Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Reitzeweg

Groß Borstel, seit 1951, benannt nach Johanne Caroline Agnes Reitze, geb. Leopolt (16.1.1878 Hamburg – 22.2.1949 Hamburg), SPD-Reichstagsabgeordnete, führende Funktionärin der sozialdemokratischen Frauenbewegung


Ihr Grabstein steht im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof.

Siehe auch: Johanne-Reitze-Weg

Johanne Reitze entstammte einer Arbeiterfamilie. So war ihr Bildungsweg vorprogrammiert: Volksschule, Arbeit als Dienstmädchen, später als Arbeiterin. Johanne Reitze war in einer Druckerei tätig. Dort lernte sie Kollegen und Kolleginnen kennen, die sie mit der Arbeiterbewegung vertraut machten, so dass sie 1902 den Entschluss fasste, in die SPD einzutreten.

Zwei Jahre zuvor hatte sie den sozialdemokratischen Journalisten Johannes Carl Kilian-Reitze geheiratet. Auch er wird ihren politischen Weg beeinflusst haben. Zusammen mit ihm ging sie 1904 für ein halbes Jahr auf die Parteischule nach Berlin.

Von 1916 bis 1919 war sie Vorstandsmitglied im Landesvorstand der Hamburger SPD und bis 1931 regelmäßig Delegierte bei den SPD-Frauenkonferenzen und SPD-Parteitagen auf Reichsebene. So war sie sicherlich daran beteiligt, als im April 1918 erstmals eine gemeinsame Kundgebung der bürgerlichen und sozialdemokratischen Frauen für das Frauenstimmrecht im Hamburger Gewerkschaftshaus stattfand. Die Zusammenarbeit zwischen bürgerlichen und sozialdemokratischen Frauen war durch die schon während des Ersten Weltkrieges zustande gekommene Kooperation auf dem Gebiet der Kriegshilfe entstanden. Der Anstoß für die Zusammenarbeit in der Kriegshilfe war vom SPD-Parteivorstand und der Generalkommission der freien Gewerkschaften ausgegangen. Sie riefen, nachdem „die sozialdemokratische Reichstagsfraktion für die Bewilligung der Kriegskredite gestimmt hatte, die Genossinnen (...) zu einer ‚allgemeinen Hilfsaktion‘ auf. Um eine Zersplitterung der Kräfte in der Kriegsfürsorge zu vermeiden, sollten sie gemeinsam mit den bürgerlichen Frauen im Nationalen Frauen Dienst tätig werden. Diese Aufforderung entsprach der Burgfriedenspolitik, die die Mehrheit in der SPD-Führung [so auch Johanne Reitze] seit Kriegsbeginn in dem Glauben betrieb, daß Deutschland einen ,Verteidigungskrieg gegen den russischen Despotismus‘ führe“. 1)

Neben dieser Tätigkeit in der Kriegshilfe war Johanne Reitze auch Beiratsmitglied des Hamburger Kriegsversorgungsamtes und des Speiseausschusses der Kriegsküchen und arbeitete für die Kriegsfolgehilfe und die Kriegshinterbliebenenfürsorge.

Von 1919 bis 1921 war sie Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und von 1919 bis 1933 Mitglied des reichsweiten SPD-Parteiausschusses.

Ein Höhepunkt ihrer Parteikarriere stellte die 1919 erfolgte Wahl in die Nationalversammlung dar. 310 Frauen waren für die Wahl aufgestellt worden. Das war sehr viel und lag daran, dass nach der Novemberrevolution auch die bürgerlichen Parteien, die sich bis dahin gegen die staatsbürgerliche Gleichstellung der Frauen gewehrt hatten, die Frauen „entdeckt“ hatten – schließlich waren diese potenzielle Wählerinnen. Allerdings wurden nur 36 Frauen in die Nationalversammlung gewählt, drei rückten nach. Damit machten die Parlamentarierinnen 9,6% aller ParlamentarierInnen in der Nationalversammlung aus. Unter ihnen war Johanne Reitze lange Zeit die einzige weibliche Abgeordnete aus dem Wahlkreis Hamburg.

Das Hauptbetätigungsfeld der Politikerinnen waren die „angestammten“ so genannten Frauenbereiche wie Sozialpolitik, Wohlfahrtspflege, Jugend-, Gesundheits- und Schulpolitik. Dadurch war es den Politikerinnen nicht möglich, in allen Politikfeldern die Interessen der Frauen einzubringen. Die „Große Politik“ richtete sich weiter nach den Interessen der männlich dominierten Gesellschaft.

Über das Wirken Johanne Reitzes während der NS-Zeit ist kaum etwas bekannt. 1944 wurde sie von der Gestapo verhaftet und kam in „Schutzhaft“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie am Wiederaufbau der Arbeiterwohlfahrt beteiligt.