Trummersweg
Eppendorf (1902): Carl Trummer (22.4.1792 Hamburg – 15.9.1858 Hamburg), Richter, verdient gemacht um die hamburgische Rechtsgeschichte.
Karl Trummer war der Sohn von Elisabeth Dorothea Trummer, geb. Wibel (1769-1822) und des Kaufmanns Johann Tobias Paul Trummer (1759-1831).
Karl Trummer, der Jura studiert und promoviert hatte, ließ sich 1816 im Alter von 24 Jahren als Advokat in Hamburg nieder. Sechs Jahre später, 1822, heiratete er Hedwig Elisabeth von Beseler (25.2.1801 Hamburg – 25.8.1866 Hamburg), Tochter des Oberalten und Postinteressenten Johann Andreas von Beseler und seiner Ehefrau Margaretha Catharina, geb. Petersen. Das Paar bekam sechs Kinder, (geboren: 1823, 1824, 1826, 1826, 1829, 1830). Das erste Kind starb bereits ein Jahr nach seiner Geburt. 1)
„Zusammen mit Dr. Martin Hieronymus Hudtwalcker gab er [Carl Trummer und Vater von damals drei kleinen Kindern, R. B.] die Criminalistischen Beiträge (1825–1827) heraus. Er leitete die juristische Sektion des Vereins für Hamburgische Geschichte und gehörte während der Verfassungskämpfe den Althamburgern an, einer Gruppe die jegliche Veränderung der hamburgischen Verfassung ablehnte und beim Bundestag Protest gegen die Neunerverfassung einlegte. (…). Er übersetzte Ingermann und Byron, schrieb Abhandlungen zur Rechtsgeschichte und veröffentlichte eigene Gedichte.“ 2)
Eine für die Hamburger Frauengeschichte wichtige Abhandlung ist seine Publikation „Vorträge über Tortur, Hexenverfolgungen, Vehmgerichte und andere merkwürdige Erscheinungen in der Hamburgischen Rechtsgeschichte. Bd. 1 und Bd. 2“. Hamburg 1844 und 1850. Darin widmet Trummer der Hexenverfolgung ein Kapitel. In einem weiteren Kapitel beschreibt Trummer die von der Justiz vorgenommenen Folterungen z. B. an einer hochschwangeren Frau, deren Kind daraufhin im Mutterleib verstarb. Auch erzählt Trummer von gefolterten Frauen, die des Kindesmordes angeklagt wurden, weil ihr neugeborenes Kind tot aufgefunden worden war, oder von ledigen schwangeren Frauen, die nach der Geburt des Kindes, das Kind getötet hatten. Ebenso stellt Trummer den Fall einer Entführung einer Bürgerstochter vor, die sich allerdings freiwillig hatte entführen lassen, weil sie ihrem Elternhaus entfliehen wollte. Und Trummer berichtet z. B. auch von dem Fall der Ilsabe Bunck (gest. 2.1.1702), der Anfang des 18. Jahrhunderts für Aufsehen sorgte. Mit diesem Fall hatte sich nicht nur Trummer beschäftigt. Auch heutige Historiker nahmen sich diese Geschichte vor und kamen zu dem Schluss, dass es sich hier um einen Justizmord gehandelt hat. 3)
Im Herbst 1701 wurde auf dem Hamburger Schweinemarkt eine kopflose nackte Frauenleiche aufgefunden. Die Tote war die Bauersfrau Margreth Riecken aus Neuengamme, die ihren Mann verlassen und einige Zeit mit Ilsabe Bunck zusammengelebt hatte. Der Mord wurde dem Apothekergesellen Johann Friedrich Jähner, der aus dem Kopf der Leiche angeblich ein medizinisches Getränk brauen wollte, und den Hökerinnen Anna Ilsabe Bunck und deren Ehefrau Maria Cäcilia Jürgens angelastet. Die drei Angeklagten „gestanden“ lediglich unter der Folter und wurden am 23. Januar 1702 gerädert und ihre Leichen anschließend verbrannt. Der wahre Anklagegrund war die von Jungfer Heinrich, wie Ilsabe Bunck auch genannt wurde, „begangene“ Sodomie. Bereits als Jugendliche hatte sie Männerkleider getragen, den Namen Heinrich Lohmann angenommen, in Rotterdam als Knecht gearbeitet und später in der dänischen Armee gedient.
Gleichgeschlechtliche Liebe war nicht immer das Motiv, wenn Frauen eine männliche Identität annahmen. Oftmals zogen Frauen Männerkleidung an, um in Berufen zu arbeiten, die Frauen verschlossen waren. Auch die in Döverden bei Verden geborene Ilsabe Bunck hatte zunächst aus Arbeitslosigkeit die Travestie gewählt. Später heiratete sie in Hamburg Maria Cäcilia Jürgens und lebte zwei Jahre mit ihr zusammen. „Es kam zur Trennung, als Ilsabe Bunck ihre Partnerin verdächtigte, ein Verhältnis mit einem Mann zu haben, und mit heftiger Eifersucht reagierte. Bald darauf heiratete sie ihre zweite Frau, Anna Elisabeth Paust“, 2) heißt es in einem Aufsatz des Historikers Jakob Michelsen. Diese „Profanierung der Ehe und Missbrauch des göttlichen Namens“ und die Tatsache, dass sie mit den Frauen mittels eines künstlichen Gliedes Unzucht betrieben hatte, wurde Ilsabe Bunck schwer angelastet. Denn eine Frau, die nach außen hin sichtbar die ihrem Geschlecht zugewiesenen Grenzen überschritt und als Mann verkleidet eine Frau liebte, wurde der Sodomie bezichtigt. Darunter war der „unnatürliche Gebrauch der Zeugungsglieder, es sey mit Menschen oder Vieh“ zu verstehen. Allerdings war für Juristen nicht immer vorstellbar, dass frauenliebende Frauen miteinander Sexualität praktizierten. „Nach den damaligen männlich geprägten Vorstellungen gehörte zu einem vollendeten sexuellen Akt die Penetration, und die war unter Frauen schwer vorstellbar, es sei denn mit Hilfe eines Dildos oder einer übergroßen Klitoris. Andere sexuelle Handlungen von Frauen wurden meistens entweder nicht als solche angesehen oder man(n) nahm sie zumindest nicht recht ernst“, 2) führte Jakob Michelsen weiter aus.
Die noch im 18. Jahrhundert angewandte Constitutio Criminalis Carolina aus dem Jahre 1532 drohte Menschen, die Menschen ihres Geschlechtes liebten, mit dem Feuertod. Im Zuge der Aufklärung gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Todesstrafe für gleichgeschlechtlich liebende Männer und Frauen abgeschafft und „nur“ noch Haftstrafen oder Zwangsarbeiten verhängt. 4)