Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Spitzwegstraße

Groß Flottbek (1935): Karl Spitzweg (5.2.1808 München – 23.9.1885 München), Maler.


Die Straße wurde in der Zeit des Nationalsozialismus benannt. Hitler mochte die Bilder von Spitzweg. Er: „schätzte idyllische, ländliche Szenen und sammelte vor allem Romantiker sowie Münchner und Wiener Maler des 19. Jahrhunderts. Den Bestand ließ er sich immer wieder in so genannten Führeralben vorlegen, 32 solche Alben mit Reproduktionen der Bilder entstanden so, 21 davon sind noch erhalten und liegen im Deutschen Historischen Museum. Die Sammlung enthält etwa Spitzwegs ‚Aktenwurm‘ – überhaupt ist Carl Spitzweg, heute Inbegriff des Bürgerlichen, zu Lebzeiten eigentlich eher sein Kritiker von innen, einer der Lieblinge Hitlers gewesen“, schreibt Thomas Lindemann in seinem Beitrag „Hitler liebte diese Bilder – und ließ sie rauben.“ (Thomas Lindemann: Hitler liebte diese Bilder – und ließ sie rauben, in: Die Welt vom 31.7.2008, unter: www.welt.de/kultur/article2268283/Hitler-liebte-diese-Bilder-und-liess-sie-rauben.html)

Über Spitzwegs künstlerische Darstellung der Geschlechter zueinander schreibt die Kunsthistorikerin Sigrun Paas an Hand des Bildes „Dirndl und Jäger im Gebirge“ (1880): „Spitzweg, der ‚Hagestolz und Sonderling, dem das Leben vitale Wünsche versagt hatte‘, inszenierte vor alpiner Kulisse in einer Felsschlucht die Begegnung eines alten Mannes mit einer jungen Frau als anekdotische Version des alten Themas vom ‚ungleichen Paar‘. (…) Daß Spitzweg die vermeintliche Romantik des Bildmotivs, das auf den ersten Blick die heile Welt in der gebirgigen Natur vortäuscht, durch bissigen Humor demontierte, zeigen (…) Titel des Gemäldes: ‚Vorüber‘ (ist die Jugend), ‚Nix is‘ (mit einer Eroberung des Dirndls). (…).“ 1)

Carl Spitzweg blieb zeit seines Lebens ledig. Umsorgt wurde er als erwachsener Mensch von seiner Haushälterin Juli. Sie hatte eine verkrüppelte Hüfte und wäre deshalb von niemanden sonst eingestellt worden, wäre da nicht Carl Spitzweg gewesen, der sich ihrer annahm.

2008 zeigte das Stadtmuseum von Radolfzell eine Sonderausstellung zum Thema „Spitzweg und sein Frauenbild“. Die Deutsche Apothekerzeitung berichtete darüber – hat sie doch eine besondere Beziehung zu Spitzweg: er war von Beruf Apotheker gewesen. „Spitzweg hat Mädchen oder Frauen gern in eine einsame Landschaft versetzt, wo sie allein auf einem Weg entlang wandeln und gleichsam dem Betrachter begegnen. (…)

Andere Motive schildern in einer ähnlichen Umgebung den Moment nach der Begegnung von Mädchen und Jäger oder Wanderer, der sich umdreht und dem Mädchen hinterherblickt – so wie der Betrachter des Bildes es auch tun würde. Von ganz anderer Art sind die Kontakte von Männern und Frauen in der Enge der Städte. Wegen der allzu großen Nähe ist das Verhalten durch Abgrenzung, scheinbare Ignoranz und heimliche Beobachtung sowie förmliche Konversation gekennzeichnet. Wer sich anders verhält und gegen die allgemeinen Vorstellungen von Sitte und Moral verstößt, fällt unangenehm auf, wie Spitzweg es in der Karikatur ‚Auf der Dult‘ zeigt: In der Mitte der Bleistiftzeichnung tritt dem Betrachter eine junge Dame entgegen, die – nach den damaligen Gepflogenheiten – zu freizügig und aufreizend gekleidet ist; die anderen Frauen werfen ihr empörte Blicke zu, während der Ausdruck in den Gesichtern der Männer von überrascht bis interessiert und leicht amüsiert reicht.“ 2)

Spitzweg selbst soll zweimal unglücklich verliebt gewesen sein, doch beide Male in verheiratete Frauen. Die eine war seine Schwägerin, auf die er zugunsten seines Bruders verzichtete.

Und dann war da noch Clara Raab, geb. Lechner. Bevor er diese kennenlernte, scheint er durchaus einem lustvollen Lebensstil nachgegangen zu sein. „So spricht er davon, dass er ‚in großen Amouren und kleinen Amürchen seinen Mann stellte, daß er wacker zechte und treue Kameradschaft hielt, sich vor allem gern beim Liebhabertheater beteiligte, wo seinen bühnengerechten Talenten stets eine Hauptrolle zugewiesen war‘. Diese Lebensfreude und Aufgeschlossenheit gegenüber dem weiblichen Geschlecht mögen für Spitzweg bis zu jenem Zeitpunkt gegolten haben, als er auf seine große Liebe, die aus Tölz stammende Clara Lechner, traf.“ 3)

Clara Raab, geb. Lechner war im Alter von 16 Jahren zwangsverheiratet worden mit einem gutsituierten Münchner Weber, den Clara nicht liebte. Nachdem sie vier Jahre lang diese unglückliche Ehe ausgehalten hatte, verliebte sie sich mit zwanzig Jahren in Carl Spitzweg und er sich in sie. Spitzweg ermunterte sie, sich scheiden zu lassen. Nach dem Scheidungsprozess währte das Glück der beiden Liebenden allerdings nicht lange. Clara starb an einer Lungenentzündung. „Dieses Schicksal bewog ihn vermutlich dazu, nie wieder eine Verbindung einzugehen, amourösen Eskapaden zu entsagen und fortan als Hagestolz zu leben. Doch hielt das ihm versagte Liebesglück ihn nicht davon ab, in seinen Bildwelten von Lust und Begehren zu erzählen, auch wenn sich darin selten Paare in inniger Umarmung (Der Abschied, um 1855; Der verliebte Einsiedler, 1875) oder harmonische Familiendarstellungen finden (…). Vorwiegend sind es Konstellationen, bei denen männliche Protagonisten dem weiblichen Geschlecht sehnsuchtsvoll (Vorüber, 1875) bis lüstern hinterherblicken. (…). Immer wieder finden sich in Spitzwegs Œuvre Gegenüberstellungen divergierender Lebensmodelle. Ob bei seinen Mönchen, seinen Junggesellen oder bei dem Mädchen vor der Grotte (Badendes Mädchen) (1845): Obwohl selbstgewählt, scheint die Einsamkeit vom Wunsch nach Zweisamkeit und Gemeinschaft durchdrungen. So findet sich nicht nur das Motiv des Nachblickens, sondern auch das des Rückblickens, des Reflektierens und Resümierens über das Leben oder eine vertane Chance in zahlreichen Werken wieder. Das Gemälde Das Zölibat (um 1845–1850) beispielsweise zählt zu diesem Themenkreis. Aber auch Die Jugendfreunde (um 1855 oder 1862/63), die sich am Lebensabend freudig wiederbegegnen, oder das verstummte alte Paar Auf der Ruhebank (um 1860) oder der trauernde Witwer (um 1860), der mit einem Medaillon in Händen seiner verstorbenen Frau gedenkt und zugleich zwei jungen, hübschen Mädchen nachblickt, so als wünschte er sich, nochmals jung zu sein,“ 4) erklärt Hans-Peter Wipplinger.

Carl Spitzweg war keineswegs – wie der arme Poet auf Spitzwegs gleichnamigen berühmten Gemälde – in finanziellen Nöten. Er entstammte einem wohlhabenden Elternhaus. In Wikipedia heißt es über Spitzwegs Herkunft: Spitzwegs Mutter: „Franziska Spitzweg (geb. Schmutzer) – gehörte als Tochter eines reichen Früchtegroßhändlers dem Großbürgertum Münchens an. Das Anwesen der Schmutzers in der Neuhauser Gasse 14 war ein stattlicher Besitz, das Carl Spitzweg später durch die Erbschaft finanzielle Unabhängigkeit bescherte. Carls Vater – Simon Spitzweg – stammte aus dem Dorf Unterpfaffenhofen, (…) wo seine Familie zu Reichtum gekommen war. Bis 1807 war die geschäftliche Basis von Spitzwegs Vater der Handel mit Spezereien in München. (…). Simon Spitzweg war ein gebildeter Kaufmann, der in München auch durch seine politische Tätigkeit zu Achtung und Ansehen gelangte. Carl Spitzweg hatte zwei Brüder, deren Berufe ebenso vom Vater vorbestimmt waren wie sein eigener. Der Älteste, Simon, sollte das Geschäft übernehmen, Carl sollte Apotheker und der Jüngste, Eduard, Arzt werden. In München genoss Carl eine wohlbehütete Kindheit. Durch den Tod seiner Mutter [die, im Gegensatz zu seinem Vater, die künstlerischen Ambitionen ihres Sohnes stets gefördert hatte, R. B.] wurde Carl 1819 Halbwaise. Der Vater heiratete noch im selben Jahr die Schwester seiner verstorbenen Frau, Maria Kreszenz.“ 5)

Auf Wunsch des Vaters musste Carl Spitzweg eine pharmazeutische Lehrer in einer Apotheke absolvieren. Ab 1829 studierte er Pharmazie an der Universität München. Das Studium schloss er 1832 ab. In der Zwischenzeit war sein Vater 1828 gestorben, so dass Carl Spitzweg durch sein Erbe finanziell abgesichert war, und so konnte er sich fortan seiner Lieblingstätigkeit, dem Malen, widmen.

„Schon in den ersten Jahren eroberte S. das Feld der humorvollen Genremalerei für sich und schuf realistisch anmutende Darstellungen biedermeierlicher Lebenswelten.“6)

In Wikipedia wird detailliert auf Spitzwegs Gesellschaftskritik, die in seinen Bildern deutlich wird, eingegangen: „Freie Meinungsäußerungen galten zu Spitzwegs Lebzeit als sehr riskant. Vielen erschien es als ratsam, tunlichst nicht über Politik zu sprechen. Strenge Zensur verbot Zeitungen und Bücher, viele Schriften konnten nur nach zwangsweisen Korrekturen publiziert werden. (…).

In seinem künstlerischen Werk [der Institutsspaziergang von 1860, R. B.] werden unter brütender Sommersonne uniformierte Schülerinnen von wachsamen Nonnen ‚wohlbehütet‘ durch die Landschaft geführt. Diese kontrollieren auch, dass die Blicke der Kinder und Jugendlichen nicht abschweifen – vom ‚Pfad der Tugend‘ zum mit dargestellten Liebespaar oder zu der auf der Wiese lagernden, ländlichen Gesellschaft des Gemäldes. Nur ein dunkelhäutiges Mädchen wagt einen Blick auf das Liebespaar am Wegesrand. Auch auf die heutige Gegenwart übertragbar, finden bei Spitzweg staatliche Autorität und Überwachung Ausdruck – nicht nur behütendes, sondern explizit auch bedrohliche Symbole eines Repressionsstaates. (…)

Zahlreiche Werke Spitzwegs offenbaren seine spöttische Haltung gegenüber den Mächten des Staates, insbesondere im Zusammenhang mit den Vollzugsorganen, in Form von Zollbeamten, Wachtposten oder Bürgersoldaten. Manchmal entblößt er diese Protagonisten – wie etwa den Fliegenfänger (1848) – in all ihrer Unzulänglichkeit. Bereits eine banale Geste gerät dabei zu unfreiwilliger Komik. Die Beschäftigungslosigkeit der vielen Uniformierten – in den hoch gerüsteten Zeiten, ohne aber konkrete militärische Auseinandersetzungen – rief bei ihm groteske Darstellungen hervor. Anstelle von Waffen hält der Wachtposten in Es war einmal (Der strickende Wachposten) (1850) Strickzeug in Händen. Militärs gähnen vor Langeweile, vertreiben sich die Zeit mit Fliegenfangen oder sind bei ihrer Wachtaufgabe in seinen Bildern gar als eingeschlafen karikiert. (…).“ 7)

Wer Spitzwegs Werke kaufte, darüber berichtet Herbert Rott in der Neuen Deutschen Biographie: „Seit 1837 führte S. ein Verzeichnis, in dem er seine Bilderverkäufe dokumentierte. In den ersten Jahren wurden seine Gemälde v. a. über die Ausstellungen der Kunstvereine vermittelt, später übernahmen Händler diese Funktion. Die Käufer stammten aus dem Bürgertum und dem Adel, und wie andere Münchner Maler auch hatte S. in den späteren Jahren einen Kreis von Sammlern in den USA. (…). Seit 1863 lebte und arbeitete S. zurückgezogen in einer Wohnung im vierten Stock des Hauses am Heumarkt 3, dem heutigen St. Jakobsplatz in München. Dort starb er an den Folgen eines Schlaganfalls.“ 8)