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Massaquoipassage

Barmbek-Nord (2015): Hans-Jürgen Massaquoi (19.1.1926 Hamburg – 19.1.2013 Jacksonville/Florida), deutsch-amerikanischer Journalist und Schriftsteller, aufgewachsen in Barmbek-Süd, zog 1948 nach Monrovia/Liberia, erhielt die amerikanische Staatsbürgerschaft; Chefredakteur der afroamerikanischen Zeitschrift Ebony, schrieb 1999 die Autobiografie „Neger, Neger, Schornsteinfeger“, kam zu Lesungen und Talkshow-Auftritten nach Deutschland.


„Hans-Jürgen Massaquoi wurde 1926 in Hamburg als afrodeutscher Sohn der deutschen Krankenschwester Bertha Baetz und des aus Liberia stammenden und in Dublin studierenden Al Haj Massaquoi geboren. Sein Großvater väterlicherseits war Momolu Massaquoi, Generalkonsul von Liberia in Hamburg und erster Diplomat aus einem afrikanischen Land in Deutschland. Daneben war Momolu Massaquoi als Momolu IV. König des Volkes der Vai. Über seinen Vater und Großvater war Hans-Jürgen Massaquoi ein direkter Nachfahre von König Siarka Massaquoi.“ 1)

Nach seiner Geburt lebte Hans-Jürgen Massaquoi mit seiner Mutter einige Jahre bei seinem Großvater in einer Villa in Hamburg Rotherbaum. Eine Heirat zögerte der Kindsvater hinaus, bis er mit dem Großvater aus politischen Gründen zurück in die Heimat musste.

Massaquois' Großvater bat Bertha Baetz zwar mitzukommen, doch wegen kurz zuvor erlittener mehrerer Krankheiten ihres Sohnes Hans-Jürgen Massaquoi. wurde ihr von ärztlicher Seite geraten, dies zu unterlassen. Über diese Zeit schreibt Hans-Jürgen Massaquoi in seinem Buch „Neger, Neger, Schornsteinfeger: „Nachdem mein Großvater, mein Vater und die meisten anderen Massaquoi (…) abgereist waren, fand unser luxuriöser Lebensstil im vornehmen Hamburg-Rotherbaum ein jähes Ende. Praktisch völlig auf sich allein gestellt, mußte meine Mutter sich irgendwie durchschlagen. Sie brauchte eine Arbeit und eine erschwingliche Wohnung.“ 2)

Bertha Baetz fand eine Anstellung als Krankenschwester im AK St. Georg und eine winzige Mansardenwohnung im Arbeiterviertel Barmbek.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde Bertha Baetz entlassen, weil sie ein Kind „von einem Afrikaner bekommen hatte“. 3) Mit Putzstellen versuchte sie, sich mit ihrem Kind finanziell über Wasser zu halten. Unterhalt kam nicht von Seiten des Vaters.

Hans-Jürgen Massaquoi hatte in der Zeit des Nationalsozialismus „viel unter Diskriminierungen und Vorurteilen zu leiden. Gemäß der nationalsozialistischen Ideologie galt er als Nicht-Arier und ‚rassisch minderwertig‘. Aus diesem Grunde wurde ihm der Besuch einer weiterführenden Schule verwehrt und er machte eine Ausbildung in der Schmiedewerkstatt eines Bekannten. In die HJ wurde er nicht aufgenommen und beim Versuch, sich während des Zweiten Weltkriegs freiwillig zur Wehrmacht zu melden, wurde er mit rassistischen Beleidigungen zurückgewiesen. Eine planmäßige Verfolgung und Deportation Afrodeutscher fand in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur nicht statt, daher überlebte er diese Zeit.“ 4)

Dass er diese Zeit seelisch gut überlebte, verdankte Massaquoi seiner Mutter, und so formuliert er in seinem Buch: „Meine deutsche Mutter lehrte mich dadurch, daß sie an mich und meine Möglichkeiten glaubte, an mich selbst zu glauben. Abgesehen von ihrer mutigen und unermüdlichen Unterstützung sah ich mich jedoch praktisch allein der permanenten Bedrohung ausgesetzt, die die nationalsozialistische Politik der ethischen Säuberungen für mich bedeutete. Das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, das Menschen normalerweise aus ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe ziehen können, selbst wenn diese Gruppe angefeindet wird, fehlte mir vollkommen. (…) Da von den Deutschen meiner Generation erwartet wurde, daß sie hellhäutig waren und sicher nicht afrikanischer Abstammung, wurde es mein Los, fortwährend zu erklären, wieso jemand mit brauner Haut und schwarzem, krausem Haar akzentfrei deutsch sprach und Deutschland als Geburtsland für sich beanspruchte.“ 5)

Solange Hans-Jürgen Massaquoi noch Kind war, sah er die Hitlergefahr nicht und war ebenfalls wie viele seiner Spielkameraden angetan von Hitler. Massaquoi schreibt: „Erst als ich ins Teenageralter kam, erkannte ich allmählich die Wahrheit über Hitler und seine Handlungen. Bis dahin gab ich mir die Schuld an den Problemen, mit denen ich zu kämpfen hatte. Vor allem haderte ich mit meinem Aussehen, besonders mit meinem afrikanisch krausen Haar, da ich mittlerweile regelrecht haßte. Obwohl ich mir geschworen hatte, mich weder von Wriede (Schulleiter der Schule, die Massaquoi besuchte, R. B.] noch einem anderen Lehrer unterkriegen zu lassen, forderte der psychologische Krieg, der gegen mich geführt wurde, seinen Tribut. Meine Selbstachtung war an einem beängstigenden Tiefpunkt angelangt.“ 6)

Über eine „Episode“ aus der Schulzeit berichtet Massaquoi in seinem Buch, wie folgt: „Es ist schwer zu sagen, wer von den zwei bigottesten und fanatischsten meiner Lehrer der schlimmere war, Herr Wriede oder Herr Dutke mit seiner Hornbrille. Letzterer trug stets stolz seine NS-Uniform zur Schau, wenn er seinen Volkskundeunterricht gab, den er meist nutzte, um seiner Feindseligkeit gegenüber Nicht-Ariern Luft zu machen. ‚Laß dieses negerhafte Grinsen‘, fauchte er mich einmal an, als ich mit der ganzen Klasse über irgend etwas lachen mußte. ‚Neger haben im nationalsozialistischen Deutschland keinen Grund zu grinsen.‘ Um diese Haltung zu untermauern, holte er häufig Schüler nach vorn, die er für typisch arisch hielt. Sie mußten sich vor der Klasse aufstellen, und Dutke wies dann auf ihr blondes Haar, die blauen Augen, den ‚edel geformten Schädel‘ und andere ‚wünschenswerte‘ körperliche Merkmale hin.

Als ein Schüler einmal Dutkes Behauptung, daß Menschen ‚nichtarischen Blutes‘ intellektuell und körperlich minderwertig seien, mit dem Hinweis auf meine schulischen und sportlichen Fähigkeiten in Frage stellte, kanzelte Dutke diesen Schüler ab, weil er es gewagt hatte, ihm zu widersprechen. Dann erklärte er der Klasse, daß ich nur die Ausnahme sei, die die Regel bestätige, und behauptete, daß ich sämtliche ‚normalen Merkmale‘ von meinem arischen Elternteil geerbt habe. Schließlich spekulierte er, daß das letzte Wort ja noch nicht gesprochen sei und die Möglichkeit bestehe, daß mein minderwertiges Blut irgendwie doch noch die Oberhand gewinnen könnte. ‚Es gibt viele Arten der rassischen Minderwertigkeit‘, argumentierte er. ‚Ich würde mich nicht wundern, wenn euer Klassenkamerad eines Tages zum asozialen Subjekt wird, beispielsweise ein Krimineller oder Alkoholiker.‘

Anschließend wies Dutke mich an, nach dem Ende der Stunde den Raum nicht zu verlassen. ‚Was ich dir zu sagen habe, dauert nicht lange‘, knurrte er, nachdem alle anderen Schüler fort waren. Er musterte mich verächtlich durch seine dicke Hornbrille und warf mir vor, die Klasse gegen ihn aufbringen zu wollen und ihm gegenüber mit meinem dauernden ‚negerhaften Grinsen‘ ein respektloses Verhalten an den Tag zu legen. ‚Eins kann ich dir sagen, junger Mann. Dir wird das Lachen noch vergehen. Wenn wir mit den Juden fertig sind, bist du und deinesgleichen nämlich als nächstes dran. Heil Hitler.‘“ 7)

Hans-Peter de Lorent hat einen Aufsatz über Massaquoi und seine Lehrer in der NS-Zeit verfasst, in dem die NS-Lehrer beschrieben werden, von denen Massaquoi erzählt. Hans-Peter de Lorent berichtet auch, was mit ihnen nach der Befreiung vom Nationalsozialismus geschah. 8)

Über Hans-Jürgen Massaquois Leben nach er Befreiung vom Nationalsozialismus heißt es in Wikipedia: „Nach Kriegsende lebte er 1948 zunächst in Monrovia bei seinem Vater Al Haj Massaquoi, später bei seiner Tante Fatima und seinem Halbbruder Morris. Seine liberianische Familie war in politische Intrigen verwickelt, weshalb Massaquoi das Land wieder verließ und in die USA ging, wo Verwandte von ihm lebten. Später wurde er US-amerikanischer Staatsbürger. In seinem zweiten Buch Hänschen klein, ging allein … beschreibt er unter anderem seine Erlebnisse als GI in der United States Army und seinen Lebensweg in den USA. Nach einem Studium [der Zeitungswissenschaften] war Massaquoi viele Jahre Chefredakteur der afroamerikanischen Zeitschrift Ebony. (…).“ 9)

Während seines Studiums lernte er seine spätere Ehefrau, die Sozialarbeiterin Katharine Rousseve kennen. Sie waren bis zur Scheidung vierzehn Jahre verheiratet und hatten zwei Söhne. Seiner Frau dankte er für die Unterstützung beim Verfassen seines Buches „Neger. Neger, Schornsteinfeger“, das erstmals 1999 erschien, wie folgt: „Einen großen Teil meines Dankes schulde ich meiner Frau und Lebensgefährtin Katharine, die mir half, die Idee in ein Buch zu verwandeln. Während der verschiedenen Entstehungsphasen des Manuskripts mußte sie die Launen eines ‚Genies bei der Arbeit‘ verkraften und sich gleichzeitig als inspirierende Muse, Beraterin, Gourmetköchin, Chauffeuse, Sekretärin und so weiter und so fort bewähren. Immer wieder eilte sie im wahrsten Sinne des Wortes zu meiner Rettung herbei, um den Kampf mit meinem PC aufzunehmen und dieses enervierend widerspenstige Gerät ihrem Willen zu unterwerfen, wenn es mal wieder streikte oder mir auf sonstige Art die Zusammenarbeit verweigerte.“ 10)

1966 kam Hans-Jürgen Massaquoi erstmals wieder nach Deutschland, „danach regelmäßig zu Lesungen und Talkshow-Auftritten nach Deutschland, das er stets als seine ‚Heimat‘ bezeichnete. Er sprach auch im Alter noch perfekt Deutsch und Niederdeutsch. (…). Seine Tante war die Liedermacherin und Friedensaktivistin Fasia Jansen [1929 Hamburg – 1993 Oberhausen], drei Jahre jünger als Hans-Jürgen und uneheliches Kind von Großvater Momolu und einer deutschen Konsulatsangestellten. (…).“11)