Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Thielickestieg

Neustadt (1989): Helmut Thielicke (4.12.1908 Barmen-5.3.1986 Hamburg), Theologe. Prediger an der St. Michaeliskirche.


Helmut Thielicke war der Sohn der Lehrerstochter Laura Thielicke, geb. Köhler und des Lehrers und Rektors Reinhard Thielicke.

Im Alter von 28 Jahren heiratete Helmut Thielicke 1937 die damals 26-jährige Pfarrerstochter und Kinderkrankenschwester in Barmen Marie-Luise Martha Herrmann (6.7.1911 Wilferdingen- 2.4.2010 Nürnberg). Das Paar bekam vier Kinder (geboren: 1941, 1943, 1947, 1949).

Helmut Thielicke, der evangelische Theologie und Philosophie studiert hatte, promovierte 1931 mit einer Arbeit über „Das Verhältnis zwischen dem Ethischen und dem Ästhetische“ zum Dr. phil. „und legte 1932 in Koblenz das erste und 1934 in Ansbach das zweite theologische Examen ab. 1934 erfolgte die theologische Promotion über ‚Geschichte und Existenz‘. Schon ein Jahr später habilitierte Thielicke sich mit der Studie ‚Offenbarung, Vernunft und Existenz. Studien zur Religionsphilosophie Lessings‘ für Systemische Theologie und wurde 1936 Dozent in Erlangen“ 1), schreibt der Historiker Rainer Hering. Und weiter erfahren wir von ihm über Thielicke: „Von 1936 bis zum ersten Trimester 1940 vertrat Thielicke einen Lehrstuhl für Systemische Theologie und Religionsphilosophie in Heidelberg.“1) In dieser Zeit heiratete er auch. „Eine Übernahme als Dozent neuer Ordnung wurde aufgrund von grundsätzlichen Überlegungen für die theologischen Fakultäten nach Kriegsende abgelehnt, und seine Lehrbefugnis erlosch. Zweitweise hatte Thielicke im ‚Dritten Reich‘ aufgrund seiner predigten Rede- und Schreibverbot, obwohl er 1933/34 der SA angehört hatte, die er aus gesundheitlichen Gründen hatte verlassen müssen.“ 1)

Im selben Jahr, als das erste Kind geboren wurde, erhielt Thielicke 1941 eine Stelle als „Pfarrer in Ravensburg/Württemberg und [wurde] 1942 Leiter des für ihn geschaffenen Theologischen Amtes der Württembergischen Landeskirche in Stuttgart; in dieser Funktion hielt er wöchentlich dogmatische Vorträge für Laien.“ 1)

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus – nun Vater von zwei Kindern – arbeitete Thielicke als Professor für Systematische Theologie an der Tübinger Universität und „sprach in Lagern vor internierten Nationalsozialisten und Offizieren“. 1) 1951 – nun Vater von vier Kindern im Alter von zehn, acht, vier und zwei Jahren – wurde er Rektor der Universität und Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz.

„1954 wurde er zur Gründung einer theologischen Fakultät nach Hamburg berufen, wo er als Dekan, Professor und Prediger an St. Michaelis, (…) wirkte.“ 2) 1974 wurde Thielicke emeritiert.

Über Thielickes politische Einstellung schreibt Rainer Hering: „Schon frühzeitig war Thielicke für die Demokratie eingetreten, unterstützte aber in erster Linie die gesellschaftlichen Eliten. (…) Politisch nahm er eine eindeutig konservative Position ein und kritisierte ‚linke‘ Strömungen. (…).“1)

Auf der Seite der Konrad Adenauer Stiftung heißt es u. a.: „Obwohl parteilos, stand der konservative Theologe der CDU nahe. Er widersprach Martin Niemöller und Gustav Heinemann [nach beiden sind keine Straßen in Hamburg benannt worden, R. B.] wegen deren ‚Nein‘ zur Wiederbewaffnung. (…). 1957 sprach er vor dem CDU-Parteitag über das ethische Problem der Atombewaffnung.“ 3)

Rainer Hering weiter: „1959 verteidigte er den nationalsozialistisch und antisemitisch belasteten Richter im Nieland-Justizskandal Enno Budde und unterstellte seinen Kritikern ‚Anti-Antisemitismus‘. 1964 kritisierte er in den ‚Burschenschaftlichen Blättern‘ die Vergangenheitsbewältigung als ‚Hexenwahn‘ und ‚Nationalmasochismus‘. Daraufhin vermutete der Direktor der Staatlichen Pressestelle [in Hamburg] Erich Lüth, Thielicke wolle ‚die widerlichen Gewaltverbrechen mit dem Mantel christlicher Nächstenliebe zudecken‘. Schon kurz nach Kriegsende hatte dieser eine Alleinschuld der Deutschen abgelehnt, dabei das ‚Dritte Reich‘ verharmlost und die Opfer aus dem Blick verloren. 1967/68 geriet Thielicke in die Kritik, seine Predigten wurden Gegenstand heftiger öffentlicher Auseinandersetzungen, auch in der Synode. 1978 beklagte er in einer ‚Fallstudie‘ einen von ihm ausgemachten ‚Linksruck‘ in den Evangelischen Studentengemeinden, 1981 griff er den Weltkirchenrat wegen seiner politischen Orientierung an.

Weil er sich zu fast allen aktuellen Fragen äußerte und sich selbst sehr bewusst inszenierte, erlangte Thielicke für den bürgerlich-konservativen Teil der kirchlich interessierten Öffentlichkeit, insbesondere im Protestantismus, eine eng an seine Persönlichkeit geknüpfte gesellschaftlich Deutungsmächtigkeit.“ 1)

1968 gründete er mit anderen die "Projektgruppe Glaubensinformation". Ihre Veröffentlichungen erreichten Millionenauflagen. Später war seine Witwe Vorsitzende der Projektgruppe. Elf Jahre lang war Marie Luise Thielicke auch in der Hamburger Telefonseelsorge tätig. Sie verfasste das Buch „Aus meiner Kinderzeit“.

Thielicke, wie bereits erwähnt, sprach zu allen politischen Fragen seiner Zeit, so z. B. auch zum Thema Homosexualität und zur Frauenordination. Zur Einstellung Helmut Thielickes‘ zur Frauenordination äußert die Kirchenhistorikerin Auguste Zeiß-Horbach: Selbst „als die Berufstätigkeit von Frauen das bisherige Familienbild bereits in Frage stellte, wurde in den theologischen Ethikentwürfen die Frage der Geschlechterordnung mit Blick auf ‚die Frau‘ noch unter dem Thema der Ehe verhandelt [d. h. die Frau kam in erster Linie nur als Ehefrau vor, R. B.]. Selbst in den 1960er Jahren findet sich diese Vorgehensweise. Wie sehr die Vorstellung von der Verschiedenartigkeit der Geschlechter einen Ethikentwurf prägen konnte, zeigt sich bei Helmut Thielicke. Er behandelte die Frage der Frauenordination in dem Kapitel Ordnung der Ehe in einem Exkurs. Thielicke bezog die anthropologischen Wandlungen im Geschlechterverständnis der Gegenwart in seine Überlegungen ein. Obwohl sich nach seiner Auffassung keine normative Schriftzuweisung gegen die Wortverkündigung durch Frauen oder gegen ihre Zulassung zum Pfarramt fand, riet er den Kirchen, ein Zeichen gegen die Nivellierung der Geschlechter in der Gegenwart zu setzen. Sie sollten auf die Bedeutung der schöpfungsmäßigen Verschiedenheit von Mann und Frau verweisen, indem sie das Pfarramt nicht generell für Frauen öffneten. Die Argumentation Thielickes ist ein Zeichen für das Beharrungsvermögen des traditionellen Geschlechterkonstrukts.“4)

Thielickes Einstellung zur Homosexualität beschreibt Christian Eckl wie folgt: „Nicht harmonisch in die Schöpfungsordnung eingebettet sieht Thielicke die Homosexualität des Menschen. Zwar bewegt er sich mit der Politik seiner Zeit in Richtung einer Entkriminalisierung homosexueller Handlungen zwischen Erwachsenen, aber theologisch deutet er sie als Zeichen für die Gefallenheit der Schöpfung. Nicht abzulehnen sei der Homosexuelle als Mensch; ihm und seinen Konflikten, Leiden, Nöten, Anfeindungen hätten sich Kirche und Seelsorger voll und ganz zu widmen. Dabei seien alle Chancen auf ‚Heilung zu nutzen, wobei Thielicke weniger von ‚Krankheit als von ‚Perversion im Sinne von ‚Verkehrung sprechen möchte.“ 5)