Uhlandstraße
Hohenfelde (1863): Ludwig Uhland (26.4.1787 Tübingen – 13.11.1862 Tübingen), Dichter, Politiker, Jurist, Literaturwissenschaftlicher
Ludwig Uhland entstammte dem Bildungsbürgertum. Seine Mutter hieß Elisabeth Uhland, geborene Hoser, sein Vater Johann Friedrich Uhland. Dieser war Jurist, Hofgerichtsadvokat und Universitätssekretär in Tübingen.
Nach dem Besuch der Lateinschule sollte Uhland nach dem Willen der Familie ebenso wie sein Vater Jurist werden. Ausschlaggebend für diese Fachrichtung war die Aussicht auf ein Universitätsstipendium für das Studium der Rechte. „Es war also nicht Neigung, welche Uhland zum Jurastudium trieb. Sein ganzes Leben lang betonte er immer wieder einen gewissen Widerwillen der Juristerei gegenüber. (…) Aber Uhland wäre nicht Uhland, wenn er nicht auch ein Brotstudium, ein ungeliebtes Fach, mit Ernst betrieben und erfolgreich absolviert hätte: 1808 besteht er das juristische Schlußexamen, 1810 promoviert er.“1)
Während des Studiums konnte sich Ludwig Uhland auch seiner literarischen Neigung widmen. Nach Beendigung seines Studiums ging Uhland 1810 auf Studienreise nach Paris. Dort sollte er – so dachte es sich sein Vater – seine juristischen Kenntnisse erweitern: Aber Uhland, der vom Mittelalter begeistert war, widmete sich mehr mit Mediävistik.
Als er nach Deutschland zurückgekehrt war, war Uhland fortan als Jurist mit eigener Anwaltskanzlei und als Politiker tätig. „In dieser Zeit (21. März 1812) entstand auch Uhlands wohl bekanntestes Gedicht ‚Frühlingsglaube‘. Der romantische Charakter dieser Verse und die Wahl seiner lyrischen Themen (Natur, Mittelalter) darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihr Verfasser nur in eingeschränktem Sinn als Romantiker betrachtet werden kann. Uhlands wortkarge und nüchterne Art schlägt sich auch in seinen Gedichten nieder, die weniger zu Schwärmerei und Gefühlsergüssen neigen als zur knappen, anschaulichen, präzisen Darstellung von Gegebenheiten. Der Ton ist schlicht und unpathetisch, häufig angelehnt an Volkslieder, mit denen der Autor sich auch wissenschaftlich beschäftigt hat; so wird Uhland zum Volksdichter, dessen Gedichtbände immer wieder neu aufgelegt werden und zum Grundbestand des deutschen Bücherschranks im 19. Jahrhundert gehören.“ 2)
Bekannt als Dichter wurde Uhland durch seinen 1815 erschienenen Gedichtband „Vaterländische Gedichte“.
Uhland behielt seine Kanzlei nicht lange. Ende 1812 gab er diese auf und siedelte nach Stuttgart über, wo er eine Anstellung als zweiter Sekretär des württembergischen Justizministers bekam. Durch diese Stelle erhielt Uhland Einblick in politische Abläufe und Regierungsgeschäfte. Uhland sollte für König Friedrich I. u. a. Berichte über Kriminalfälle abgeben. Schon als Advokat war Uhland des Öfteren als Strafverteidiger tätig gewesen. Was Uhland „ganz entschieden störte und sicherlich auch empörte, das waren die Eingriffe des Königs in die Rechtsprechung, etwa die Verschärfung von Urteilen gegen Straftäter, die sich an königlichem Gut vergriffen hatten.“3) Uhland war ein „engagierter Verfechter der Volksrechte“. 4)
Da die Stelle im Justizministerium unbesoldet war, darüber hinaus der herrschende König willkürlich in die Rechtsprechung eingriff, gab Uhland die Stelle im Mai 1814 auf. Ende des Jahres lernte Uhland wohl Emilie Vischer kennen, seine spätere Ehefrau.
„Im Jahr 1815 berief Friedrich I., der unter der Oberhoheit von Napoleon Bonaparte den Königstitel angenommen hatte, eine allgemeine Ständeversammlung ein, um ihr den Entwurf einer neuen Verfassung vorzulegen. Nun kam es zu einem jahrelangen Ringen um die Bestimmungen dieses württembergischen Grundgesetzes, da die Abgeordneten an den alten Regeln festhalten wollten. In dieser erbitterten Auseinandersetzung wurde Ludwig Uhland am 26. Juli 1815 führender Sprecher der Landstände. Für die Sache des ‚Alten Rechts‘ verfasste er eine Reihe von Gedichten, in denen er die Grundsätze einer Verfassung im Sinn der Landstände darlegte. Da seine Verse bei vielen Versammlungen vorgetragen wurden, wuchs seine Beliebtheit noch weiter,“ 5) heißt es in Wikipedia.
Ludwig Uhlands politischer Grundsatz war: Zuerst kommt das Volk, dann die Herren. Seine politische Einstellung war, wie Karl Moersch anschaulich in seinem Beitrag „Das Altwürttembergische bei Uhland“ beschreibt, folgende: „Eine staatliche Ordnung, deren Grundlage ein Vertrag zwischen Fürst und Volk war – das Volk, in damaliger Zeit repräsentiert durch die Stände -, konnte nicht einseitig vom Fürsten verändert oder gar umgestoßen werden. Der Willkür, so meinten die Altrechtler, seien mit dem Vertrag von Tübingen einst Schranken gesetzt worden und so müsse es bleiben, ein für allemal. Vom Glanz des neuen Königtums wollte man sich nicht blenden lassen (…). Es ging um die rechtliche Begründung einer Gegenmacht zur Königs- oder Fürstenmacht (…).
Uhland empörte sich über (…) dem Adel eingeräumte Sonderstellung und verfaßte eine Flugschrift Keine Adelskammer. (…) Bei der altwürttembergischen Verfassung handle es sich, sagt Uhland, ‚um ein Gesellschaftsverhältnis freier, vernünftiger Wesen‘. ‚Sie gibt dem Volke die Stellung, in der auch ein über Menschenrecht aufgeklärtes Volk sich gefallen darf‘. Was den Adel betreffe, ‚so machen wir ihm seine Rechte nicht streitig. Aber man spreche nicht, wie man groß genug getan hat, von Söhnen Gottes und Söhnen der Menschen, von Geburt gleich Verdienst. (…) Soll uns der Adel ein Halbgott sein. Halbgötter gehören der Fabelzeit an, Mensch ist eine ewige Würde. Darum keine Adelskammer‘“. 6)
Wie ging es mit Ludwig Uhland weiter? Nachdem er seine Stellung im Justizministerium gekündigt hatte, wurde er wieder freier Anwalt. „Aber auch hier verdiente er nicht viel, weil er mit seiner schüchternen, wortkargen Art kaum in der Lage war, seine Mandanten vor Gericht erfolgreich zu vertreten. So ist es kein Zufall, dass er in vielen seiner Fälle als Armen- und Pflichtverteidiger auftrat. In dieser Zeit befand er sich in akuter Geldnot.“ 7)
Die Verfassungskämpfe in den Jahren 1815 bis 1819, in die Uhland politisch involviert war, hatten ihn berühmt gemacht. Dieter Langewiesche schreibt dazu: „Seine Vaterländischen Gedichte, 1816 und 1817 erschienen, machten ihn und den Verfassungsstreit weit über Württemberg hinaus bekannt. (…) 1819, auf dem Gipfel seines jungen Ruhmes und seiner Zukunftshoffnungen, ließ er sich erstmals als Abgeordneter in die zweite Kammer des württembergischen Landtags wählen.“ 8)
Zur selben Zeit verlobte sich Ludwig Uhland im Januar 1820 mit Emilie Auguste Vischer (1799-1881). Sie kam aus einem reichen Calver Kaufmannshaus. Ihr Vater verstarb früh. Nach seinem Tod zog sie mit ihrer Mutter nach Stuttgart, wo diese eine zweite Ehe einging. Doch bereits 1818 verstarb auch die Mutter und Emilie blieb in der Obhut ihres Stiefvaters. Dieser war mit dem Heiratskandidaten seiner Stieftochter einverstanden, und so heirateten Ludwig Uhland und Emilie Vischer im Mai 1820. „Uhlands Hochzeittag, der 29. Mai, fiel noch in diese unruhige [politische] Zeit. Den ganzen Morgen desselben, bis zwei Uhr Mittags brachte er im Ständehaus zu, und sogar nach der Trauung, die um drei Uhr statt hatte, ging er auf kurze Zeit noch einmal dahin zurück.“ 9)
Uhland blieb bis 1826 im württembergischen Landtag. „Doch bereits 1825 lehnte er eine Wiederwahl ab. Enttäuscht über die ‚Witterung der Zeit‘, wie er 1832 seinen Stuttgarter Wählern erklärte. Die ‚Teilnahme des Volkes (werde) immer geringer, die Isolierung der Abgeordneten immer schroffer.‘“ 10)
Uhland widmete sich nun wieder ganz seinen wissenschaftlichen Studien. 1830 erhielt er „den Lehrstuhl seines verstorbenen Lehrers Conz in Tübingen (…) [Professor für deutsche Sprache und Literatur]“ 11) und zog deshalb mit seiner Ehefrau von Stuttgart nach Tübingen. Doch wegen erneuter politischer Betätigung gab er den Posten wieder auf. Uhland ließ sich 1832 wieder für den Landtag aufstellen, denn durch die französische Julirevolution von 1830 hatte sich „in den deutschen Staaten der politische Freiraum erweitert (…).“ 12). Uhland gewann das Mandat, ohne selbst Wahlkampf gemacht zu haben. In Wikipedia wird ein anderer Grund für den Rücktritt vom Amt des Universitätsprofessors angegeben. Dort heißt es: „Nach schweren Konflikten zwischen Landtag und Regierung entzog diese den Landesbeamten den bisher gewährten Urlaub für die Kammersitzungen. Damit befand sich Uhland im Dilemma, er musste zwischen seiner Professur und dem Abgeordnetenamt wählen. Gegen seine innere Neigung entschied er sich dafür, im Landtag auszuharren, weil er sich nicht politisch erpressen lassen wollte. So ging ihm die geliebte Tätigkeit an der Tübinger Hochschule verloren.“13)
Auch diese Zeit als Abgeordneter im Landtag war nur kurz. Dieter Langewiesche schreibt dazu: „Schon Ende 1835 entwarf er (…) eine Rücktrittsrede, in der er vom ‚Scheine eines Verfassungslebens‘ sprach, ‚schlimmer (…) als die offen ausgesprochene Verfassungslosigkeit.‘ 1838 zog er sich schließlich – wie die anderen Häupter der liberalen Opposition, (…) – aus dem Landtag zurück, enttäuscht über die Regierung, enttäuscht über die Mehrheit der Abgeordnetenkollegen, die ihm zu willfährig schienen, und nicht zuletzt auch enttäuscht über die Öffentlichkeit, von der er sich im Stich gelassen fühlte. (…) Seine Hoffnung gab Uhland damit nicht preis. Aber er hoffte nicht mehr auf die Verfassungen und die Verfassungsorgane der einzelnen deutschen Staaten, sondern auf den künftigen Nationalstaat. Im ‚Absterben des kleinstaatlichen Verfassungswesens‘ – so Uhlands eigene Worte – schien sich ihm die Zukunft des ‚größeren vaterländischen Staates‘ anzukündigen.“ 14)
Uhland zog sich erneut aus der Politik zurück und widmete sich wieder ganz der Wissenschaft. In dieser Zeit nahm das Ehepaar Uhland, welches kinderlos geblieben war, „einen Neffen und den Sohn eines verstorbenen Freundes bei sich auf“ 15) und zog in ein größeres Haus mit Obstgarten und einem Weingarten mit kleinem Haus. Uhland widmete sich hier fast ausschließlich seinen wissenschaftlichen Studien. Selbst die zahlreichen Reisen, die das Ehepaar Uhland unternahm, dienten in erster Linie Uhlands Forschungen. Er sammelte Quellen, besuchte Bibliotheken und traf sich mit für seine Forschungen wichtigen Autoren.
„Emilie Uhland ermöglichte ihrem Mann (…) die Arbeit in finanzieller Unabhängigkeit und nahm Anteil an seinen Tätigkeiten.“ 16)
Doch 1848 war es wieder so weit: Uhland „kehrte in die Politik zurück, als die erstarrte politische Ordnung sich revolutionär aufzulösen und neu formbar zu werden schien. Uhland versuchte, der Revolution eine demokratische Zukunft abzugewinnen.“ 17)
Uhland wurde Mitglied des Vorparlaments und: „von den Bürgern seiner Heimatstadt Tübingen mit mehr als 90 Prozent der Stimmen zum Abgeordneten der Nationalversammlung, die ihren Sitz in der Frankfurter Paulskirche hatte, gewählt. Dort hielt er im Allgemeinen zu den Linken, den Demokraten, schloss sich aber keiner Fraktion an. (…)
Uhland meinte, dass das Gelingen des großen Werks, die Schaffung eines deutschen Nationalstaats auf demokratischer Grundlage, letztlich eine Machtfrage war. Eine Verständigung mit den Fürsten erschien ihm als Schwächung der Position des Parlaments. Um eine Gegenmacht zu schaffen, befürwortete Uhland die Volksbewaffnung. Im übrigen sprach er sich für die Abschaffung des Adels aus. (…).“18)
Und wieder scheiterte Uhland. „Die Nationalversammlung wurde von den großen Staaten rechtswidrig für beendet erklärt. Die meisten Abgeordneten verließen das Parlament daher. Die im sogenannten Rumpfparlament zurückbleibenden Demokraten riefen die Bevölkerung zu tätiger Aktion auf, um das Verfassungswerk doch noch in letzter Minute zu retten. Der Text dieses Aufrufs war von Uhland formuliert.
Am 30. Mai 1849 beschlossen die Abgeordneten, den ‚Rumpf‘ von Frankfurt nach Stuttgart zu verlegen, um der südwestdeutschen Aufstandsbewegung näher zu sein. Als dort von der württembergischen Regierung der Sitzungssaal verschlossen wurde und die Delegierten in einem Zug durch die Stadt, mit Uhland an der Spitze, einen anderen Versammlungsort suchten, wurden sie am 18. Juni von Militär auseinandergetrieben. Das war das Ende von Uhlands politischer Betätigung.“ 19)
Nach 1849 zog sich Uhland nun gänzlich aus der Politik zurück und widmete sich wieder seinen privaten wissenschaftlichen Studien. Ein Großteil des Volkes verehrte ihn weiterhin.
Nach seinem Tod schrieb seine Witwe die erste Biographie über ihn.