Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Heinrich-Kock-Weg

Lokstedt seit 2017: Heinrich Kock (1904-1990), seit 1927 Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Lokstedt von 1885, seit 1946 stellvertretener Wehrführer, von 1948-1965 Wehrführer, seit 1974 Ehrenwehrführer; 1961 ausgezeichnet mit dem Deutschen Feuerwehrehrenkreuz 2. Stufe des Deutschen Feuerwehrverbandes


Die erste Wahl war Heinrich Kock nicht für die Benennung der neuen Straße im Neubaugebiet auf dem ehemaligen Gelände der Tiefbaufirma Burmeister an der Süderfeldstraße in Hamburg Lokstedt. Die Bezirksversammlung Eimsbüttel favorisierte Fiet Evers. Doch als sie ihre Empfehlung an die Kulturbehörde als zuständige Behörde für die Vergabe von Verkehrsflächen, gegeben hatte und das Staatsarchiv daraufhin eine Überprüfung des Namens vornahm, musste das Staatsarchiv bei dem Namensgeber eine Mitgliedschaft in der NSDAP feststellen. Deshalb musste nach einem neuen Namensgeber bzw. -geberin gesucht werden und die Wahl fiel auf Heinrich Kock. Dazu heißt es in einem Artikel des Niendorfer Wochenblatts vom 5. April 2017 unter der Überschrift: „Straße in Lokstedt wird nun doch nicht nach Fiet Evers benannt“: „Wie bereits mehrfach berichtet, hatte das Bezirksamt Eimsbüttel im Auftrag des Regionalausschusses Lokstedt nach einem Namen für die neue Straße rund um das Wohnungsbauprojekt Süderfeld Park gesucht. Wochenblatt-Leser durften sich mit Ideen beteiligen. Der Regionalausschuss stimmte in einer Sitzung über die eingegangenen Vorschläge ab – und folgte einstimmig dem Vorschlag der Freiwilligen Feuerwehr Lokstedt sowie der Empfehlung des Geschichtsvereins Forum Kollau, die neue Straße nach dem ehemaligen Lokstedter Feuerwehrhauptmann Fiet Evers zu benennen. Die Überprüfung durch das Hamburger Staatsarchiv schien da eigentlich nur noch reine Formsache. Eigentlich. Denn Mitarbeiter stießen in einem nur ihnen zugänglichen Archiv auf Dokumente, die belegen, dass Evers zur Zeit des Nationalsozialismus Mitglied der NSDAP war. ‚Das ist selbstverständlich ein nachvollziehbarer Ausschlussgrund für eine Benennung‘, sagt der Regionalbeauftragte des Bezirks Eimsbüttel, Dr. Michael Freitag, im Gespräch mit dem Niendorfer Wochenblatt. Nichtsdestoweniger hätten Verwaltung und Regionalausschuss an der Absicht festhalten wollen, die ehrenamtliche Leistung der Lokstedter Kameraden zu würdigen. ‚Wir haben daher die Feuerwehr um Alternativvorschläge gebeten und diese direkt vom Staatsarchiv prüfen lassen‘, so Freitag weiter. (…) Heinrich Kock (1904-1990) trat der Lokstedter Feuerwehr am 17. April 1927 bei und ‚führte diese nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zu einer vorbildlichen Feuerwehr‘, heißt es in der Begründung. Von März 1946 bis März 1948 war Kock stellvertretender Wehrführer und danach bis zu seinem Ausscheiden aus dem aktiven Feuerwehrdienst im Jahre 1964 Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Lokstedt. 1961 wurde er mit dem Deutschen Feuerwehrehrenkreuz zweiter Stufe vom Deutschen Feuerwehrverband in Würdigung seiner hervorragenden Leistungen auf dem Gebiet des Feuerwehrwesens ausgezeichnet. Anlässlich seines 70. Geburtstags im Jahr 1974 ernannten seine Kameraden ihn außerdem zum Ehrenwehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Lokstedt.“ [1]

Nach Feuerwehrmännern sind im Laufe der Jahrzehnte in Hamburg mehrere Straßen benannt worden. Aber auch verdiente Altenpflegerinnen und Kindergärtnerinnen hätten es einmal verdient, dass nach ihnen eine Verkehrsfläche benannt wird. Doch bisher ist in Hamburg noch keine Straße nach einer Frau, die in diesen Berufsgruppen Herausragendes geleistet hat, benannt worden, obwohl es gerade auch für diese Berufsgruppen sehr wichtig wäre, sie mehr in den Vordergrund zu stellen, um die lebensnotwendige Arbeit, die dort geleistet wird, aufzuwerten. Das gilt ebenso für die äußerst wichtige Arbeit, die Krankenschwestern leisten. Auch diese Berufsgruppe hätte es dringend verdient, aufgewertet zu werden, indem man zum Beispiel nach einer verdienten Krankenschwester eine Verkehrsfläche benennt: Der Heinrich-Kock-Weg befindet sich direkt gegenüber dem Universitätskrankenhaus Eppendorf.

Heinrich Kock trat in der NS-Zeit zwar nicht der NSDAP bei, was man den Entnazifizierungsakten, die sich im Hamburger Staatsarchiv befinden, entnehmen kann (Staatsarchiv Hamburg Bestandsnummer: 221-11, Signatur: T 15422), er wurde aber Mitglied von NS-Organisationen. In seinem Entnazifizierungsfragebogen ist nachzulesen, dass der am 7.5. 1904 in Hamburg-Lokstedt geborene Heinrich Kock, der von Beruf Maurer war, von 1935 bis 1940 Mitglied der Deutschen Arbeitsfront (DAF) und von 1939 bis 1945 Mitglied der Nationalsozialisten Volkswohlfahrt (NSV) gewesen war. [2]

Die Deutsche Arbeitsfront wurde im Mai 1933 gegründet und war ein rechtlich der NSDAP angeschlossener Verband „mit ca. 23 Mio. Mitgliedern (1938) die größte NS-Massenorganisation. Als Einheitsgebilde ‚aller schaffenden Deutschen‘ konzipiert, schuf ihr Reichsleiter Robert Ley ein vielgliedriges, bürokratisch aufgeblähtes Organisationsimperium, mit dem er nahezu alle Felder der nat.soz. Wirtschafts- und Sozialpolitik einzudringen trachtete. Entscheidender Einfluß auf materielle Belange in diesem Bereich blieb der DAF jedoch verwehrt, vielmehr musste sie sich auf die allgemeine Betreuung und weltanschauliche Schulung ihrer Mitglieder beschränken.“ [3] „Ihr ‚hohes Ziel‘ sei ‚die Erziehung aller im Arbeitsleben stehenden deutschen zum nationalsozialistischen Staat und nationalsozialistischer Gesinnung.‘“ [4]

Die NSV war mit „17 Mio. Mitgliedern (1943) nach der Dt. Arbeitsfront die größte (…)NS-Massenorganisation.(…) Ihren Anspruch auf Monopolisierung der gesamten freien und öffentlichen Wohlfahrt konnte die N. zwar nicht realisieren, doch gelang es ihr, die in der freien Wohlfahrtspflege tätigen Verbände zurückzudrängen bzw. gleichzuschalten (…). Angesichts der ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel (Mitgliedsbeiträge, Spenden, staatliche Zuwendungen) war es ihr möglich, in alle Bereiche der Wohlfahrt zu expandieren (…). Aufgrund ihrer scheinbaren Ideologieferne war die Arbeit der N. populär und die Mitgliedschaft erschien auch für diejenigen, die dem Regime eher zögernd oder kritisch gegenüberstanden, aber aus Opportunitätsgründen in eine Parteiorganisation eintreten wollten, akzeptabel.Tatsächlich war die Arbeit der N. von rasse- und erbbiologischen Selektionskriterien bestimmt (…).“ [5] „Aufgrund ihrer scheinbar ideologiefernen sozialen Aktivitäten trug die NSV zum Erhalt des NS-Regimes, zur Stabilisierung der ‚inneren Front‘ bei.“ [6]

Der Heinrich-Kock-Weg führt direkt von der Süderfeldstraße in den neuen Wohnkomplex auf dem ehemaligen Gelände der Tiefbaufirma Gustav Burmeister. Diese Firma beschäftigte während der NS-Zeit Zwangsarbeiter. Auf dem ehemaligen Betriebsgelände, auf dem nun Wohnungen gebaut wurden und ein kleiner Park entstand, befand sich zwischen Juli 1941 und September 1941 eine Baracke für 116 belgische Arbeiter. Siehe dazu die Hamburger Karte mit den eingezeichneten Zwangsarbeiterlagern unter www.zwangsarbeit-in-hamburg.de

„Der Hamburger Gauleiter Karl Kaufmann entschied im März 1941, dass alle ausländischen Arbeitskräfte in Lagern unterzubringen seien, um so eine bessere Überwachung zu gewährleisten. Es gab Lager unter der Verwaltung der Deutschen Arbeitsfront (DAF), Lager unter ausschließlicher Verwaltung der Betriebe, sowie Mischformen, bei denen die DAF [deren Mitglied Heinrich Kock war, R. B.] nur den Lagerleiter stellte. Außerdem wurden Gemeinschaftslager eingerichtet, in denen mehrere Betriebe ihre ausländischen Arbeitskräfte unterbrachten. Viele der Lager waren Barackenlager, aber auch Schulen, Festsäle in Gasthäusern, Lagerhäuser und andere Gebäude dienten als Unterkünfte für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Verpflegt wurden sie meist von Werksküchen oder großen Fernverpflegungsküchen. Das Essen war in Menge und Qualität unzureichend, insbesondere für die osteuropäischen Arbeitskräfte; ständiger Hunger und Unterernährung waren die Folge.“ [7]