Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Thunstraße

Nienstedten (1949): Carl Thun (5.1.1841 Altona -30.10.1938 Hamburg- Klein Flottbek), Pastor in Nienstedten


Vor 1949 hieß die Straße Matthissonstraße, benannt 1929. Bereits in der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Pastor-Thun-Straße umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert wurde, und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen gekommen war. Bedingt durch den Krieg kam es aber nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bis 1949 bei Matthissonstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946)

Bevor Thun Pastor in Nienstedten wurde (tätig von 1888 bis 1918), war er von 1863 bis 1888 Divisionspfarrer gewesen. In der NS-Zeit trat Thun nicht der NSDAP bei.

Thun war der Sohn von Elisabeth Dorothea Thun, geb. Plett und des Kaufmanns Christoph Wilhelm Thun.

Nach dem Theologiestudium wurde er „als Garnison-Pfarrvikar in Stade am 3. Oktober 1869 ordiniert. Er wurde Garnisonspfarrer in Stade und nahm in dieser Eigenschaft am Kriege 1870/71 teil. Nach dem Kriege war er Divisionspfarrer in Flensburg und in Stade (1871-1888)“, schreibt Joachim Lübbe 1986 in einem Portrait über Pastor Carl Thun. Und weiter heißt es bei Lübbe: „Im Jahre 1872 hatte er geheiratet. Sein ältester Sohn war der spätere Seemannspastor in Altona Thun (geb. 1873). Am 15. April 1888 trat er [Carl Thun] das Amt als Pastor in Nienstedten an. Das Kirchspiel hatte damals zwei Geistliche (…).

Im Jahr 1932 konnte er mit seiner Ehefrau das Fest der Diamantenen Hochzeit begehen. Vielfache Ehrungen wurden ihm zuteil. Seine Frau starb an seinem 95. Geburtstag 1936.“ 1)

Wir wollen das Rätsel um die Ehefrau auflösen und ihren Namen nennen: Sie hieß Ida Christine Elisabeth Sturm, wurde am 18.8.1849 in Kiel geboren und starb am 6.1.1936 in Altona Groß-Flottbek. Das Paar hatte mehrere Kinder. 2)

Eine Pfarrersfrau hatte neben ihren Hausfrauen- und Mutterpflichten noch diverse andere Aufgaben zu übernehmen – und dies ehrenamtlich. Noch bis in die 1960er Jahre hinein verlangte die Evangelische Kirche, dass Pfarrersfrauen ihre Ehemänner in dessen Amt unterstützten und sich ehrenamtlich in der Gemeinde engagierten, z. B. den Frauenkreis und Bibelstunden für Kinder leiteten. Angehende Pfarrersfrauen heirateten also nicht nur einen Mann, der Pastor von Beruf war, sondern sie „heirateten“ sein Amt gleich mit, in dem auch sie tätig werden sollten. Deshalb empfahl die Kirche angehenden berufstätigen Pfarrersfrauen auch, den Beruf aufzugeben. So führt Tobias Kühn in seinem Beitrag über Pfarrersfrauen, den der Deutschlandfunk ausstrahlte, aus: „In der Evangelisch-Lutherischen Kirche Bayerns galt noch bis 1972 ein entsprechender Paragraf: ‚Übt die Ehefrau einen Beruf aus, so hat der Pfarrer dies anzuzeigen. Er ist verpflichtet, auf Verlangen dahin zu wirken, dass die Ehefrau um seines Dienstes willen von der Ausübung eines Berufs absieht.‘“ 3)

Damit ein Pfarrer nicht eine für die Kirche unakzeptable Frau heiratete, mussten die heiratswilligen Pastoren ihre zukünftigen Ehepartnerinnen einem Kirchenkonsortium vorstellen. „Der bayrische Oberkirchenrat Hans Schmidt brachte dies 1954 in einem Vortrag auf den Punkt: ‚Unter den Theologiestudenten der Gegenwart befinden sich viele Einzelgänger, die in der Gefahr stehen, von irgendwelchen Mädchen eingefangen zu werden. Wie kann hier geholfen werden? Es ist zu überlegen, ob nicht Möglichkeiten zwangloser Begegnung der Theologiestudenten mit Mädchen, die zur Pfarrbraut geeignet scheinen, geboten werden können. […] Die Kirchenleitung wird darauf sehen, dass der Dienst ihrer Vikare und Pfarrer nicht durch falsche oder problematische Brautwahl Schaden leidet. […] Es ist auch zu fragen, ob bei offensichtlichen Missgriffen nicht zur Entlobung geraten werden muss.‘ (…)

Lange Zeit galt das traditionelle Bild der protestantischen Pfarrfrau: Sie sollte ein offenes Ohr für die Sorgen der Gemeindemitglieder haben, tatkräftig sein, aber zurückhaltend und bescheiden, fleißig, fromm und fürsorglich, kinderlieb und mütterlich, im Erscheinungsbild adrett, aber keinesfalls so, dass sie begehrliche Blicke anzieht.

Sie sollte ihrem Mann stets den Rücken stärken – und das alles öffentlich. Wer Vorbild sein soll, auf den wird geschaut: Alles, was die Pfarrfrau tat – oder nicht tat –, war von größtem Interesse für die Gemeinde.

Doch viele Pfarrfrauen fühlten sich unbehaglich in dieser Rolle. So veröffentlicht die ‚Zeitschrift für Evangelische Ethik‘ 1959 einen Beitrag mit dem Titel ‚Freiheit und Unfreiheit im Leben einer Pfarrfrau‘. ‚Wie viele junge Bräute, die sich einem Pfarrer vermählten, haben in Angst und Bangen sich gesagt: Wenn das nur nicht wäre – dieses schreckliche Exponiertsein vor allen Blicken, dieses Stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit.‘ (…)

Die beiden neuen Leitbilder – die Frau auf der Kanzel und die berufstätige Ehefrau des Pfarrers – läuteten das Ende der Pfarrfrau alten Schlages ein, der Pfarrfrau, wie sie es jahrhundertelang gegeben hatte. (…)

Die Kirche stellte nun Sozialarbeiter und Psychologen ein, es entstanden Ehe- und Lebensberatungsstellen. Für das, was die Pfarrfrau bisher getan hatte, brauchte man plötzlich eine Ausbildung.

All dies drängte die Pfarrfrau noch weiter in den Schatten – und aus dem Blick. Doch gibt es sie nach wie vor in den evangelischen Kirchengemeinden,“ so Tobias Kühn in seinem Beitrag aus dem Jahre 2021. 4)