Henning-Voscherau-Platz
HafenCity (2019), Dr. Henning V. (13.8.1941 Hamburg – 24.8.2016 Hamburg), Jurist, Notar; Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg von 1988 bis 1997
In der Pressemitteilung des Senats heißt es zur Benennung dieser Verkehrsfläche: „Henning Voscherau war von 1988 bis 1997 Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg und stellte in dieser Zeit unter anderem die Weichen für die Entstehung der HafenCity. Der Henning-Voscherau-Platz soll an den Altbürgermeister erinnern und sein Engagement für die HafenCity würdigen.
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher: ‚Henning Voscherau hat über fast zehn Jahre die Geschicke der Freien und Hansestadt Hamburg gelenkt und sie auf den Kurs einer modernen Metropole gebracht. In seine Amtszeit fiel die wegweisende Entscheidung, ehemalige Hafen- und Industrieflächen in einen neuen und modernen Stadtteil zu verwandeln. Diese Entwicklung setzen wir mit dem neuen Stadtteil Grasbrook Richtung Süden fort. In unmittelbarer Nähe zum historischen Stadtkern ist die HafenCity heute eines der größten innerstädtischen Stadtentwicklungsprojekte Europas. Ich freue mich, dass zukünftig im Herzen der HafenCity ein attraktiver öffentlicher Platz unmittelbar neben der HafenCity Universität an den bedeutenden früheren Bürgermeister erinnert.‘
Henning Voscherau hatte im Mai 1997 Pläne vorgestellt, die Hafenflächen am Nordufer der Elbe in die Innenstadt zu integrieren. Diese Pläne markieren den Beginn der Umwandlung einer Fläche von rund 157 Hektar Hafengebiet zu einem urbanen und attraktiven Stadtteil, die bis heute die Entwicklung Hamburgs entscheidend prägt. Nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik hat sich Voscherau stets engagiert in die politischen Debatten in Hamburg und ganz Deutschland eingebracht. Henning Voscherau war bis zu seinem Tod ein wichtiger und hoch angesehener Vertreter der Freien und Hansestadt Hamburg. Er hat sich über viele Jahre und in unterschiedlichsten Funktionen durch öffentliches politisches Wirken um die Stadt verdient gemacht.“ 1)
Der promovierte Jurist Henning Voscherau, Sohn von Martha Voscherau, geb. Lohmann (1906-19171) und des Schauspielers Carl Voscherau (1900-1963) sowie Neffe des Volksschauspielers Walter Scherau, eigentlich Voscherau (1903-1962), war seit 1971 mit der sieben Jahre jüngeren Apothekerin Annerose Voscherau verheiratet. Das Paar hatte sich beim Sport kennengelernt und bekam drei Kinder.
Über seinen beruflichen und politischen Werdegang heißt es in Wikipedia u. a.: „Von 1974 bis 2011 (mit Unterbrechung von 1988 bis 1997) war er in Hamburg als Rechtsanwalt und Notar tätig. Von 2011 an führte er mit seinem Sohn, dem Rechtsanwalt Carl-Christian Voscherau, eine Bürogemeinschaft.
Voscherau bezeichnete sich selbst als ‚geborenen Sozi‘“, unter anderem waren seine Eltern und sein Großvater in der SPD. Er selbst trat der SPD 1966 bei. Seine politische Laufbahn begann 1970 mit der Wahl in die Bezirksversammlung Wandsbek, in der er auch Fraktionsvorsitzender seiner Partei war und der er bis zur Wahl in die Hamburgische Bürgerschaft 1974 angehörte. 1976 wurde er in einer Kampfabstimmung gegen den Parteilinken Jan Ehlers mit 41 zu 17 Stimmen zum zweiten stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bürgerschaftsfraktion gewählt.
Ab 1981 gehörte er dem Landesvorstand der SPD in Hamburg an. Im Jahr 1982 wurde er Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft und behielt diese Funktion bis 1987, bevor er am 8. Juni 1988 zum Nachfolger Klaus von Dohnanyis als Erster Bürgermeister Hamburgs gewählt wurde. Er führte bis 1997 drei Hamburger Senate an (…).“ 2)
In seiner Amtszeit als Erster Bürgermeister führte Voscherau 1996 eine Reform der Hamburgischen Verfassung durch, die seit 1997 gilt. U. a. bekam der Erste Bürgermeister mehr Rechte. Er war fortan im Senat nicht mehr „primus inter pares“, Erster unter Gleichen, sondern hat seitdem Richtlinienkompetenz, d. h. er hat das entscheidende letzte Wort im Senat und kann auch Senatorinnen und Senatoren aus eigener Entscheidung ernennen und entlassen. Darüber hinaus wird der Erste Bürgermeister oder die Erste Bürgermeisterin von der Bürgerschaft gewählt. Auch das „Feierabend-Parlament“ wurde abgeschafft; seitdem bekommen die Bürgerschaftsabgeordneten keine Aufwandsentschädigung mehr, sondern Diäten und Kostenpauschalen und es gibt eine Altersversorgung. Hinzu kommt, dass der Senat seit 1997 nicht mehr das Vetorecht in der Gesetzgebung hat. Nun können Bürgerinnen und Bürger per Volksbegehren und Volksentscheid in die Gesetzgebung eingreifen. Auch gibt es seit dieser Zeit keinen „ewigen Senat“ mehr, d. h. mit dem Ende einer Legislaturperiode oder mit dem Rücktritt des Ersten Bürgermeisters endet auch die Amtszeit des Senats als Landesregierung.
Ebenso fiel in Voscheraus Amtszeit der hundertjährige Geburtstag des Hamburger Rathauses. Dazu ließ Voscherau die dringend notwendigen Renovierungen am und im Rathaus vornehmen. Hierfür kamen sehr viele Spenden aus der Hamburger Bevölkerung zusammen.
Und auch das Thema Hafenstraße beschäftigte ihn. „Dem von seinem Amtsvorgänger [Klaus von Dohnanyi] im Herbst 1987 erzielten Kompromiss mit ehemaligen Hausbesetzern der Hafenstraße stand er kritisch gegenüber und vertrat eine härtere Linie. Schließlich verzichtete er darauf, die Häuser räumen und abreißen zu lassen, da die Bewohner eine Bebauung angrenzender Freiflächen akzeptierten. [Vom 1. November 1990 bis zum 31. Oktober 1991 war Voscherau Präsident des Bundesrates. Anschließend hatte er zusammen mit Rupert Scholz den Vorsitz der Gemeinsamen Verfassungskommission inne, um die nach Art. 5 des Einigungsvertrages ‚aufgeworfenen Fragen zur Änderung oder Ergänzung des Grundgesetzes‘ bis zur Vorlage des Abschlussberichts am 5. November 1993 zu bearbeiten.“ 3)
Bei der Bürgerschaftswahl im Jahr 1997 spielte das Thema innere Sicherheit eine große Rolle. Voscherau war damals Spitzenkandidat der SPD, die bei der Wahl allerdings nur 36,2% der Stimmen erhielt.
Dazu steht in Wikipedia: „Voscherau erklärte noch am Wahlabend in der 20-Uhr-Tagesschau, damit sei seine ‚Schmerzgrenze unterschritten‘. Er übernehme die ‚volle Verantwortung‘ für das Ergebnis und werde in der neuen Bürgerschaft nicht für das Amt des Ersten Bürgermeisters kandidieren.“ 4) Voscherau hatte eine Koalition mit der STATT Partei gewünscht. „Da diese nicht zustande kam und stattdessen ein rot-grünes Bündnis geschlossen wurde, dem er politisch nicht zustimmte“, 5) trat er zurück. Er war damals 57 Jahre alt und ging in seinen alten Beruf als Notar zurück. Dazu schreibt Uwe Bahnsen in seiner Biografie über Henning Voscherau und zitiert dabei Voscheraus Notariatspartner Rolf-Hermann Henniges, der in der Zeit als Voscherau Bürgermeister war, ihn neben seiner eigenen Arbeit als Notar vertrat: „‘Henning Voscherau hat sich beruflich immer primär als Notar verstanden, sein Bürgermeisteramt hat er als ‚Leihgabe des Notariats an die Politik‘ gesehen. (…) ‚Sie sind meine berufliche Rückversicherung‘, hat er häufig gesagt. Das verschaffe ihm Freiheiten in seinem politischen Amt, wofür er dankbar sei.“6) Henning Voscherau blieb bis zur Altersgrenze für Notare als Notar tätig. Dann schied er 2011 im Alter von 70 Jahren aus diesem Amt aus, nicht ohne gegen diese Altersgrenze zu wettern, die er als Altersdiskriminierung empfand.
Voscherau blieb noch bis 2001 Mitglied des SPD-Bundesvorstandes.
„Nach einer wegen Stimmzetteldiebstahls gescheiterten Mitgliederbefragung der Hamburger SPD über die Frage, ob Matthias Petersen oder Dorothee Stapelfeldt Ole von Beust (CDU) bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg 2008 herausfordern sollten, wurden Voscherau gute Chancen eingeräumt, erneut Spitzenkandidat der SPD zu werden. In einem Brief an den Landesvorsitzenden teilte er am 5. März 2007 jedoch mit, er habe sich wegen der Befürchtung, nicht dauerhaft unterstützt zu werden, und aus Rücksicht auf seine Familie entschlossen, nicht anzutreten. (…)
Voscherau gehörte ab 2003 dem Vorstand der Deutschen Nationalstiftung an, war dort stellvertretender Vorsitzender des Senats, weiterhin gehörte er dem Kuratorium der Hamburger Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius an und war sowohl Aufsichtsrats- als auch Kuratoriumsmitglied der privaten Hamburger Bucerius Law School.
Im April 2012 wurde Henning Voscherau Vorsitzender des Aufsichtsrats der South Stream Transport AG einem Joint Venture von Gazprom und dem italienischen Energieversorger Eni.
Voscherau war Vorsitzender der Mindestlohn-Kommission, die in Deutschland über die Anpassung der Höhe des gesetzlichen Mindestlohns befindet. Er legte das Amt im April 2015 aus gesundheitlichen Gründen nieder.“ 7)