Merkatorweg
Billstedt (1948): Gerhard Mercator (5.3.1512 Rupelmonde/Flandern -2.12.1594 Duisburg), Kartograph der Seewarte, Schöpfer der Mercatorprojektion.
Vor 1948 hieß die Verkehrsfläche Birkenweg. Bereits in der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Mercatorweg umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war, und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen kam. Bedingt durch den Krieg kam es nicht mehr zu dieser Umbenennung. Es blieb bis 1948 bei Birkenweg.
Philip Bethge fasst in seinem Artikel „Geograf Mercator Geheimnis der Erde. Vor 500 Jahren wurde Gerhard Mercator geboren, der bedeutendste Geograf der Neuzeit. Seine Karten und Globen prägen bis heute den Blick auf die Welt“ die Bedeutung Merkators wie folgt zusammen: „Er entwarf eine Konstruktion der Welt, die Seefahrer und Landvermesser begeisterte und bis heute Bestand hat: Flugkapitäne und Nautiker beugen sich über Karten, die auf ihn zurückgehen, kein Atlas, keine GPS-gesteuerte Navigation, keine ‚Google Maps‘-Karte, die nicht im Prinzip auf der Mercator-Projektion des Erdballs beruht. Dabei gelang es ihm mit geometrischer Präzision, das Runde auf das Flache zu übertragen, seine geniale Methode, die gekrümmte Erdoberfläche als ebene Karte darzustellen. Mercator war der Erste, der die Quadratur der Kugel perfektionierte.“ 1)
Geboren wurde Gerhard Mercator als seine Eltern, der Schuhmacher und Landwirt Hubert Kremer und dessen Ehefrau Emerentia, geborene Rademakers, sich gerade zu Besuch bei einem Onkel in Rupelmonde aufhielten.
Zwischen seinem 14. und 16. Lebensjahr verstarben Mercators Eltern und er kam unter die Obhut seines Onkels in Flandern und wurde von den Mönchen des holländischen Ordens der "Brüder vom Gemeinsamen Leben" in Latein, Griechisch und in den Grundlagen der Logik unterrichtet.
Dann studierte er an der Universität in Löwen. „Dort wird er 1530 Schüler von Gemman Frisius, an dessen Erdglobus er mitarbeitet.“ 2)
Mercator beendete sein Studium bereits zwei Jahre später 1532 – es wird vermutet, dass er sich den Magistertitel finanziell nicht leisten konnte. Er: „reiste (…) nach Antwerpen und lebte hier wohl bis 1534, wobei er hier vor allem Kontakt mit flandrischen Kaufleuten suchte, die über ihre Seereisen in die Neue Welt berichteten“. 3)
Zurückgekehrt nach Löwen verdiente Mercator als „Mathematicus“ sein Geld mit Landvermessung, als Kartograph und als Konstrukteur von astronomischen Instrumenten. 1534 bekam er „mit van der Heyden (…) den Auftrag, einen Erdglobus in Kupfer zu stechen, dessen Vorlage von Frisius erstellt worden war. Erstmals tauchte der junge ‚Mathematicus‘ auf dem 1536 schließlich vollendeten Globus als ‚Gerardus Mercator Rupelmundanus‘ namentlich auf. In gleicher Funktion war Mercator dann ein Jahr später an der Schaffung des gleich großen Himmelsglobus beteiligt. Die Globen wurden ein Verkaufserfolg; nur so ist zu erklären, dass er am 3. August 1536 die Bürgertochter Barbara Schellekens (gestorben 24.8.1586) heiraten konnte,“4) heißt es in Wikipedia. Ein Jahr nach der Hochzeit wurde das erste Kind geboren. Es folgten noch weitere fünf Kinder.
1537 schuf Mercator eine Karte des Heiligen Landes. „Der Verkauf der Karte war gesichert, weil sich in der Umbruchszeit des 16. Jahrhunderts sowohl lutherische als auch katholische Bewohner Flanderns mit der in der Bibel verkündeten Wahrheit auseinandersetzten. Mercator stieg über das Werk zu einer Autorität der Bibelauslegung auf.“ 5)
Ein Jahr später gab Mercator seine Weltkarte in doppelter Herzform heraus; 1540 folgte eine Flandernkarte. Seine Karten fanden stets einen guten Absatz.
Neben Karten schrieb Mercator u. a. auch eine Abhandlung über die Beschriftung von Karten, und es gelang ihm eine sehr feine Kartenschrift herzustellen, mit der er auf den Globen viele Informationen verewigen konnte.
1541 schuf er einen Erdglobus im Durchmesser von 41,5cm. Auch seine Globen wurden gut verkauft, so dass Mercator wohlhabend wurde.
1544 wurde Mercator verhaftet und der Häresie beschuldigt. „Mercator hatte eine neue Position des Magnetpols errechnet. Damit stellte er sich gegen den Klerus, der den magnetischen Norden bis dato gleichsam an Gottes Seite hoch oben in den Lüften verortet hatte. Mercator aber holte den Magnetpol aus den himmlischen Sphären herab,“6) schreibt Philip Bethge. Das wurde als Blasphemie angesehen. Mercator wurde in der Festung Gravensteen bei Rupelmonde eingekerkert. Durch Fürsprache von Seiten seiner einflussreichen Freunde kam er nach sieben Monate frei.
„Die Erfahrung von Verfolgung im Namen der Religion war wohl ein Grund, dass die Familie sich in den folgenden Jahren entschied, Löwen und die habsburgischen Niederlande zu verlassen. Der Umzug nach Duisburg ist eine der umstrittensten Lebensphasen Mercators. Es haben sich keine Quellen erhalten, die die wahren Gründe für den Standortwechsel darstellen würden,“ 7) heißt es in Wikipedia.
In Duisburg sollte eine Universität aufgebaut werden. Fertiggestellt wurde sie aber erst nach dem Tod Mercators, der seit 1552 mit seiner Familie in Duisburg lebte.
1554 veröffentlichte er eine Karte von Europa. 1558 konnte er sich eine größere Werkstatt mit mehreren Angestellten leisten.
1564 schuf er eine Karte der britischen Inseln.1569 erschien seine berühmte Weltkarte „Nova e aucta orbis terrae descriptio ad usum navigantium“ (18 Blätter) „in winkeltreuer Mercator-Projektion. In dieser Projektion schneiden sich die Längen- und Breitengrade im rechten Winkel. In höheren Breiten weist diese Projektion allerdings enorme Verzerrungen auf,“8), schreibt Helmut Pemsel in seinem Buch „Weltgeschichte der Seefahrt“. In seinem Spiegelartikel erklärt Philip Bethge diese Projektion wie folgt: „Den Seeleuten den Weg zu weisen, das war Mercators Ziel. Und tatsächlich erwies sich die ‚Neue und erweiterte Darstellung des Erdkreises‘ für die Schifffahrt als revolutionär. Zunehmend standen die Entdecker nämlich vor der Frage, wie sie möglichst schnell von einem Kontinent zum nächsten segeln konnten. Fern der Küsten fehlte die zuverlässige Orientierung. (…) Die gewölbte Welt auf Papier zu bannen glich dem Versuch, Eierschalen auf dem Tisch flachzudrücken. Ohne Brüche und Verzerrungen schien die Sache unmöglich. Doch Mercator fand eine ebenso geniale wie einfache Lösung. Er zog die Längengrade der Erde an den Polen wie Kaugummi auseinander, bis sie allesamt zueinander parallel verliefen. Rechtwinklig dazu zeichnete er anschließend die Breitengrade ein. Deren Abstand zueinander ließ er zu den Polen hin anwachsen. (…) Auf einer so verzerrten Karte nämlich lässt sich der Kompasskurs von einem Ort zu einem anderen als schnurgerade Linie einzeichnen. Die Seeleute mussten nur noch das Lineal anlegen.“ 9)
Informationen über die verschiedenen Erdteile erhielt Mercator von Seefahrern. Dabei wurde ihm auch viel Falsches übermittelt. Und wenn er zu bestimmten Erdteilen keine Informationen bekam, ließ er seine Phantasie walten. „Um den Seeleuten den Kompasskurs zu zeigen, blähte Mercator den Norden und den Süden auf. So erscheint Grönland etwa gleich groß wie Afrika, obwohl der Kontinent in Wahrheit gut 14-mal größer ist. Schweden wirkt dreimal so groß wie Indien, dabei weist es nur ein Siebtel von dessen Landfläche auf. Die reichen Länder der Welt gewinnen dadurch an Gewicht. Die vermeintliche Überlegenheit der Ersten über die Dritte Welt wird geografisch unterfüttert - eine geopolitische Katastrophe,“ 10) schreibt Philip Bethge in seinem Spiegelartikel und weist dabei indirekt auf die im 20. Jahrhundert geführte Debatte um die „gerechte“ Vermessung der Welt hin. Die Mercator-Projektion „bekam im Zuge der Debatten um Kolonialismus und Eurozentrismus seit dem Ende der 1970er-Jahre die Zuschreibung des ‚Gestrigen’. Das durch die 1569er-Projektion tradierte Weltbild verzerrte in der Argumentation der Kritiker die Größe der äquatornahen Landmassen – und im Besonderen Afrikas. (…) [Arno] Peters entwickelte eine andere Projektionsform, mit der er das gewohnte Weltbild durch eine gleichberechtigte Darstellung aller Länder ablösen wollte. Er stieß eine Debatte über das Überlegenheitsbewusstsein der europäischen und westlichen Welt gegenüber Afrika und anderer Erdteile an, das aus seiner Perspektive maßgeblich durch die Mercator-Projektion geprägt worden sei. Der Postkolonialismus könne daher auch nur in einem neuen Karten- und somit Weltbild, seinen ernst gemeinten Ausdruck finden,“11) schreibt Timo J. Celebi in seinem Tagungsbericht zur 2012 durchgeführten Tagung „Gerhard Mercator: Wissenschaft und Wissenstransfer“.
Kritik wiederum an Arno Peters Auffassung äußerte der amerikanische Mathematiker Mark Monomonier. Er, so Timo J. Celebi: „betonte die Ausblendung fachlicher Fragestellungen in der Peters-Debatte. Die kritische Abwägung der Vor- und Nachteile, somit des kartographischen Nutzens der Kartenprojektionen, sei hinter die polarisierende Gegenüberstellung von ungerecht und gerecht, bzw. unzeitgemäß und zeitgemäß zurückgetreten. Zwar ließ sich der von Peters kritisierte Zusammenhang zwischen dem Mercator-Weltbild und hieraus resultierender negativer Auswirkungen auf die ‚unterentwickelten’ Länder nicht beweisen, aber der konstruktive Charakter und die instrumentalisierenden Funktionen, die mit der Popularisierung bestimmter Karten- und Weltbilder einhergehen können, erfuhren mit der Debatte eine große Aufmerksamkeit. Ebenso die Mercator-Projektion, die nach Abflauen der Auseinandersetzung allmählich in Vergessenheit geriet.“ 12)
Kommen wir zur Person Mercators zurück: Durch seinen großen Freundeskreis, seine Briefkontakte und seine Beziehungen zu Adligen kam Merkator immer wieder zu Aufträgen, aber auch zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Ab 1585 erfolgte schließlich die Veröffentlichung des Kartenwerkes der ganzen Erde in 107 Karten, das zwischen 1585 und 1595 erschien, also zum Teil noch nach dem Tod Mercators. Dieses Werk wurde erstmals als „Atlas“ bezeichnet und erschien bis 1637 in 41 Auflagen.
Am 24.8.1586 starb Mercators Ehefrau. Ein Jahr später heiratete der 74-Jährige die zehn Jahre jüngere Gertrud Moer, geborene Vierlings, Witwe des ehemaligen Duisburger Bürgermeisters Ambrosius Moer. Merkator kannte Gertrud Moer, weil sein jüngster Sohn deren Tochter geheiratet hatte.
Mercator, dessen Söhne und Enkel ebenfalls in seiner Werkstatt arbeiteten, konnte wegen seiner Erkrankung an Gicht in den letzten Jahren seines Lebens kaum noch tätig sein. 1590 erlitt er zudem einen Schlaganfall und wurde fortan von seinen Schwiegertöchtern gepflegt.