Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Walther-Kunze-Straße

Altona-Altstadt/Altona-Nord (1984): Walt(h)er Kunze (9.7.1898 Treuenbrietzen - Dezember 1977), Bezirksamtsleiter von Altona.


Walter (wie er sich selbst schrieb) Kunze war der Sohn eines Lehrers. Nach dem Abitur studierte er von 1919 bis 1924 an der damaligen Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin (ab 1949 Humboldt-Universität) Volkswirtschaft und Philosphie, unterbrochen 1921 von einem Semester an der Universität Heidelberg. Im Ersten Weltkrieg leistete er ab 1916 Kriegsdienst bei der Infanterie. Nach Kriegsende 1918 trat er in den Demokratischen Studentenbund und in die Deutsche Demokratische Partei (DDP) ein. Von 1921 bis 1923 war er Mitglied der Berliner Studentenvertretung und Fraktionsvorsitzender des Deutschen Hochschulbundes. Im Februar 1924 promovierte ihn die Friedrich-Wilhelms-Universität mit der Arbeit "Die Einwirkung des englisch-französischen Geschwaders auf die Landkämpfe an der flandrischen Küste in der zweiten Oktoberhälfte 1914" zum Dr. phil.

Kunze gehörte außerdem dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold an und war dessen Ortsgruppenvorsteher in Beuthen und Oppeln. Der Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold - Bund republikanischer Kriegsteilnehmer war eine von Sozialdemokraten dominierte militant orientierte Organisation, 1924 gegründet von den drei Parteien der Weimarer Koalition (SPD, Zentrum und DDP) und den Gewerkschaften mit dem Ziel, die parlamentarische Demokratie vor ihren links- und rechtsextremistischen Feinden zu schützen.

Von 1924 bis 1932 arbeitete Kunze als Geschäftsführer bei den DDP-Kreisverbänden im Osthavelland und in Hessen-Darmstadt sowie als Hauptgeschäftsführer in Berlin. Von 1933 bis 1936 war er arbeitslos, anschließend bis April 1937 in der Gemeindeverwaltung Falkensee tätig und von August 1937 bis Ende 1942 als Lagerverwalter bei den Siemens-Schuckert-Werken, die durch die Herstellung von Munition auch von der Kriegswirtschaft profitierten. Danach arbeitete Kunze von Januar 1942 bis Kriegsende als Sachbearbeiter bei der Reichsstelle für Garten- und Weinbauerzeugnisse. Diese war 1938 mit der Überwachungsstelle für Gartenbau-Erzeugnisse, Getränke und sonstige Lebensmittel im Juli 1943 zusamengelegt worden; Letztere bestand nach Stilllegung der Reichsstelle im Juli 1943 weiter. Bereits im April 1943 war Kunze zur Luftwaffe eingezogen worden und geriet am 8. Mai 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft. In der NS-Zeit trat er nicht der NSDAP bei.

Nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft im November 1945 trat er in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) in die gerade gegründete Liberal-Demokratischen Partei (LDP) ein.

1946 arbeitete er zunächst als Referent im Informationsamt der Provinzialverwaltung der Mark Brandenburg. Im selben Jahr wählte ihn die LDP zum Ortsgruppenvorsitzenden in Falkensee, Gemeindevertreter in Falkensee und Kreistagsabgeordneten für den Kreis Oberhavel. Von Dezember 1946 bis März 1948 war Kunze dann als einziger Liberaldemokrat in einer von der SED dominierten Landesregierung Finanzminister in Brandenburg und Mitglied des Landtags, von März 1947 bis März 1948 zugleich Erster Vorsitzender des LDP-Landesvorstandes Brandenburg und von Juli 1947 bis März 1948 auch Mitglied des LDP-Zentralvorstandes.

Ins Visier der SED und der Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) geriet Kunze, weil er als Minister im Oktober 1947 aus Protest nicht an der Veranstaltung teilnahm, auf der die SMAD das entkernte Henningsdorfer Stahl- und Walzwerk als eines der ersten volkseigenen Betriebe der Landesregierung Brandenburg zum Wiederaufbau übergab. Er hatte an den sozialistischen Parolen und Propagandasprüchen auf dem Betriebsgelände Anstoß genommen. 1927 hatte der Friedrich-Flick-Konzern das Henningsdorfer Werk 1927 von der AEG gekauft; es erfüllte im Nationalsozialismus vor allem Rüstungsaufträge und beschäftigte Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es demontiert und in die Sowjetunion transportiert worden.

Darüber hinaus kritisierte Kunze wiederholt die Bevorzugung der volkseigenen Betriebe und wandte sich gegen den von der SED gesteuerten Deutschen Volkskongress. Dieser fand erstmals im Dezember 1947 statt und bestand aus 2000 Deligierten, die überwiegend aus der SBZ kamen und zu einem geringen Teil aus den Westzonen. Seine wichtigste Forderung war die nach einer zentralen deutschen Regierung. Der Kongress war unter den Parteien in der SBZ stark umstritten. Die CDU weigerte sich teilzunehmen, die LDP entschied sich unter starkem Druck der Sowjetischen Besatzungsmacht und gegen den Willen der meisten Landesverbände für eine Teilnahme. Entscheidender Kritikpunkt war der undurchsichtige Modus, mit dem die Delegierten für den Volkskongress ermittelt wurden. So besaßen die SED und die von ihr kontrollierten Massenorganisationen ein deutliches Übergewicht gegenüber den beiden bürgerlichen Parteien.

Kunzes Verhalten führte im Zuge der Auseinandersetzung zwischen bürgerlichen Politikern, Kommunisten und der sowjetischen Besatzungsmacht in der Entstehungsphase der DDR schließlich dazu, dass seine Parteifreunde ihn als brandenburgischen Finanzminister nicht mehr unterstützten, er abgesetzt wurde und der Brandenburgische Innenminister Bernhard Bechler (SED) ihn beschuldigte, ein West-Spion zu sein. Damit drohte ihm die unmittelbare Verhaftung.

Anfang April 1948 floh er mit seiner Familie aus Potsdam über Berlin in die Westzonen. Dort trat er der FDP bei. Ab August 1948 lebte er in Hamburg und arbeitete als Redakteur bei der Welt am Sonntag, die im selben Monat als Beilage zur damals noch liberalen Tageszeitung Die Welt gegründet worden war. Anfang Mai 1954 wurde er Bezirksleiter ("Bezirksbürgermeister") von Altona, dieses Amt hatte er bis Juli 1963 inne. Bis 1959 war er zudem Vorsitzender des LDP-Bundesbeirats der FDP.

Text: Frauke Steinhäuser