Richard-Gödeke-Weg
Bergedorf (1994): Ernst Friedrich Richard Gödeke (8.10.1894 Hannover-1981), vor 1933 Vorsitzender der Gemeinnützigen Siedlung „Nettelnburg“ bis 1933 und ab 1945
Die gemeinnützige Siedlung Nettelnburg war auf Initiative des sozialdemokratisch orientierten Reichsbundes für Kriegsteilnehmer, Kriegsgeschädigte und Kriegshinterbliebene zwischen 1921 und Ende der 1930er-Jahre im Heimatschutzstil entstanden. Die meisten Bewohnerinnen und Bewohner waren Arbeiterinnen, Arbeiter oder Handwerker, die der SPD nahe standen, weshalb manche auch von der „roten Siedlung“ sprachen. Bei den letzten, bereits unter dem Eindruck des NS-Terrors durchgeführten Reichstagswahlen vom 5. März 1933 erhielt die SPD dort noch 65,00 Prozent der Wählerstimmen, die KPD 13,20 Prozent. Die NSDAP kam auf 16,37 Prozent. Im April 1933 begann die Gleichschaltung. Richard Gödeke als Vorsitzender der Siedlung wurde seines Amtes enthoben, die Zeitschrift „Der Nettelnburger Siedler“ umbenannt und die Redaktion ausgewechselt. Auch Letzteres betraf Richard Gödeke direkt. In seinem Entnazifizierungsbogen gab er zudem an, kurzzeitig inhaftiert gewesen zu sein, weil er sich gegen die Gleichschaltung der Siedlung ausgesprochen hätte.
Noch im selben Jahr trat er in die Deutsche Arbeitsfront (DAF) ein. Die nach dem Führerprinzip aufgebaute Organisation war nach Abschaffung der freien Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten am 10.5.1933 gegründet und im Oktober 1934 offiziell der NSDAP angeschlossen worden. Sie sollte keine Arbeitnehmerinteressen vertreten, sondern „den Klassenkampf beseitigen“. Ein Aufruf vom 27.11.1933 formulierte als Aufgabe der DAF „die Zusammenfassung aller im Arbeitsleben stehenden Menschen ohne Unterschied ihrer wirtschaftlichen und sozialen Stellung. In ihr soll der Arbeiter neben dem Unternehmer stehen, nicht mehr getrennt durch Gruppen und Verbände, die der Wahrung besonderer wirtschaftlicher oder sozialer Schichtungen und Interessen dienen.“ Ihr Ziel sei „die Erziehung aller im Arbeitsleben stehenden deutschen zum nationalsozialistischen Staat und nationalsozialistischer Gesinnung“.
Beruflich war Richard Gödeke ab 1930 als Abteilungsleiter bei der Generalagentur für Hamburg und Schleswig-Holstein der Nord-Deutschen Versicherungsgesellschaft beschäftigt. Da er für die Firma unabkömmlich war, wurde er nicht zum Militäreinsatz im Zweiten Weltkrieg herangezogen. Als unabkömmlich galten während des Zweiten Weltkrieges all jene Fachkräfte, die zur Durchführung einer Reichsverteidigungsaufgabe der Kriegswirtschaft, des Verkehrs oder der Verwaltung unentbehrlich und unersetzbar waren. 1943 und 1944 reiste Gödeke insgesamt viermal beruflich in die Tschechoslowakei. Zweck der Reisen waren Auseinandersetzungen mit der Klöckner-Humboldt-Deutz AG über Versicherungsverträge und Verlustverrechnungen. Klöckner-Humboldt-Deutz stellte während des Zweiten Weltkriegs vor allem Rüstungsgüter für die Wehrmacht her.
Nach dem Ende des NS-Regimes 1945 hatte Richard Gödeke wieder den Vorsitz der Nettelnburger Siedlung inne, in der er auch seit Anbeginn in der Nettelnburger Straße 47 wohnte. 1993, rund zwölf Jahre nach seinem Tod, erhielt die nördliche Verlängerung des neu angelegten Nettelnburger Kirchenwegs den Namen Richard-Gödeke-Weg.
Text: Frauke Steinhäuser