Mörikestraße
Blankenese (1928): Eduard Mörike (8.9.1804 Ludwigsburg – 4.6.1875 Stuttgart), Dichter.

Mörike hatte viele tiefreichende Beziehungen zu Frauen. Da wären zuerst einmal seine Mutter und seine jüngste Schwester Klara:
Mörikes Mutter Charlotte Dorothea, geb. Beyer (oder Bayer) (3.6.1771 Grafenberg – 26.4.1841 Cleversulzbach) entstammte einer Pfarrersfamilie. „Im elterlichen Haushalt wurde ihr ein mehr humanistisches denn pietistisches Weltbild vermittelt. (…). [Charlotte Dorothea] lernte 1791 bei einem Besuch in Ludwigsburg den sieben Jahre älteren Stadt- und Amtsphyikus Karl-Friedrich Mörike [1763-1817] kennen. Das Paar heiratete 1793 trotz anfänglicher Bedenken ihres Vaters. Aus der Verbindung entsprangen zwischen 1794 und 1816 dreizehn Kinder, von denen jedoch mehrere in jungen Jahren starben. Die junge Mutter widmete sich voll der Pflege der Kinder und vermittelte ihnen im Ausgleich zur Ernsthaftigkeit und dem Wissen des gebildeten Vaters ihre eigene Lebensfreude und Empfindsamkeit. Diese Charaktereigenschaften schätzte ihr Dichtersohn, ihr siebtes Kind, an ihr sehr. Im September 1817 starb ihr Mann an den Spätfolgen eines Schlaganfalls, den er in den Krisenjahren der Napoleonischen Kriege erlitt, und sie sah sich gezwungen, die noch nicht erwachsenen Kinder in der Verwandtschaft zu verteilen, da sie diese als Witwe nicht allein großziehen konnte. Sie zog nun häufig um und beherbergte auch gelegentlich ihre Kinder, wenn diese in der Nähe Arbeit gefunden hatten. Die zwei älteren Söhne Karl und Adolph Mörike gerieten mehrfach in Konflikt mit dem Gesetz, der Sohn Eduard fühlte sich dennoch verpflichtet, stets für alle Verwandten aufzukommen. 1834 zog sie schließlich mit Eduard [und ihrer jüngsten Tochter Klara (1816-1903), R. B.] in dessen Pfarrhaus in Cleversulzbach,“ 1) heißt es im Wikipedia-Eintrag zu Charlotte Mörike.
Mutter und Schwester führten Eduard Mörike den Haushalt. „Gut für Mörike, der auch als Pfarrer nicht gerade fleißig war, er hat lieber gedichtet, ist in der Gegend herumgegangen und hat sich schöne Gedanken gemacht. Die Lebensumstände haben ihn mit seiner Schwester auf natürliche Weise zusammengeschmiedet, und deshalb ist er dieser ‚Lebensgefährtin Schwester‘ treu geblieben, ganz selbstverständlich, die Wohnverhältnisse waren eben nicht so, dass man auseinandergehen konnte, und sie hatten ja nie viel Geld. Klara war einfach am längsten mit Mörike zusammen,“ 2) äußerte der Mörike-Biograph Ehrenfried Kluckert.
In einem Brief an einen Freund betonte Mörike diese Zusammengehörigkeit mit seiner Schwester Klara wie folgt: „Du begreifst gar nicht, welchen Einfluß jene auf mich ausübt, und wie wir uns von ferne verstehen; ja sie hilft mir oft, ohne es nur zu wissen, dem Verständnis meiner selbst auf die Spur."
Mutter Dorothea Mörike starb 1841 in Cleversulzbach. „Ihr Sohn beerdigte sie in einem Grab neben [dem fast vergessenen Grab von, R. B.] Schillers Mutter, welches er Jahre zuvor mit einer selbst gemeißelten Platte (‚Schillers Mutter‘) versehen hatte. Ihr Grab kennzeichnete er als ‚Mörikes Mutter‘.“ 3)
Mörike und seine Liebe zu Maria Meyer:
1823, im Alter von 18 Jahren, „begegnete Mörike in einem Ludwigsburger Gasthaus Maria Meyer (1802–1865), die dort (…) als Bedienung angestellt war. Spätere biographische Berichte über die aus Schaffhausen stammende Frau im Gefolge der Sektenstifterin Juliane von Krüdener enthalten offenbar viel Ausschmückung. Mörike verliebte sich stürmisch in die Geheimnisvolle, zum Entsetzen seiner älteren Schwester Luise [1798-1827], die die Gefahr beschwor, die ‚seinem edelsten Selbst in der engen Verbindung mit dem Unreinen droht‘.“ 4)
Mörikes sechs Jahre ältere Schwester Luise hatte einen starken Einfluss auf ihren Bruder. „Ihre strenge religiöse Ader begrenzte ganz offenbar ihre Bereitschaft, ihr zwielichtig erscheinende Gestalten wie (…) Maria Meyer dem Bruder zu überlassen. Sie kämpfte energisch um ihn (…). Unter der Beschwörung der göttlichen Leitung und im pathetisch formulierten Anspruch an den Bruder – ‚erkenne darinn nur die innigste Liebe, die fest und treu Dich umschlingt, und mit Ängstlichkeit jeden giftigen Hauch von dem reinen schuldlosen Gemüthe abzuwehren sucht‘ – holt sie schon im April 1823 wie noch unter dem Schock des eben erst erfolgten Erlebnisses [Eduards Nähe zu Maria Meyer, R. B.] (…), zu einer Art Hexenverfolgung und Teufelsaustreibung aus, die gut protokolliert ist. Es kam Mörike schließlich selbst so vor, daß Luise ‚mit schwesterlich-tiefem Zauber in der Ferne und ohne daß sie mirs sage, meine Lebensfäden, die ich spinne oder die meine Natur spinnt, ruhig vorsehend in der Hand‘ hält. Sie redet dem Bruder mit mißtrauischem Eifer und spitzer Feder ins Gewissen ‘Die Versuchung fliehen mein geliebter Eduard das ist keine Feigheit, sondern wahrhafte Größe ists, dem zu widerstehen, was uns schmeichelnd an sich lockt und blendet,‘“ 5) schreibt Mathias Mayer in seinem Buch „Mörike und Peregrina. Geheimnis einer Liebe“. Und im Klappentext dieses Buches heißt es: „Die ‚dark lady‘ des jungen Tübinger Studenten stand in keinem guten Ruf, ihre Herkunft hielt sie mit viel taktischem Geschick verborgen.“ 6) „Mörike führte den Kontakt zu Maria bis auf einen zum Jahresende abgebrochenen (und vernichteten) Briefwechsel nicht weiter und entzog sich einem von ihr angestrebten Wiedersehen im Juli 1824.“ 7)
„Als nach der Trennung die inzwischen totgeglaubte Geliebte überraschend wieder auftauchte, stürzte Mörike in eine Lebenskrise, in einen körperlichen und seelischen Zusammenbruch. Mörike blieb nur der Ausweg in die Dichtung, in der er diese Liebe literarisch mythisiert. Die fünf Peregrina-Gedichte beschäftigten ihn seit 1824 bis in seine letzten Lebensjahre, fast ein halbes Jahrhundert lang.“ 8)
Wie sich Mörike und Maria Meyer begegnet waren, beschreibt Mathias Mayer: „Ein 19jähriger trifft in seinen ersten Semesterferien in einem Wirtshaus zusammen mit einem Freund auf eine dunkle Schönheit, die dort als Kellnerin arbeitet und deren exotischer Schweizer Akzent zusätzlich attraktiv und gewirkt haben muß. (…). Der pfiffige Besitzer des Ludwigsburger Gasthofes hatte in ihr gleich den lukrativen Anziehungspunkt der männlichen Jugend vermutet, als er die Schöne vor den Toren der Stadt ohnmächtig fand. Mörike war fasziniert von der Schönheit des Mädchens, und diese Faszination wurde noch verstärkt durch die erstaunliche Geistesbildung Marias, die in auffallendem Gegensatz zu ihrer bescheidenen Existenz als Kellnerin stand. Mörike und Rudolf Lohbauer fangen beide Feuer, und auch Maria Meyer ist in diesen Osterferien 1823 eine Bindung zum jungen Dichter eingegangen, an der sie entschlossen, wenn auch ohne Erfolg, festzuhalten versuchte. Denn vermutlich sah man sich nur innerhalb weniger Wochen, danach wurden Briefe gewechselt, schließlich aber – von Mörike, und vielleicht nicht ganz freiwillig – die Kontakte abgebrochen, und als Maria im Jahr darauf in schlechter Verfassung Mörike nochmals (und zwar in Tübingen) aufsuchen wollte, hatte er sich so weit von ihr entfernt, daß er ihr auswich - und kam doch, ein Leben lang, nicht mehr von ihr los.“ 9)
Mörike und Clara Neuffer
Mathias Mayer schildet auch Mörikes Jugendliebe. Mörike verliebte sich in seine Cousine, die Pfarrerstochter Clara "Klärchen" Neuffer (1804-1837). Doch „Bereits in Mörikes Uracher Seminarzeit hat sich die Beziehung allerdings gelockert, später kam die Enttäuschung über die jeweilige Neuorientierung des Partners hinzu. Klara Neuffer wandte sich Christian August Schmid zu, mit dem sie sich 1823 verlobte und den sie 1827 auch heiratete. Die eifersüchtig wahrgenommenen Berichte über die Maria Meyer-Affäre werden dabei vermutlich eine Rolle gespielt haben. (…) Besonders beunruhigend flammte der zurückliegende Liebesschmerz für Klara Neuffer auf, als Mörike sie im Dezember 1823 in Tübingen wußte, wo sie die Mutter ihres Bräutigams besuchen wollte, indes Mörike innerlich vermutlich ganz damit beschäftigt war, sich von Maria Meyer zu lösen, die zu dieser Zeit noch in Ludwigsburg war. Es entging seiner Familie nicht, mit welchem seelischen Schmerz er sich von der Jugendliebe löste. Mörikes Mutter, sonst eher eine Nebenrolle spielend, mahnte ihn, er gäbe sich der fehlgeschlagenen Hoffnung auf Klara Neuffer ‚zu Viel hin, u: Bedenkst nicht wie nachtheilig dieser Zustand für dein ganzes Thun u: Leben ist.‘ “ 10)
Mörike und Luise Rau
Als Mörike die Stellung eines Pfarrverwesers innehatte und damit Geld verdiente, verlobte er sich 1829 mit Luise Rau (1801-1868), der Tochter des verstorbenen Pfarrers. Das Paar sah sich allerdings nur sehr selten. Vier Jahre später löste die Braut die Verbindung und stürzte Mörike in die nächste Lebenskrise. Es wird vermutet, dass das enge Verhältnis zwischen Mörike und seinen beiden Schwestern Luise und Klara, auch Ausschlag für die Trennung gewesen sei. 1834, ein Jahr nach der Auflösung der Verlobung wurde Mörike Pfarrer in Cleversulzbach. Er wäre lieber freier Schriftsteller gewesen, aber seine finanzielle Situation ließ dies nicht zu.
Mörike und Margarethe Speeth
„Nachdem Mörike sich aus gesundheitlichen Gründen beim Pfarrdienst mehrfach durch einen Vikar hatte unterstützen lassen, beantragte er 1843 im Alter von 39 Jahren die Versetzung in den Ruhestand. Gnadenhalber wurde ihm eine Pension von jährlich 280 Gulden gewährt. Mörike ließ sich 1844 nach einem kurzen Aufenthalt in Schwäbisch Hall in Bad Mergentheim nieder. Seine Pension und gelegentliche Honorare reichten nicht zur Tilgung der Schulden, in die er durch Bürgschaften für seine Brüder geraten war. Aus finanziellen Gründen dachte er zunächst nicht an eine Eheschließung. Erst 1851 heiratete er in der Mergentheimer Schlosskirche Margarethe von Speeth (1818-1903), die katholische Tochter seines Vermieters [des Oberstleutnants von Speeth, bei dem er mit seiner Schwester Klara seit 1845 in einer bescheidenen Wohnung lebte, R. B.] und eine Freundin seiner Schwester Klara (…).“ 11)
Es wird vermutet, dass Mörike Margarethe von Speeth nicht geheiratet hätte, wenn nicht eine enge Freundschaft zwischen ihr und seiner Schwester bestanden hätte. Doch bis es zur Heirat kam, lebten Mörike, seine Schwester Klara und Margarethe von Speeth sieben Jahre lang in einer Ménage à trois. Nach der Hochzeit soll dieses bis dahin gut gedeihliche Dreierverhältnis nachhaltig gestört gewesen sein.
Als Mörike im Herbst 1851 eine feste Anstellung als Literaturlehrer am Königlichen Katharinenstift in Stuttgart erhielt, fand im November 1851 die Hochzeit statt. Das Paar zog mit Klara nach Stuttgart und lebte dort zu dritt in einer Wohnung. Vier Jahre später wurde das erste Kind Fanny (1855-1930) geboren, das zweite Kind Marie folgte 1857.
„In den folgenden Jahren, geprägt von einem idyllischen Familienleben, entstanden viele ‚versus amiliares‘. Darunter verstand man Verse, die Mörike sowohl an Verwandte als auch an Bekannte verschickte. Er versandte kurze Verse voller Dankbarkeit an diesen und jenen. (…)
Anfang der siebziger Jahre häuften sich jedoch die Spannungen und Zerwürfnisse in der Ehe. Mörike war mit Margarethe nicht glücklicher als mit seinen vorherigen Geliebten. Er war harmoniebedürftig und sehnte sich nach einer vollkommenen Ehe als Einheit ohne Meinungsverschiedenheiten. Diese Wünsche gingen jedoch nicht in Erfüllung.“ 12)
Über das Verhältnis zwischen Margarethe Mörike zu ihrem Mann Eduard und den Grund der Trennung äußerte sich der Mörike-Biograph Ehrenfried Kluckert: „sie war eine strenge Katholikin, die gemerkt hat, dass seine soziale Umgebung in Stuttgart nicht ihre Welt war, und sie hat sich ihren eigenen katholischen Bekanntenkreis aufgebaut, der diametral dem von Mörike gegenüberstand, sie hat sich zurückgezogen, und so ist die Beziehung auseinandergegangen. Als dann die Kinder zur Welt kamen, gab es große Streitereien bezüglich der Erziehung und des zukünftigen Lebensglücks der Töchter. Aber die Zeugnisse zeigen, wie Mörike sich väterlich rührend um sie gekümmert hat, er muss ein toller Vater gewesen sein, und er hat sich um die Einrichtung der Wohnungen Gedanken gemacht, um jedem Familienmitglied seinen Platz zuzuweisen. Sich selbst hat er oft genug zurückgestellt.“ 13)
Als sich die jüngste Tochter verlobte, „kam es 1873 zu einem heftigen Streik unter den Eheleuten, in dessen Folge Margarethe Mörike vorübergehend auszog. Mörike entschied sich nach 22 Ehejahren letztendlich zur Trennung, aber nicht zur Scheidung.
Einer der Hauptgründe für die Trennung war wohl die besondere Geschwisterliebe zwischen Mörike und seiner Schwester Klara.
Mörike zog mit seiner Schwester Klara „und der [kränkelnden] Tochter Marie [sie starb mit 19 Jahren 1876 an Tuberkulose, R. B.] für kurze Zeit [September bis November 1873] nach Fellbach (…).“ 14) Dann kehrte Mörike mit seiner Schwester Klara nach Stuttgart zurück.
1875 wurde Mörike bettlägerig. „Seine Schwester Klärchen war es, die Mörikes schwere Krankheit überwachte. Auf Wunsch Mörikes ließ sie auch seine Frau Margarethe ans Krankenbett rufen, um sich wieder mit ihr zu versöhnen.“ 15)
Nach Mörikes Tod kam seine nun unversorgte Schwester Klara in das Mörickestift nach Neuenstadt am Kocher, „das auf einen Vetter des Dichters zurückgeht. Dort verlebte später auch die Tochter Fanny ihre letzten Jahre.“ 16)