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Strindbergweg

Blankenese (1955): August Strindberg (22.1.1849 Stockholm – 14.5.1912 Stockholm), Schriftsteller.


„Auf schmerzvolle Weise war Strindberg immer auf der Höhe seiner Zeit. Und ihr vorausgeeilt. Dass dieser geniale, am schlimmsten gegen sich selbst wütende Feuerschädel dabei in eine Hölle von Widersprüchen stürzte, ist eine milde Untertreibung. Er war ein düsterer Charakter, ein Lichtbringer, ein Katalysator künstlerischer und gesellschaftlicher Prozesse. Man kennt ihn als misogynen Irren, der gegen das Wahlrecht der Frauen wetterte und ihnen jede höhere Intelligenz absprach. Er hat mehrere Ehen und die eigene Gesundheit ruiniert. Zur Hypochondrie neigt er ebenso wie zur Eifersucht. In seinen ‚Reden an die schwedische Nation‘ zog er gegen den König, die Schwedische Akademie und den Nationalhelden Sven Hedin in den Krieg. (…). Er hat sein Intimstes entblößt und die Privatsphäre anderer verletzt, er agierte öffentlichkeitswirksam bis zum Äußersten“, 1) fasste Rüdiger Schaper in seinem Artikel „Fräulein Auguste“ August Strindbergs Leben zusammen.

Geboren wurde August Strindberg als Sohn von Ulrika Eleonore (Nora) Strindberg, geb. Norling und des mittelständischen Dampfschiffbefrachters Carl Oskar Strindberg. Vor der Ehe hatte Nora Strindberg als Servierkraft in einem Wirtshaus gearbeitet, wo sie auch Carl Oskar Strindberg kennenlernte. Sie wurde seine Haushälterin, bekam noch in der Verlobungszeit zwei Kinder und das dritte Kind - August Strindberg - als Nora mit Carl Oskar verheiratet war. Es folgten noch weitere fünf Kinder (ein Kind starb vermutlich gleich nach der Geburt).

Als August Strindberg 13 Jahre alt war, starb seine Mutter in Tuberkulose. Er „verfällt in eine religiöse Krise und gibt sich einem pietistischen, persönlich gefühlsstarken Glauben hin. Diese Phase scheint bis zu seinem Universitätsstudium fortzudauern. Noch im gleichen Herbst tut der Vater, jetzt 51, seine Verlobung mit Emilia Petersson, der 30 Jahre jüngeren Hausmamsell, kund. Sie heiraten, und ein gutes Jahr später hat Strindberg einen Halbbruder: Emil.“ 2)

Burghard Brückner legt in seinem Beitrag über August Strindberg, erschienen im Biographischen Archiv der Psychiatrie, den Focus auf Strindbergs psychische Verfassung: „das Verhältnis zum Vater blieb schwierig. Nach dem Abitur 1867 brach er 1869 ein Medizinstudium sowie 1870 eine Schauspielausbildung ab, begann das Schreiben und arbeitete als Journalist und Bibliothekar. Nach der Heirat mit Siri von Essen, mit der er drei Kinder bekam, debütierte er 1879 erfolgreich mit dem Roman Röda rummet (Das rote Zimmer). Nach weiteren sozial- und kirchenkritischen Werken emigrierte das Paar 1883 nach Frankreich, die Ehe scheiterte 1891, wie die beiden späteren Ehen auch. Strindberg lebte in der Schweiz, Deutschland und Dänemark und wurde mit Dramen wie Fadren (1887, Der Vater) und Fröken Julie (1889, Fräulein Julie) bekannt, aber auch für seine Frauenfeindlichkeit. 1893 heiratete er die zwanzigjährige Maria Friederike Uhl, das Paar trennte sich jedoch trotz der Geburt der Tochter Kerstin ein Jahr später. (…)

Strindberg zog von Berlin nach Paris, dort setzte um 1895 eine existentielle Krise ein, die er 1897 in der Erzählung Inferno auf der Grundlage seiner Okkulten Tagebücher (Ockulta dagboken, 1963) verarbeitete. Ab Herbst 1894 habe er in der Pariser Bohème verkehrt und begonnen, sich mit alchimistischen Experimenten zu beschäftigen. Die eigentliche Infernokrise setzte ab Februar 1896 im Hotel Orfila ein (s. Brückner 2007, S. 203 ff.). Er habe begonnen, unbestimmte metaphysische Kräfte wahrzunehmen, Zimmernachbarn hätten ihn verfolgt, ein „magnetisches Fluidum“ aus einer „Elektrisiermaschine“ habe ihn kontrolliert, (…). Nach sechs Monaten floh Strindberg Ende Juli 1896 in das südschwedische Lund. Dort konsultierte er Ärzte, die unter anderem ‚Paranoia‘ vermuteten.“3) (…)

Strindberg erholte sich gegen 1897 wieder, schrieb wieder erfolgreich und 1899 zurückgekehrt nach Schweden heiratete er zum dritten Mal.

August Strindberg und seine drei Ehefrauen
Im Alter von 28 Jahren heiratete Strindberg 1877 zum ersten Mal. Seine Auserwählte war die „die Finnlandschwedin Siri von Essen, eine Schauspielerin des Königlichen Theaters. Mit ihr hatte er drei Kinder, die beiden Töchter Karin (* 1880) und Greta (* 1881) und den Sohn Hans (* 1884).“ 4)

Siri (Sigrid) von Essen 17.8.1850-21.4.1912) war die Tochter der Schauspielerin Elisabeth in de Beton und des Hauptmanns Karl Reinhold von Essen. In erster Ehe war Siri von Essen vier Jahre von 1872 bis 1876 mit dem Leutnant Freiherr Carl Gustav Wrrangel as Sauss verheiratet gewesen, mit dem sie eine Tochter hatte, die allerdings im Alter von fünf Jahren verstarb.

Siri von Essen hatte August Strindberg 1875 kennengelernt. „Ein Jahr später beschlossen sie und ihr Mann, sich scheiden zu lassen, da Siri von Essen als Schauspielerin arbeiten wollte, was mit dem Rang und der gesellschaftlichen Stellung ihres Mannes unvereinbar gewesen wäre. Im Herbst 1876 nahm Siri von Essen Theaterunterricht und hatte ihren ersten Auftritt 1877 als Schauspielerin am Dramaten in Stockholm. Am 30. Dezember desselben Jahres heiratete Siri von Essen August Strindberg. Ihr erstes Kind wurde kurz darauf geboren, starb jedoch schon einige Tage nach der Geburt.

Im Jahre 1882 schrieb Strindberg zwei Stücke direkt für von Essen: Herr Bengts Hustru und Lycko-Pers resa.“5)

1880 und 1881 bekam Siri Strindberg noch zwei weitere Kinder. Wegen einer erneuten Schwangerschaft wurde ihr am Königlich Dramatischen Theater in Stockholm gekündigt. 1884 wurde das nächste Kind geboren.

August und Siri Strindberg gründeten in Dänemark ein „Skandinavisches Versuchstheater“, was allerdings wenig später pleiteging.

Die Ehe verlief nicht glücklich. Als das Paar 1889 nach Stockholm zurückgekehrt war, ließ es sich 1893 scheiden. Siri Strindberg erhielt das Sorgerecht für die Kinder und zog mit ihnen nach Finnland, wo sie den Lebensunterhalt mit Übersetzungsarbeiten und Theaterunterricht bestritt.

Nach der Scheidung – Scheidungskriege und Ehekonflikte beschrieb Strindberg auch in seinen Werken, drastisch und naturalistisch - zog Strindberg 1892 nach Berlin. „Seine wichtigsten Dramen lagen bereits in deutschen Übersetzungen vor. Die Stücke Der Vater (1887) und Fräulein Julie (1888), die den Machtkampf der Geschlechter zum Thema hatten, waren 1890 bzw. 1892 an der Freien Bühne in Berlin aufgeführt worden. (…)

Der 43-jährige Autor wurde zum Mittelpunkt eines Künstlerkreises, der sich regelmäßig in einer Weinstube mit der Insider-Bezeichnung Schwarzes Ferkel traf, und stieg rasch zum neuen Stern in der Berliner Boheme auf. Am 7. Jänner 1893 lernte er bei einem Empfang die 20-jährige Journalistin Frida Uhl [4.4.1872 - 28.6.1943] kennen, die aus Mondsee stammte. Seit 1891 schrieb die einstige Klosterschülerin Literaturkritiken und Feuilletons für die Wiener Zeitung, deren Chefredakteur ihr Vater Friedrich Uhl war, (…). Frida Uhl begeisterte sich für die Ideen der Naturalisten, die sie als Vorkämpfer gegen die ‚künstlichen‘ Konventionen der bürgerlichen Gesellschaft schätzte“ 6), schreibt Friedreich Buchmayr. Und weiter erfahren wir von ihm über Strindbergs Beziehung zu Fridas Uhl, die 1893 in eine Ehe mündete: „Mit dem Erscheinen seines Romans Das Plädoyer eines Irren (1893), einer schonungslosen Abrechnung mit der ersten Ehefrau, festigte sich Strindbergs Ruf als Skandalautor, Frauenhasser und Verrückter.“7)

Ihre desolate finanzielle Situation zwang das Paar 1893 Berlin zu verlassen und zu Fridas Großeltern zu ziehen.

„Strindberg beschäftigte sich hier mit alchimistischen Experimenten und fotografierte mit seiner selbst gebauten Kamera die Gegend. Als er wegen angeblicher unsittlicher Passagen in seinem Roman Das Plädoyer eines Irren ins Greiner Gericht vorgeladen wurde und dessen Zuständigkeit anzweifelte, verbannten die Verwandten ihn und seine Frau aus dem Gutshof in ein kleines Nachbarhaus. (…)

Am 26. Mai 1894 brachte Frida Strindberg in Dornach die gemeinsame Tochter Kerstin zur Welt.“ 8)

Als Frida den Wunsch hegte, wieder als Übersetzerin und Feuilletonistin zu arbeiten, war Strindberg strikt dagegen. Frida Strindberg trennte sich von ihrem Mann, und die Ehe wurde 1897 geschieden.

Nun war auch die zweite Ehe gescheitert, weil Strindberg zwar selbstständige Frauen begehrt hatte, aber es nicht aushielt, wenn diese in der Ehe ihre Selbstständigkeit behaupteten.

„Bis zu seiner dritten Eheschließung im Jahr 1902 hielt August Strindberg noch intensiven Briefkontakt mit seiner Tochter Kerstin. Frida Strindberg hatte in der Zwischenzeit eine kurze Liaison mit dem Dramatiker Frank Wedekind (1864–1918), aus der 1897 der Sohn Friedrich hervorging. Dieser wuchs wie Kerstin bei Frida Strindbergs Mutter Marie Uhl in Saxen auf.

Nach längeren Aufenthalten in New York und London, wo sie das erste Kabarett Englands gründete, kehrte Frida Strindberg in die väterliche Villa nach Mondsee zurück. Dort schrieb sie 1936 ihr Erinnerungsbuch Lieb, Leid und Zeit über die Ehe mit August Strindberg, die sie rückblickend allerdings verklärte.“ 9)

Seine dritte Ehefrau, die Schauspielerin Harriet Bosse (19.2.1878-2.11.1961) lernte Strindberg im Jahr 1900 kennen. Damals war er 51 Jahre und sie 21 Jahre alt. Ein Jahr später heiratete das Paar und im darauffolgenden Jahr wurde die Tochter Anne-Marie geboren.

Harriet Bosse hatte schon im Alter von zehn Jahren Schauspielschulen besucht und war somit schon früh Schauspielerin geworden. Diese Selbstständigkeit wurde auch Harriet Bosse zum „Verhängnis“ – besser wohl – schützte sie vor einem vom Mann bestimmten und abhängigen Eheleben. Bereits nach drei Jahren Ehe kam es 1904 zur Trennung. „Grund für die Trennung war nicht zuletzt der große Altersunterschied, verbunden mit unterschiedlichen Vorstellungen vom Zusammenleben. Bosse fühlte sich eingesperrt und glaubte, ihre Ansprüche ans Leben für Strindberg aufgeben zu müssen. Strindberg verkraftete die Trennung nur schwer; er litt unter Halluzinationen und erotischen Wahnvorstellungen und schickte ihr unablässig Briefe. Erst als Bosse 1908 den schwedischen Schauspieler Gunnar Wingård heiratete, kam die Beziehung endgültig zu einem Ende.“10)

Strindberg erkrankte an Magenkrebs und 1912 im Alter von 63 Jahren.

Frauenfeind: Strindberg
„Daß ich in meiner ersten Gegenwartskomödie [ Die Kameraden] eine geizige und unehrliche Frau herausgegriffen habe – Bertha ist ein hoffnungslos geiziges entsexualisiertes Tier! – ist nicht ungerechter oder unästhetischer als die schändlichen Angriffe Ibsens und seiner Schwestern auf den Mann. Doch es kommt hinzu, daß die Frau insgesamt von Natur aus geizig und instinktiv schurkenhaft ist, auch wenn wir brünstigen Männchen das nicht erkannt haben; ich habe also eine typische Frau herausgegriffen. Sie ist eine Verschwenderin auf Kosten des Mannes, doch wie das Weibchen, das für die Jungen Nahrung sammelt, von Natur aus geizig. (…) Mein Frauenhaß ist im übrigen komplett theoretisch.“
August Strindberg an seinen Verleger Bonnier, 1887

Selbst der Wikipedia-Eintrag über August Strindberg beschäftigt sich mit Strindbergs Frauenbild. Und so heißt es dort: „Strindbergs Verhältnis zu Frauen kann in erster Linie als ambivalent, nicht als absolut negativ, beschrieben werden und ist im Sinne seiner grundsätzlichen Auseinandersetzung mit der Beziehung zwischen den beiden Geschlechtern zu verstehen. Thomas Mann äußerte sich dazu wie folgt (August Strindberg, 1948): ‚Wie stark sich in seinen verzweifelten Kampf gegen diese [bürgerliche Gesellschaft], in der er doch immer nach 'Erfolgen' strebt, ein Elementares und Dämonisches mischt, dafür ist das stärkste Beispiel sein Verhältnis zum Weibe, worin die Polemik gegen moderne Emanzipationsideen die geringste Rolle spielt und eine desto größere der ewige mythische Todhaß der Geschlechter. Es gibt in keiner Literatur eine teuflischere Komödie als seine Eheerfahrungen, als seine Verfallenheit an das Weib und sein Grauen vor ihm, seine heilig monogame Verehrung und Verklärung der Ehe und sein völliges Unvermögen, es darin auszuhalten.‘ (…).“ 11)

Rüdiger Schaper schreibt in seinem Beitrag „Fräulein Strindberg“ über Strindbergs Verhältnis zu Frauen: „(…) Zeitgenossinnen [haben] sein ‚Fräulein Julie‘ als Drama einer jungen Frau verstanden, die ausbrechen will, die vielleicht im falschen Jahrhundert geboren ist. ‚Fräulein Julie‘ lässt sich als präfeministisches Manifest nehmen, geschrieben von einem Mann, der Frauen bei anderer Gelegenheit „‘Kriminelle aus Instinkt, unwissentlich bösartige Tiere‘ nennt. (…).

Man soll nicht billig psychologisieren, aber offensichtlich erträgt dieser Mann die Erfüllung seiner Sehnsüchte nicht. Olof Lagercrantz beschreibt Strindberg als ‚weiblichen‘ Mann, der Frauen als Konkurrenz empfunden habe. Dazu passt die bizarre Geschichte eines Bordellbesuchs in Genf, den er mit einem Arzt unternimmt. Er lässt an Ort und Stelle seinen Penis vermessen und seinen Samen untersuchen. Er besteht die Prüfung. ‚Klein, aber gut‘. Wenn Selbstzweifel eines der ärgsten Beziehungs- und Karrierehindernisse für Frauen sind, dann, in der Tat, war August S. eine Auguste. (…).“ 12)