Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Von-Halem-Straße

Bergedorf/Allermöhe (1995): Nikolaus von Halem (15.3.1905 in der Schweiz – 9.10.1944 Brandenburg), Kaufmann, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.


Geboren als Spross einer adligen Familie, studierte Nikolaus von Halem nach dem in Berlin abgelegten Abitur ab 1922 Jura in Göttingen, Leipzig, München und Heidelberg. 1931 heiratete er und bekam zwei Kinder. Nikolaus von Halem war während seiner Studienzeit Mitglied im Corps Saxo-Borussia in Heidelberg, aus dem er aber wegen des Vorwurfes, durch Trunkenheit öffentliches Ärgernis erregt zu haben, ausgeschlossen wurde.

„Politisch stand der junge Halem der nationalsozialistischen Rechten nahe: Am 9. November 1923 beteiligte er sich im Rahmen des Hitlerputsches der Nationalsozialisten am Marsch auf die Münchner Feldherrenhalle. Enge Kontakte pflegte von Halem außerdem zur ‚Schwarzen Reichswehr‘. In späteren Jahren ging Halem auf dezidierte Distanz zu den Nationalsozialisten. Seit etwa 1930 spielte er eine führende Rolle in dem katholisch-konservativen Kreis, der sich um den Berliner Privatgelehrten Carl von Jordans sammelte und der es sich zum Ziel gesetzt hatte, die nationalsozialistische Bewegung von der Macht fernzuhalten. (…)

Wenige Monate nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler (…) brach Halem sein Rechtsreferendariat im Sommer 1933 ab, um ‚nicht den Eid auf Hitler leisten zu müssen‘. (…)

Seit 1936 war Halem als Pressereferent beim Reichskommissar für die Preisbildung tätig. In den Jahren vor 1938 arbeitete Halem als Berliner Verbindungsmann seines Freundes Wilhelm von Ketteler gegen die Bestrebungen der NS-Führung, die Republik Österreich dem Deutschen Reich einzuverleiben. (…)

1940 übernahm Halem – wahrscheinlich auf Vermittlung seines Freundes Hubert von Ballestrem – eine führende Stellung in der Graf-Ballestremschen-Güterverwaltung. Diese Tätigkeit diente ihm dabei vor allem als Fassade zur Tarnung seiner auf ein neuerliches Attentat und den politischen Umsturz gerichteten Pläne. So nutzte er Geschäftsreisen ins Ausland, um Kontakte zu NS-kritischen politischen Kreisen in England und anderswo aufzubauen.“ 1)

Von Halem war ein erbitterter Gegner des Krieges. Er favorisierte die Idee, Deutschland in Fürstentümer aufzulösen und Otto von Habsburg als Kaiser auf den Thron zu heben. Um Hitler zu „beseitigen“, bot von Halem Josef Römer Geld, um einen Attentäter zu besorgen.

Im Februar 1942 wurde von Halem verhaftet, kam in verschiedene Gefängnisse und Konzentrationslager. 1944 wurde gegen ihn „Anklage beim Volksgerichtshof erhoben. Halem wurde wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt und im Zuchthaus Brandenburg erhängt.“ 1)

Verheiratet war Nikolaus von Halem seit 1931 mit Victoria Marie, geborene Garbe (1902-1987). Das Paar hatte zwei Söhne. Im Hinblick auf seine politischen Widerstandsaktivitäten äußerte er einmal: „Nur feige Charaktere behaupten, daß man sich nicht politisch exponieren dürfe, wenn man Frau und Kinder hat. (...) Es gibt Gründe, die einen verpflichten, nicht an seine Familie zu denken, sondern allein der Gerechtigkeit, dem Anstand und der Ehre zur Geltung zu verhelfen.“ 2) Dennoch trug er nach seiner Verhaftung große Sorge um seine Frau und die gemeinsamen Kinder. In einem Abschiedsbrief: „schrieb Halem am 16. Juni 1944 an den engen Freund Karl Ludwig Freiherr von Guttenberg, den Herausgeber der ‚Weißen Blätter‘: ‚Muß ich sterben oder ohne Aussicht auf Rettung in einer Vorform der Unterwelt versinken, so verliere ich nicht mich, wohl aber Euch alle, an denen mein Herz hängt. Ich kann nicht davon sprechen, mit welcher schmerzlichen Innigkeit ich an Viktoria und die Kinder denke, und wie mich die Sorge um ihre Zukunft peinigt. Mir bleibt nichts als das Vertrauen auf den ritterlichen Kreis der Freunde, daß er sich um die Verlassenen stelle und ihnen in ihrer Bedrängnis Schutz biete. Lasst Viktoria und die Kinder nicht im Stich, Du und die anderen Freunde. Denke daran, wie viel schwerer V.s Schicksal in einem solchen Falle ist, als das einer Kriegerwitwe. Helft V., mein Andenken zu bewahren und bestätigt durch Eure Freundschaft, auch für meine Söhne, daß mein Ende traurig und ohne Glanz, aber auch ohne Schuld war und nicht gnädig. Auch deshalb stehe ich hier und muß große Leiden erdulden, weil ich einer von Euch bin und weil die heimtückische Niedertracht nicht nur die Person, sondern die Art haßt. Tretet für diese Art ein, die ihr ja selbst seid, auch wenn sie in meinen kleinen Söhnen bedroht wird, und gebt ihnen Rat, Hilfe, Förderung und Verteidigung. Lehrt sie, was auch die beste Mutter nicht kann: ‚Speere werfen und die Götter ehren‘, und duldet nicht nur, sondern sorgt auch dafür, daß sie meinen Platz in Eurer Mitte einnehmen.‘ Karl Ludwig von Guttenberg ist selber am 9. April 1945 erschossen worden.“ 2)

Von Halem und Antisemitismus
Der Historiker Felix Sassmannshausen schreibt in seinem für das Land Berlin verfassten Dossier über Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen in Berlin: „Halem gehörte zum Widerstandskreis des 20. Juli 1944. Im Jahr 19223 war er am Marsch auf die Münchener Feldherrenhalle, dem sogenannten Hitlerputsch beteiligt. Auch pflegte er enge Kontakte zur rechtsradikalen, antisemitischen Schwarzen Reichswehr. Von der NSDAP und Hitler distanzierte er sich später, ob er sich auch vom Antisemitismus distanzierte, ist nicht belegt.“3) Sassmannshausen gibt als Handlungsempfehlung für den Umgang mit diesem Straßennamen: „Kontextualisierung, weitere Forschung, gegebenenfalls Umbenennung.“ 3)

Zusammengestellt von Cornelia Göksu