Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Bertrand-Russell-Straße

Bahrenfeld (1991): Bertrand Russell (18.5.1872 bei Trellech, Monmouthshire, Wales - 2. Februar 1970 in Penrhyndeudraeth, Gwynedd, Wales), Mathematiker, Philosoph, Nobelpreisträger


„Bertrand Russell gilt als einer der Väter der Analytischen Philosophie. Er verfasste eine Vielzahl von Werken zu philosophischen, mathematischen und gesellschaftlichen Themen. Zusammen mit Alfred North Whitehead veröffentlichte er die Principia Mathematica, eines der bedeutendsten Werke des 20. Jahrhunderts über die Grundlagen der Mathematik. Russell war Atheist und Rationalist. Als weltweit bekannter Aktivist für Frieden und Abrüstung war er eine Leitfigur des Pazifismus, auch wenn er selbst kein strikter Pazifist war. Sozialistischen Ideen stand er aufgeschlossen gegenüber.“ 1)

Bertrand Russell entstammte der englischen Aristokratie. Nach dem Tod der Eltern – Bertrand Russell war 1 ½ Jahre alt, als die Mutter starb und drei Jahre alt, als der Vater das Zeitliche segnete - wurde er von seinen viktorianischen Großeltern aufgezogen. Allerdings verstarb der Großvater, als Bertrand Russell sechs Jahre alt war. Die Großmutter, religiös aber fortschrittlich in ihren Ansichten zu Wissenschaft und sozialer Gerechtigkeit, prägte den Jungen.

Während seines Mathematikstudiums lernte der junge Bertrand Russell die knapp fünf Jahre ältere Alys Pearsall Smith (21.7.1867 Atlantic City, N J, USA - 22.1.1951 London) kennen. Sie entstammte einer Quäkerfamilie und hatte in ihrer Jugend die 1885 gegründete Frauenschule Bryn Mawr besucht.

1894 gaben sich der damals 22-jährige Bertrand Russell und die damals 27-jährige Alys Pearsall Smith gegen den Willen der Russellschen Familie das Jawort.

Alys Pearsall setzte sich politisch für die Rechte der Frauen ein und versuchte die soziale Not armer Frauen zu verbessern. „Sie war Vorsitzende des Generalkomitees der St. Pancras Mothers 'and Infants' Society, die 1907 in der 6 Chalton Street, London, NW (an der Euston Road) eine Schule für Mütter (auch bekannt als Mothers '& Babies' Welcome) gründete. Dieses Zentrum bot eine Reihe von Dienstleistungen zur Verringerung der Kindersterblichkeit an, z. B. das Wiegen von Babys, die Versorgung von werdenden und stillenden Müttern mit Mahlzeiten sowie medizinische und mütterliche Beratung. Sie hatte die Idee entwickelt, nachdem sie eine ähnliche Einrichtung in Gent, Belgien, besucht hatte.“2)

1911 trennte sich das Ehepaar. Russell ließ sich aber erst 1921 scheiden, weil er berufliche Nachteile durch die Scheidung befürchtete.

Alys wurde nach der Trennung von ihrem Mann 1915 „in das Exekutivkomitee der Nationalen Union der Frauenwahlrechtsgesellschaften (NUWSS) gewählt. In den 1930er Jahren leitete sie das italienische Flüchtlingshilfekomitee für diejenigen, die vor Mussolinis Faschismus flüchteten. (…) Im Mai 1934 war Alys Mitunterzeichner eines Manifests über Freiheit und Demokratie“ 2)

In zweiter Ehe war Bertrand Russell mit der 22 Jahre jüngeren Dora Black (3.4.1894 Thornton Heath – 31.5.1986 Porthcurno) verheiratet. Diese hatte in Cambridge und am University College in London Sprachen studiert. 1916 lernte sie Bertrand Russell kennen, „den sie in seiner Kampagne gegen die Wehrpflicht unterstützte. In den folgenden Jahren verfestigte sich die Beziehung der beiden und sie unternahmen gemeinsame Reisen in die Sowjetunion, sowie die Republik China und das Japanische Kaiserreich. Zu Bertrands Büchern The Practice and Theory of Bolshevism (1920) und The Problem of China (1923) leistete sie Beiträge und verfasste gemeinsam mit ihm The Prospects of Industrial Civilization (1923).“ 3)

Als Dora Black schwanger wurde, reichte Russell die Scheidung von Alys ein und machte Dora einen Heiratsantrag. Doch die Autorin und Feministin Dora, die in der Ehe die sexuelle Freiheit beschränkt sah und außerdem die Ehe als Unterwerfungsinstrument der Frau unter den Mann betrachtete, wollte gar nicht heiraten und lehnte zuerst einmal Russells Heirats­antrag ab. Doch Russell, der Doras Einstellung zwar akzeptierte, wollte ein gemeinsames Kind und eine Familie. Und so kam es nach der Scheidung von Alys 1921 dann doch noch zur Heirat. Das Paar bekam zwei Kinder geboren 1921 und 1925). Für diese gründeten Dora und Bertrand Russell 1927 – das Paar war bis 1935 verheiratet - die libertäre Beacon Hill School. Nach der Trennung von ihrem Mann leitete Dora die Schule bis 1943 allein weiter.

Dora war ebenso wie Alys politisch aktiv und setzte sich für die Rechte der Frauen ein. Sie informierte Frauen über Empfängnisverhütung und war auch aktiv in der Friedensbewegung. Dora propagierte eine polygame Lebensweise und bekam, während sie noch mit Russell verheiratet war, mit dem Journalisten Griffin Barry noch zwei weitere Kinder (geboren 1930 und 1932).

Russell und Dora trennten sich 1932. Später arbeitete Dora von 1943 bis 1950 für das britische Informationsministerium.

1936 heiratete der 64-jährige Bertrand Russell das Kindermädchen seiner Kinder, die 38 Jahre jüngere Patricia Spence (1910-2004), die auch „Peter“ genannt wurde, weil ihre Eltern gerne einen Sohn gehabt hätten. Als Studentin an der Oxfort Universität war sie von Russells zweiter Ehefrau Dora als Gouvernante angeheuert worden. Das Paar bekam einen Sohn, trennte sich 1949. Patricia Russell wirkte entscheidend an Russells Buch „Eine Geschichte der westlichen Philosophie“ mit. Die Pfeifenraucherin war Mitglied des ersten Vorstands der Harlow Development Corporation und diente von 1947 bis 1950. 4)

1952 heiratete der 80-jährige Bertrand Russell ein viertes Mal, dieses Mal die 52-jährige Literaturwissenschaftlerin, Schriftstellerin und Biographin Edith Finch (5. 11.1900 New York City – 1.1. 1978 Gwynedd, Wales, England). Edith Finch hatte am Bryn Mawr College und am St. Hilda’s College in Oxford studiert. In den 1920er Jahren unterrichtete sie englische Literatur am Bryn Mawr College. „In den 1930er und 1940er Jahren reiste sie viel durch Europa, während sie weiterhin schrieb und Vorträge hielt. (…). Sie lernte Russell in den 1930er Jahren durch ihre enge Freundin und Mitbewohnerin Lucy Donnelly kennen, die mit Russells erster Frau Alys befreundet war. Finch zog 1950 nach England und heiratete Russell im Dezember 1952. Nach allem war es eine sehr glückliche Ehe. Das Paar ließ sich in Wales nieder, wo Bertrand 1970 starb.“ 5)

Auch Bertrand Russell setzte sich politisch u. a. für Frauenrechte ein, so z. B. für das Frauenwahlrecht. Dazu merkt Rudolf Walter Leonhardt in der „DIE ZEIT“ vom 27.11.1992 kritisch an: „Er sieht die Welt der Moral in den Geschlechter­beziehungen von einem unverkennbar männlichen Standpunkt aus. Natürlich war Russell für die Frauenemanzipation, und das schon zu einer Zeit, als es noch lange nicht zum guten Ton gehörte. Im Jahr 1907 ließ er sich im Wahlkreis Wimbledon aufstellen als Parlamentskandidat einer Nationalen Union der Gesell­schaften für das Frauenwahlrecht. Später sagte er einmal, sein Auftreten gegen den Kriegsdienst sei auf weniger erbitterten Widerstand gestoßen als sein Eintreten für die Rechte der Frauen. Seine Unfähigkeit, die Welt mit den Nerven einer Frau zu erleben, ist Ausdruck einer bei ihm sonst eher ungewöhnlichen Phantasielosigkeit. Anders gesehen: Es fiel ihm wohl schwer, die Welt anders als mit dem überdimensionalen Verstand und den heftigen, wenn auch gebändigten Gefühlen eines Bertrand Russell zu verstehen, und der hatte ausschließlich männliche Hormone. Darüber hinaus ist freilich der liebende Umgang mit emanzipierten Frauen für viele Männer noch heute ein ungelöstes Problem. Bertrand Russell kann ihnen kein Vorbild sein, aber ein Beispiel geben, zuweilen abschreckend, zuweilen ermutigend.“ 6)