit wieder auf.

Durch die Jahre der Verfolgung und Haft sowie den Kummer über den Tod bei der Söhne erlebte Agnes Gierck das Kriegsende nicht mehr. Sie starb 1944 nach langer Krankheit an Krebs.

„Mitte der 1970er Jahre regten Studenten an, ein Studentenwohnheim am Kiwittsmoor 36 nach Agnes Gierck zu benennen. Das Kuratorium des Hamburger Studentenwerks kam diesem Vorschlag jedoch nicht nach. 1996 beschloss der Ortsausschuss Fuhlsbüttel, den Peter-Mühlens-Weg in Agnes-Gierck-Weg umzubenennen. (…). Der Wechsel der Straßenschilder erfolgte am 28. Februar 1997. Der damalige Ortsamtsleiter Wolfgang Engelmann stellte Giercks Leistungen nur ungenügend dar, als er bei einer Rede sagte, dass Gierck ‚im klassischen Sinne‘ keine Widerstandskämpferin gewesen sei. Die Bezirksabgeordnete Renate Herzog hob nach dem damaligen Kenntnisstand hervor, dass Gierck eine ‚einfache Frau‘ gewesen sei, die man ‚aus geringen Gründen verhaftet und gefoltert habe‘.

Die Rolle von Agnes Gierck wurde erst später neu bewertet: 2009 beschäftigten sich Fünftklässler des Gymnasiums Heidberg – angeleitet von ihrer Religionslehrerin Elke Hertel – mit dem Leben Agnes Giercks. Mit ihrer Arbeit gewannen sie den Hamburger Landespreis, den dritten Bundespreis des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten, den Bertini-Preis und eine Auszeichnung von Demokratisch Handeln. Der neue Bezirksamtsleiter Wolfgang Kopitzsch unterstützt das Anliegen einer Neubewertung. Eine Ausstellung im Hamburger Rathaus nahm Gierck daraufhin im Januar 2010 in die Liste der Personen auf, die von 1933 bis 1945 als Widerstandskämpfer verfolgt wurden.“ 3)

Peter Mühlens (Prof. Dr. Peter Mühlens)
(12. Mai 1847 Bonn – 7. Juni 1943 Hamburg)
Hygieniker

Mühlens war Hygieniker und seit 1925 Honorarprofessor sowie Abteilungsleiter am Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten in Hamburg. 1933 trat er dem NS Lehrerbund bei und bekannte sich mit seiner Unterschrift im selben Jahr zu dem NS-Regime, in dem er zu den Unterzeichnern des „Bekenntnisses der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“ gehörte. 1934 wurde Mühlens Institutsdirektor und ordentlicher Professor für Tropenmedizin an der Universität Hamburg. Er unternahm Versuche mit dem Malaria-Präparat Plasmochin an Kranken im Krankenhaus Friedrichsberg und im Tropeninstitut in deren Folge die Versuchspersonen an Nervenlähmungen litten. Im Jahr 1936 wurde er Vorsitzender der Deutschen Tropenmedizinischen Gesellschaft und ein Jahr später trat er der NSDAP bei. Von 1938 bis 1940 war Mühlens Dekan der Medizinischen Fakultät. Mit Beginn des Krieges richtete das Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten eine Flecktyphusabteilung ein, die bald nach Warschau verlegt wurde, um dort die angebliche Ursache (u.a. Warschauer Ghetto) besser bekämpfen zu können.1940 wurde Mühlens zudem Präsident der neuen Kolonialärztlichen Akademie der NSDAP. Die im Dezember 1941 ausgebrochene Fleckfieberepidemie im Kz Neuengamme nutzte Mühlens um „Behandlungsversuche“ mit Fleckfieberpräparaten der I. G. Farben an KZ-Häftlingen durchzuführen. Seinen Bedarf, medizinische Experimente mit Menschen zu machen, verdeutlicht Mühlens u. a. in einem Schreiben an Wolfram Sievers, Reichsgeschäftsführer der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe e. V.: „Auch die von mir im Tropeninstitut eingerichtete Fleckfieber-Forschungsstation braucht Material von frischen Fällen. Ohne solche Arbeitsfelder mit Kranken können die im Laboratorium (bei Versuchstieren u. a.) erzielten Forschungsergebnisse nicht praktisch ausgewertet werden.“ 1) Mühlens starb 1943 in Hamburg.

1945 wurde in Hamburg eine Straße nach dem ehemaligen Leiter des Hamburger Tropeninstituts, im Stadtteil Langenhorn (Peter-Mühlens-Weg) benannt. In den 1990er Jahren deckten historische Forschungen zur Geschichte des Nationalsozialismus auf, dass Mühlens sowohl in seiner Stellung als Institutsdirektor als auch als praktisch tätiger Arzt an medizinischen Experimenten beteiligt gewesen war. 1996 wurde der Peter-Mühlens-Weg nach der Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus, Agnes Gierck, umbenannt. Mit dieser Umbenennung soll, wie das damalige SPD-Ortsausschussmitglied Renate Herzog erklärte, „der vielen Menschen gedacht werden, die aus geringen Gründen verhaftet und gefoltert wurden“ Mit den Stimmen von SPD und GAL votierte eine Mehrheit im Ortsausschuss für die Umbenennung. Die Vertreter der CDU enthielten sich oder stimmten gegen den Antrag.

Text: Katharina Tenti