Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Bennigsenstraße

Harburg (1927): Rudolf von Bennigsen (10.7.1824 Lüneburg -7.8.1902 auf Gut Bennigsen), Oberpräsident der Provinz Hannover.
2020 mitbenannt nach dessen Tochter Adelheid Julie Luise Wilhelmine von B. (1861-1938), Mitbegründerin des Christlich-Sozialen Frauenseminars in Hannover und Mitherausgeberin der Evangelischen Frauenzeitung (Amtlicher Anzeiger Nr. 59 vom 30.6.2020)


Vor 1927 hieß die Straße 3. Bergstraße.

Rudolf von Bennigsen war der Sohn von Elise de Dompierre von Jonquière (1801-1886), Tochter eines Generalleutnants, die den Generalmajor Karl Ernst Gebhard von Bennigsen (1789–1869) geheiratet hatte.

Rudolf von Bennigsen studierte Jura, und nachdem er 1852 zuerst in Hannover zweiter Staatsanwalt und dann Richter in Göttingen geworden war, heiratete er 1854 Anna Luise Wilhelmine von Reden (10.4.1834 Halstenbeck – 1902). Ein Jahr später wurde er zum Abgeordneten in die zweite Kammer des hannoverschen Landstags gewählt, wo er der nationalliberalen Opposition angehörte. Als 1856 das erste Kind geboren wurde, war er nicht mehr als Richter tätig. Dies Amt hatte er niedergelegt, „als ihm die Regierung eine zeitweilige Beurlaubung für die parlamentarische Arbeit verweigerte, Bruch mit den Grundsätzen des Adels, Übernahme des Gutes Benningsen von seinem Vater.“ 1)

Obwohl Bennigsen bis 1871 Vater von neun Kindern wurde, schadete dies seiner Karriere nicht. 1859 gründete er den Nationalverein, „dessen Vorsitzender er bis 1867 blieb. Engagement für die deutsche Reichseinheit. (….) 1867 Abgeordneter der Reichstags des Norddeutschen Bundes und des Preußischen Abgeordnetenhauses, Vorsitzender der Nationaliberalen Partei. 1868 Landesdirektor von Hannover. 1871 nach der Reichsgründung: Abgeordneter des Deutschen Reichstages und Führer der Nationalliberalen im Deutschen Reichstag. 1873-79 Präsident des Deutschen Abgeordnetenhauses. 1878 Bruch mit Bismarck u. a. wegen des Sozialistengesetzes, 1881 Spaltung der Nationalliberalen. 1883 Benningsen legt alle Abgeordnetenmandate nieder. 1887 erneues Reichstagsmandat, Vorsitz der Nationalliberalen Partei. 1888 von Kaiser Wilhelm I. zum Oberpräsidenten der Provinz Hannover benannt. 1898 Niederlegung des Abgeordnetenmandates und Rücktritt als Oberpräsident, Ruhestand.“ 1)

Rudolf von Bennigsen soll ein „glühender Verfechter kolonialer Expansionsziele“ 2) gewesen sein. In seiner Funktion als Oberpräsident der Provinz Hannover soll Bennigsen: „die angebahnte wirtschaftliche Ausrichtung Harburgs und speziell die Interessen der koloniale Rohstoffe verarbeitenden Großbetriebe nach Kräften“ unterstützt haben. 3)

Auch Bennigsens Sohn, der denselben Namen wie sein Vater erhielt, unterstützte den Kolonialismus, indem er Kolonialbeamter wurde.Siehe dazu unter: www.freedom-roads.de zur Wanderausstellung „Freedom roads! Koloniale Straßennamen. Hier heißt es: „Bennigsen, Rudolf von (1859-1912), Kolonialbeamter in Tansania (1885-1919: 'Deutsch-Ostafrika'), 1899-1901 Gouverneur von 'Deutsch-Neuguinea', 1909-1912 Direktor der Deutschen Kolonialgesellschaft für Südwestafrika.“ 4)

Bennigsens Tochter Adelheid (23. 9.1861 Lüneburg – 16.12.1938 Hannover) war „eine der beiden Gründerinnen des Christlich-Sozialen Frauenseminars, die nach der Hochschulreform nun zur Hochschule Hannover gehört. Adelheid von Bennigsen war eine der Wegbereiterinnen in der Sozialarbeit, die sie am Vorbild der Caritas orientierte.“ 5)

Schon in ihrer Jugend unterrichtete Adelheid von Bennigsen ihre Nichten. Der Sozialarbeitswissenschaftler Peter Reinicke schreibt über Adelheid von Bennigsens Werdegang: „Durch die Bekanntschaft und spätere Freundschaft mit Paula Müller-Otfried, der Vorsitzenden des DEF [Deutsch-Evangelischer Frauenbund], kam sie in Berührung mit sozialen Fragen und Problemen und engagierte sich im sozialen Bereich in der Region Hannover. Beispielsweise wirkte sie im Provinzialverband der ‚Evangelischen Frauenhilfe‘ und im DEF mit, in dem sie von 1901 bis 1929 Vorstandsfunktionen innehatte.“ 6) Außerdem war sie von 1923 bis 1932 Herausgeberin der Evangelischen Frauenzeitung. Darüber hinaus war sie nicht nur eine der beiden Gründerinnen der 1905 gegründeten Christlich-Sozialen Frauenschule in Hannover, sondern von 1905 bis 1916 auch deren Leiterin.

„Bereits 1904, auf der 5. Generalversammlung des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes regte von Bennigsen die Gründung einer sozialen Fachschule an, das sie als eine notwendige Konsequenz aus der immer professioneller werdenden Sozialarbeit ableitete. 1905 wurde die Ausbildungsstätte in Hannover eröffnet. Dazu vermerkte von Benningsen, die die Leitung der Schule übernahm: ‚Dieser Entschluß war beachtenswert, weil - abgesehen von Ausbildungskursen für christliche Liebestätigkeit und humanitäre Hilfsarbeit - Schulen mit vollständiger theoretischer und praktischer Ausbildung für anzustellende Sozialarbeiterinnen nirgends bestanden. Der Deutsch-Evangelische Frauenbund war somit Urheber des Gedankens, heranwachsenden Frauen eine der Zeit angepaßte soziale Ausbildung zu ermöglichen und damit zugleich dem aller sozialen und charitativen Hilfsarbeit noch mehr oder weniger anhaftenden Dilettantismus einen Riegel vorzuschieben, aus dem Stadium von Kursen für jede Art von helfender, reformierender Arbeit für das Wohl des Mitmenschen heraus in das geregelter Vorbildung zu treten und damit einen neuen Frauenberuf zum Durchbruch zu verhelfen.‘ (…).“ 7)

Nach Adelheid von Bennigsen war „es nur zu begreiflich und zugleich nicht mehr als billig (…) eine den ganzen Menschen fordernde Arbeit, wie sie in ehrenamtlicher Form von vielen Frauen seit langem ausgeübt worden war, zu einem besoldeten Berufe auszugestalten, der Frauen und heranwachsenden Mädchen die Möglichkeit zur wirtschaftlichen Selbständigkeit geben könne.“ 8)

Gunda Rohbeck schreibt in ihrer Dissertation über diese soziale Fachschule: „Mit der 1905 gegründeten CSF [Christlich-Sozialen Frauenschule] verfügte Hannover schon sehr früh über eine Schule, die auf eine Tätigkeit in der freien bzw. öffentlichen Wohlfahrtspflege vorbereitete. Das CSF spielte eine bedeutende Rolle in der allgemeinen Diskussion um das Profil der sozialen Ausbildung für Frauen. Es gehörte ebenso wie die Berliner ‚Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit‘ zu den Vorreitern in diesem Bereich.“ 9)

Bei der Gründung der Schule 1905 wurde ein Schulplan entwickelt, der einen theoretischen und einen praktischen Ausbildungsteil beinhaltete. „Bei der Aufstellung des theoretischen Teils wurde Gewicht darauf gelegt, solche Fächer zu wählen, die geeignet sind, das soziale Verhältnis zu vertiefen und die Lücken auszufüllen, die den Frauen bei der Betätigung im öffentlichen Leben, bei der Ergänzung der Arbeit des Mannes, so oft drückend zum Bewusstsein kommen.“ 10)

Im Prospekt der CSF von 1906 heißt es über die Zielsetzung der Schule, deren Besuch kostenpflichtig war: Die Schule dient „sowohl Mädchen aus gebildeten Familien, die den Wunsch haben, sich ein Jahr hindurch in der christlichen Liebestätigkeit und sozialen Hilfsarbeit zu beschäftigen und fortzubilden, als auch gebildeten Frauen und Mädchen, die sich eine soziale Berufs-Ausbildung, sei es für besoldete oder ehrenamtliche Posten, aneignen möchten.“ 11)

Adelheid von Bennigsen selbst unterrichtete das Fach „Soziale Frauenarbeit“. „Inhalt war die Entwicklungsgeschichte der Frauenbewegung und der von Frauen ausgeübten organisierten Wohlfahrtspflege von Beginn des 19. Jahrhunderts an. Dadurch sollten die Schülerinnen ‚zum vollen Verständnis des jetzigen Standes der Frauenbewegung und sozialen Frauenarbeit (gelangen und) die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Entwicklungsstufen kennen.‘ Dieses Fach verdeutlicht die Verankerung der Schule in den Zielen der Frauenbewegung (…).“ 12)

In den ersten Jahren seit Gründung der Schule dauerte die Ausbildung ein Jahr. Peter Reinicke dazu: „Die Konzeption der Ausbildung änderte sich Mitte 1916. Zunehmend wurden Fachkräfte für ‚mittlere und höhere soziale Posten‘ gesucht. ‚Dazu musste die bisherige Ausbildung ausgestaltet werden und eine wissenschaftliche Vertiefung sich organisch angliedern. ‘Die Ausbildung wurde verlängert, der theoretische Teil in der zweiten Ausbildungshälfte verstärkt und gezielt Spezialkenntnisse für bestimmte Arbeitsfelder vermittelt. Eine interessante Weiterentwicklung war der Schritt zur Angliederung eines ‚wissenschaftlichen Oberbaus‘ an die bestehende Ausbildung. Es sollte Frauen für höhere soziale Positionen vorbereiten. (…). Am 7. Juni 1920 erhielt die Schule die staatliche Anerkennung (…).“ 13)

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Schule in “nationalsozialistische Frauenschule für Volkspflege in der Provinz Hannover“ umbenannt und die Lehrgänge der nationalsozialistischen Ideologie angepasst.“ 14)

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus gehörte das Frauenseminar zur Evangelischen Fachhochschule Hannover, die 2007 in staatliche Trägerschaft überging und der Fachhochschule Hannover (seit 2010: Hochschule Hannover) als Fakultät angegliedert wurde.

Zusammengestellt von Rita Bake