Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Norbert-Schmid-Platz

Hummelsbüttel (1975): Norbert Schmid (1939-1971), im Dienst erschossener Polizist.


Unter der Überschrift „Der Mord an diesem Polizisten wurde nie gesühnt“ schrieb der Journalist Olaf Wunder am 30/31. Oktober 2021 in der Hamburger Morgenpost einen Artikel über Norbert Schmid, nach dem nach dessen Tod in Hamburg eine Verkehrsfläche benannt wurde.

Der Polizist Norbert Schmid war 32 Jahre alt gewesen, als er in der Nacht vom 21. auf den 22. Oktober 1971 von Mitgliedern der RAF in Hamburg-Poppenbüttel erschossen wurde. Olaf Wunder schreibt: „Er war das allererste Mordopfer der RAF.“ 1) Und beschreibt den Tathergang wie folgt: „Im dritten Stock des Hauses Heegbarg 13 befindet sich eine konspirative Wohnung der Roten Armee Fraktion. In dieser Nacht findet dort eine Art Vollversammlung statt. Ulrike Meinhof, Holger Meins, Jan-Carl Raspe, Irmgard Möller, Margrit Schiller, Gerhard Müller und einige weitere Komplizen wollen ihren nächsten Coup besprechen. (…) Es ist halb eins, als es Ulrike Meinhof einfällt, sie müsse noch mal telephonieren. Deshalb will sie eine nahegelegene Telefonzelle aufsuchen. Sie fordert Margrit Schiller und Gerhard Müller auf, sie zu begleiten. (…) Was dann passiert, schildert Margrit Schiller später in ihrem ‚Lebensbericht aus der RAFD‘ so:‘Gerhard sagte leise: ‚Achtung, da vorn der Ford mit dem abgeblendeten Licht. Da sitzen zwei Typen drin, das sind bestimmt Bullen‘ (…) Schmidt ist Zivilfander am Polizeirevier 53 in Poppenbüttel. (…) An diesem Tag macht Schmid gemeinsam mit dem 27-jährigen Heinz Lemke Dienst. (…) [Sie] beobachten am S-Bahnhof Poppenbüttel die Leute, die gegen ein Uhr nachts aus der letzten Bahn steigen. Dabei fällt ihnen eine dunkelhaarige Frau auf, die zunächst in einer Kleingartenanlage am Heegbarg verschwindet, dann aber anderswo wieder auftraucht. (…) Schmid und Lemke wollen die Dunkelhaarige kontrollieren, rufen durch das offene Wagenfenster: ‚Halt, Polizei, bleiben Sie stehen!‘ Als die Frau wegzulaufen versucht, gibt Lemke Gas, stellt den Wagen quer, um ihr den Weg zu versperren. Doch die Frau läuft um das Auto herum und rennt über einen Rasen davon. Schmid nimmt zu Fuß die Verfolgung auf. Lemke (…) rennt dann hinterher. Mit einem Mal taucht auch ein Pärchen auf dem Rasen auf. (…) Schmid hat die Dunkelhaarige mittlerweile eingeholt, greift sie am Arm. Mit einem Mal brüllt er durch die Nacht: ‚Mensch, die sind ja bewaffnet!‘ (…) Was dann passiert, schildert Margrit Schiller so: ‚Gerhard, der schon vor Ulrike lief, stoppte, drehte sich mit der Waffe in der Hand um und schoss.‘
Schmid bricht tödlich getroffen zusammen.“ 1)

Olaf Wunder schreibt 2021, dass der Mord nie gesühnt wurde. „Der Terrorist Gerhard Müller, der die tödlichen Schüsse höchstwahrscheinlich abgab, ist später zwar verurteilt worden, aber nur wegen anderer Delikte, nicht wegen des Mordes an Norbert Schmid.“ 1)

Norbert Schmidt war verheiratet mit Sigrun und Vater von zwei kleinen Kindern.

Jochen Lambernd berichtet im NDR über die Verhaftung und den Prozess gegen Gerhard Müller wie folgt: „Im folgenden Jahr [Jahr nach der Ermordung von Norbert Schmid, R. B.] werden bundesweit mehrere RAF-Mitglieder gefasst. So wird am 7. Juni 1972 Gudrun Enslin in einer Hamburger Boutique festgenommen. Auch Gerhard Müller wird wenige Tage später - am 15. Juni 1972 - in Hannover zusammen mit Meinhof geschnappt. Im späteren Stanmheim-Prozess gegen die Anführer der RAF ab 1975 wird Möller von der Bundesanwaltschaft wie ein Kronzeuge behandelt - allerdings ohne rechtliche Grundlage. Sie tritt erst 1989 in Kraft. Seine Aussagen gelten als zentral im Verfahren gegen Baader, Meinhof, Ensslin und Jan-Carl Raspe. Die Anklage gegen Müller wegen Mordes an Schmid wird schließlich fallen gelassen. Zum einen hat Polizeimeister Lemke seine Aussage in der Zwischenzeit abgeschwächt. Er sei sich nicht mehr sicher, was genau er beobachtet hat. Zum anderen sind Aussageprotokolle, in denen Müller sich selbst schwer belastet, nicht an das zuständige Gericht weitergeleitet worden. Denn aufgrund des Paragrafen 96 der Strafprozessordnung ist eine Auslieferung von Schriftstücken untersagt, so sie dem ‚Wohle des Bundes‘ widerspricht. Somit ergeben sich dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 16. März 1976 zufolge ‚trotz schwerer Verdachtsmomente keine hinreichenden Beweise für die Täterschaft Müllers‘. Verurteilt wird Müller trotzdem - allerdings lediglich zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, aus der er 1979 vorzeitig entlassen wird. Der Polizistenmord, so die damaligen Gerüchte, sei Müller ‚geschenkt‘ worden - als ‚Belohnung‘ für seine Aussagen gegen die RAF im Stammheim-Prozess.

Schmids Witwe ist von diesen juristischen Entscheidungen entsetzt und wird auch in den folgenden Jahrzehnten nicht ihren Frieden damit machen können. ‚Der Staat, der von meinem Mann geschützt wurde, hat meinen Mann verraten‘, beklagt Sigrun Schmid 2010 voller Wut und Bitterkeit in der ‚Süddeutschen Zeitung‘. Sie ist 25 Jahre alt, als ihr Mann getötet wird. Das Paar hat zwei kleine Töchter, die sie danach allein versorgen muss, sie kämpft sich der ‚SZ‘ zufolge durch. (…).“ 2)