Barkhausenweg
Hummelsbüttel (1965): Prof. Dr. Heinrich Barkhausen (2.12.1881 Bremen – 20.2.1956 Dresden), Begründer der wissenschaftlichen Schwachstrom- und Hochfrequenztechnik
Über Heinrich Barkhausen schreibt der Historiker David Templin in seinem Abschlussbericht: Wissenschaftliche Untersuchung zur NS-Belastung von Straßennamen:
„Zur Biographie vor 1933
Im Dezember 1881 wurde Heinrich Barkhausen als Sohn eines Richters und einer Malerin in Bremen geboren. Er besuchte das Gymnasium und arbeitete im Anschluss als Praktikant beim Bremer Eisenbahn-Ausbesserungswerk. Von 1901 bis 1906 studierte er Technische Physik an der Technischen Hochschule (TH) in München und Universitäten in Berlin und Göttingen, wo er 1907 mit einer Dissertation zum „Problem der Schwingungserzeugung“ promoviert wurde.
Danach arbeitete er vier Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter in den Laboratorien der Siemens & Halske AG. 1910 habilitierte er an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg und wurde zum 1. April 1911 als außerordentlicher Professor an die TH Dresden berufen, wo er in der Folge ein Institut für Schwachstromtechnik gründete. Im Ersten Weltkrieg wurde er von 1915 bis 1918 als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter bei der Inspektion für das Torpedo- und Minenwesen in Kiel eingezogen. Am 1. April 1918 wurde Barkhausen zum ordentlichen Professor für Schwachstromtechnik an der TH Dresden ernannt. Intensiv forschte er zu Elektronenröhren (u.a. mit einem vierbändigen Werk zum Thema, das in den 1920er Jahren erschien) und elektronischen Schwingungen. Nach ihm und einem seiner Mitarbeiter wurden die 'Barkhausen-Kurz-Schwingungen' benannt. 1917 entdeckte er den magnetischen
„Barkhausen-Effekt“. 1928 erhielt er die Goldene Heinrich-Hertz-Medaille, 1932 wurde er von der TH Darmstadt zum Honorarprofessor ernannt.“ 1)
Barkhausen unterzeichnete 1933 das Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat. Er „integrierte sich zunehmend in die deutsche Wehrwissenschaft und -wirtschaft: Das von ihm geleitete Institut für Schwachstromtechnik erfüllte Wehrmachtsaufträge, Barkhausen selbst beriet die Luftwaffe und kam Aufträgen des Heeres nach. Sein Beitrag zur deutschen Kriegsführung ist insbesondere in der Weiterentwicklung der Funktechnologie zu sehen, welche die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Frontabschnitten verbessern helfen sollte. Zudem wirkte er beim ‚Vorhaben Peenemünde‘ [Entwicklung der V2-Rakete] mit. Beredter Ausdruck seiner Systemnähe sind die engen Kontakte, die Barkhausen zu den ‚Achsenmächten‘ Japan und Rumänien unterhielt und mit denen er wissenschaftlichen Austausch organisierte. Zwar beschwerte sich Barkhausen nachweislich über die Lehrsituation und das fehlende Personal, teils gar mit öffentlichen Anschlägen in seinem Institut an der TH Dresden. Das ihm nach 1945 zugeschriebene, widerständige Verhalten lässt sich damit aber kaum belegen, bei Barkhausen überwog die Anpassung deutlich die Resistenz. Seiner weiteren Karriere an der TH Dresden in der DDR tat dies indes keinen Abbruch. Da sein Institut den Bombenangriffen vom Februar 1945 zum Opfer gefallen war, durfte er dieses nach dem Krieg erneut aufbauen. Die Technische Hochschule ehrte den Dresdner Wissenschaftler nach seinem Tod durch die Benennung des 1954 fertig gestellten Barkhausenbaus,“ 2) heißt es 2012 bei Uwe Fraunholz, Swen Steinberg, Stefan Beckert, Florian Eichkorn, Ulrike Marlow, Stefan Weise:
Und David Templin schreib zur Rolle Barkhausens im Nationalsozialismus: „Mitglied in der NSDAP war Barkhausen allerdings nicht, zumindest findet sich in der NSDAP-Mitgliederkartei kein Hinweis auf ihn. Damit dürfte er unter den Hochschullehrern der TH nach 1933 zur Minderheit gezählt haben, da Volker Stöhr zufolge mindestens 71 von 125 Lehrkräften Parteimitglieder wurden. Stöhr zählt Barkhausen zu einer kleinen ‚Gruppe von Hochschullehrern, die den Nationalsozialisten ablehnend gegenüberstanden und vor allem der nationalsozialistischen Bürokratie Widerstand entgegenbrachten‘. Ihr Ziel sei es gewesen, ‚eine möglichst große Autonomie in Forschung und Lehre zu erhalten‘. Darauf habe sich Barkhausens ‚Widerstand‘ allerdings beschränkt, und insofern sei ihm auch ‚Opportunismus‘ zuzuschreiben. Ralf Pulla spricht dagegen vom ‚bekanntermaßen unpolitische[n] Barkhausen‘. Dieser bemühte sich – jedoch vergeblich – um die Verbesserung der personellen und räumlichen Situation am Institut, die laut Stöhr ‚katastrophale Ausmaße‘ angenommen hatte. Dabei argumentierte er auch mit dem Interesse der Wehrmacht an der Ausbildung von Ingenieuren. Er brachte im Januar 1936 schließlich einen Aushang mit der Überschrift ‚Warnung vor dem Studium der Schwachstromtechnik an der Technischen Hochschule Dresden‘ an, in dem er die mangelnde Ausstattung des Instituts mit Personal kritisierte. Der Protestakt hatte wohl auch damit zu tun, dass eine beabsichtigte Berufung seines Assistenten und Institutsmitarbeiters Martin Kluge auf Druck der NS-Dozentenschaft nicht zustande kam. Es folgte eine Maßregelung des Professors, in einer internen Beurteilung hieß es über ihn, dass ‚er dem Nationalsozialismus kritisch und skeptisch gegenübersteht, auf alle Fälle von einer freudigen Bejahung weit entfernt ist‘. Das Institut für Schwachstromtechnik führte im ‚Dritten Reich‘ Aufträge der Wehrmacht durch Schon 1934/35 und dann erneut 1940 führte es Aufträge für das Reichsluftfahrt- und das Reichswehrministerium durch. Dabei ging es wohl u.a. um Versuche zur Dämpfung von Auspuffgeräuschen von Motoren. Seit 1939 war Barkhausen zudem von der Heeresversuchsanstalt Peenemünde, in der neue Waffensysteme wie die spätere V2-Rakete entwickelt wurden, mit geheimen ‚Forschungsarbeiten auf dem Funk- und Fernmeldegebiet‘ beauftragt. Ralf Pulla zufolge hatte Barkhausens Kollege Professor Walter Wolman allerdings die Leitung des Gesamtprojektes inne. Laut Stöhr handelte es sich bei den Wehrmachtsaufträgen um ‚Zwänge‘, denen sich Barkhausen nicht habe entziehen können: ‚Ein striktes Ablehnen derartiger Aufträge hätte einerseits die Karriere gefährden und andererseits zu Einbußen bei finanziellen und/oder personellen Ressourcen führen können‘. Barkhausen wirkte auch international und erhielt bereits in den 1930er und 1940er Jahren zahlreiche Ehrungen. So wählte ihn das Institute of Radio Engineers of America 1935 zu seinem Vizepräsidenten. 1938 wurde Barkhausen zu einer Studienreise nach Japan eingeladen, hielt Vorträge und wurde zum Ehrenmitglied des Instituts der Japanischen Elektrotechniker
ernannt. Am 19. Juni 1943 wurde er als Ordentliches Mitglied in die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig berufen, 1943 wurde er Ehrenmitglied der Rumänischen Akademie der Wissenschaften. Am 13. Februar 1945 wurde das Institut für Schwachstromtechnik vollständig zerstört, Barkhausen sprach in einem Brief von der Zerstörung seines Lebenswerks. Die letzten Wochen des Krieges erlebte er in Westdeutschland.
Zur Biographie nach 1945
Erst im Juni 1946 kehrte Barkhausen nach Dresden zurück. 1949 wurde er in die Deutsche Akademie der Wissenschaften (der DDR) berufen und erhielt im selben Jahr den Nationalpreis der DDR verliehen. 1948/49 wurde auch die TH Dresden für die Erfüllung des Zweijahresplanes der SED in die Pflicht genommen. Barkhausen soll sich gegen die Einführung staatlicher Planung in der Forschung ausgesprochen haben. 1951 wurde der Neubau der Institute für Schwachstromtechnik an der TH Dresden, der sogenannte Barkhausen-Bau, eröffnet. In den frühen 1950er Jahren gewährte die DDR Barkhausen ein Sonderhonorar in Höhe von 7500 Mark. Laut Pulla fungierte er in den letzten Jahren seiner Tätigkeit am Institut aber ‚mehr als ideelle Integrationsfigur‘, als dass von ihm neue Impulse ausgingen. Im September 1953 ging Heinrich Barkhausen in den Ruhestand. 1956 starb er im Alter von 74 Jahren. 1965 wurde ein Weg in Hamburg-Wandsbek nach Barkhausen benannt. In Nachrufen und biographischen Skizzen wurde er nach seinem Tod von DDR-Seite vereinnahmt, so bezeichnete man ihn 1978 als einen ‚Wissenschaftler, der [...] mit dem Aufbau der Deutschen Demokratischen Republik wuchs und voll die Leistungen unseres Arbeiter- und Bauern-Staates auf wissenschaftlich-technischem Gebiet würdigt“. Gelobt wurde „sein loyales Verhalten zu unserem Staat‘, auch wenn er aufgrund seiner Erziehung und Ausbildung nicht ‚tiefer in die Probleme der gesellschaftlichen Entwicklung einzudringen‘ vermocht hätte.“ 3)
Verheiratet war Barkhausen seit 1909 mit Hilde Mollier (27.8.1876 Triest – 23.3.1967 Karlsruhe). Das Paar hatte einen Sohn (geb. 1914) und eine Tochter (geb. 1917). Hilde Mollier war die erste Studentin der TH München gewesen. Dadurch, dass Hilde Mollier während des Studiums einen Mann an ihrer Seite hatte, nämlich ihren Bruder Richard Mollier (3o.11.1863 Triest – 13.3.1935 Dresden), war sie als studierende Frau eines so genannten Männerfaches akzeptiert. Richard Mollier, „der seit 1897 als Nachfolger Gustav Zeuners an der TH Dresden lehrte, [hatte seine Schwester] zum Studium der technischen Physik an der TH München ermutigt (..). 4) Hilde Mollier wurde auch die erste Assistentin dieser Hochschule. Sie arbeitete vier Jahre am Laboratorium für Technische Physik und veröffentlichte mehrere Arbeiten. So sind die thermischen Eigenschaften wässriger Amoniaklösungen durch Hilde Mollieres Untersuchungen sehr gut bekannt geworden. Ihre „Stelle als Privatassistentin bei dem Technischen Physiker Oscar Knoblauch [gab sie] auf, nachdem sie 1909 den Elektrotechniker Heinrich Barghausen geheiratet hatte, der 1911 nach Dresden berufen worden war.“ 2)
Da Hilde Mollier kein Abitur hatte – erst ab ca. 1892 wurden die ersten Gymnasialklassen für Mädchen eingerichtet – führte dieser Tatbestand ihr wissenschaftliches Können in die berufliche Sackgasse. Ihr Bruder hingegen wurde Professor für Angewandte Physik und Mechanik und ein Pionier der experimentellen Forschung der Thermodynamik.
Nach der Heirat versuchte Hilde Barkhausen weiterhin wissenschaftlich tätig zu sein. „In den ersten Jahren ihrer Ehe übersetzte Hilde Barghausen zwei englische Arbeiten zur Elektrotechnik und führte vom VDI unterstützte Untersuchungen über Dampfdrücke durch. Nach der Geburt ihrer Kinder zog sie sich allerdings aus der fachlichen Arbeit zurück.“ 5)