Böcklerstraße
Horn (1964): Hans Böckler (25.2.1875 Trautskirchen – 16.2.1951 Düsseldorf), Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes
Hans Böckler wurde „als Sohn eines Dienstknechts und einer Tagelöhnerin geboren. Die Eltern heirateten im Jahr 1876, nachdem der Vater als Kutscher im Fuhrbetrieb der Stadt Fürth eine bescheidene, aber feste Anstellung gefunden hatte.“ 1) Nach dem frühen Tod seines Vaters musste der damals 13-jährige Hans Böckler die Schule verlassen, um zum Lebensunterhalt der sechsköpfigen Familie beizutragen. Die Löhne der Frauen, Mütter und Witwen reichten nicht aus, um allein eine Familie ernähren zu können, denn ihr Lohn galt in einem patriarchalen Gesellschaftssystem immer nur als „Zuverdienst“ zum Einkommen eines Ehemannes und fiel entsprechend gering aus.
Nachdem Hans Böckler seine Lehre als Metallschläger beendet und 1892 auf Wanderschaft gegangen war, ging er nach seiner Rückkehr nach Fürth 1894 eine Lebensgemeinschaft mit der gleichaltrigen Magdalena Barbara Müller ein, die einst seine Schulgefährtin gewesen war und mit der er gemeinsam – sie als Arbeiterin – in einer Werkstatt arbeitete. Im selben Jahr trat er der SPD bei. 1895 wurden das erste Kind, 1986 das zweite und 1898 das dritte Kind geboren. Erst 1899 durfte das Paar heiraten, da Böckler erst dann das Bürgerrecht erwerben konnte. 2)
In der Neuen Deutschen Biographie heißt es über Hans Böckler: „Nach der Gründung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes wurde B. 1920 zum ersten Bevollmächtigten der Verwaltungsstelle Köln des Deutschen Metallarbeiterverbandes ernannt (…). 1928 wurde er für die SPD in den Reichstag gewählt, nachdem er bereits seit 1924 ein Mandat in der Kölner Stadtverordnetenversammlung innegehabt hatte.“ 3)
Über die Zeit des Nationalsozialismus schreibt Gabriele Müller-List in ihrem Portrait über Hans Böckler: „Als Hitler am 30. Januar 1933 Reichskanzler geworden war und die Nationalsozialisten im Zuge der Gleichschaltung auf allen Gebieten darangingen, die Gewerkschaftshäuser zu besetzen, geriet auch Böckler in ihre Fänge. Das war am 2. Mai. Wie viele seiner Kollegen wurde er verhaftet und ins Düsseldorfer Polizeigefängnis gebracht, aber nach wenigen Tagen wieder entlassen. Am 8. Juni 1933 stellte die NSDAP jedoch Strafantrag gegen Böckler und den Kassierer der Bezirksleitung. Man beschuldigte ihn, Akten vernichtet und 70 000 Reichsmark unterschlagen zu haben. Böckler hatte in der Tat angesichts der nationalsozialistischen Bedrohung Mitte März Akten, die nicht in die Hände der Nationalsozialisten fallen sollten, vernichtet und die genannte Summe aus demselben Grund zu Teilen auf verschiedene Privatkonten und an die Arbeiterbank in Bochum überwiesen. Ende September wurde er erneut verhaftet und von der Gestapo bis Mitte Dezember in sogenannte Schutzhaft genommen. Am 5. Februar 1934 fand vor dem Düsseldorfer Schöffengericht die Verhandlung gegen ‚Böckler und Genossen‘ statt. Die Verteidigung berief sich auf die nationalsozialistische Propaganda, die den Reichstagsbrand vom Februar 1933 einer kommunistischen Verschwörung zuschrieb, und erklärte, Böckler habe bei der Vernichtung der Gewerkschaftsakten und der Sicherstellung der Gelder in dem Glauben gehandelt, einem kommunistischen Angriff auf den Staat zuvorzukommen. Im übrigen sei der NSDAP durch die Tat kein Nachteil im Sinne des Strafgesetzbuches zugefügt worden. Daraufhin sprach das Gericht ihn frei. In der Folgezeit lebte Böckler zurückgezogen und unauffällig bei seiner Familie in Köln, zeitweise auch bei seiner verheirateten Tochter in Bergisch Gladbach. Hatte er als Reichstagsabgeordneter und Gewerkschaftsfunktionär über ein eher überdurchschnittliches Monatseinkommen verfügen können, so mußte die Familie jetzt von dürftigen Unterstützungszahlungen aus der Arbeitslosen- und Angestelltenversicherung leben. Ob sich Böckler, der auch weiterhin nicht sicher vor Verfolgung war, in den folgenden Jahren aktiv am Widerstand beteiligte, ist nicht nachweisbar. Er hatte allerdings Kontakt mit Politikern der aufgelösten Parteien und ehemaligen Gewerkschaftskollegen, unter ihnen Wilhelm Leuschner und Jakob Kaiser. Das Jahr 1944 und den letzten Kriegswinter lebte er angesichts der ständigen Überwachung und wiederholter Hausdurchsuchungen größtenteils in einer selbstgebauten Hütte nahe Ottoherscheidt im Bergischen Land. Das kam ihm besonders nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 zugute, als er wieder einmal von der Gestapo verhaftet werden sollte. Nach dem Kriegsende, das er noch in Ottoherscheid erlebte, kehrte Böckler nach Köln zurück.“ 4)
„Nach dem Zusammenbruch 1945 wurde B. in Köln und im Rheinland zum Organisator des neuen Deutschen Gewerkschaftsbundes und zugleich vom britischen Stadtkommandanten in die Kölner Stadtvertretung berufen. 1946 folgten seine Wahl zum Vorsitzenden des Bezirks Nordrhein-Westfalen des DGB, die Ernennung zum Mitglied des Zonenbeirates für die britische Zone und die Wahl zum Mitglied des ersten Landtages von Nordrhein-Westfalen. Die zunehmenden gewerkschaftlichen Verpflichtungen, insbesondere die Wahl zum Vorsitzenden des DGB für die britische Zone am 24.4.1947 und am 6.11. die Wahl zum Vorsitzenden des bizonalen, später trizonalen Gewerkschaftsrates, machten die Niederlegungen aller politischen Mandate notwendig. (…). Am 14.10.1949 wurde B. auf dem Münchener Gründungskongreß mit 397 von 474 Stimmen zum Vorsitzenden des DGB für das Gebiet der Bundesrepublik und am 7.12.1949 in London bei der Gründung des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften zu dessen Vizepräsidenten gewählt. Die Berufung in die Leitung zahlreicher Verbände und Vereinigungen, so des Hauptausschusses des Nordwestdeutschen Rundfunks, des Ehrenpräsidiums der Weltwirtschaftlichen Vereinigung in Berlin, des Verwaltungsrates der Wiederaufbau- und Kreditbank in Frankfurt/Main und des Aufsichtsrates des Hüttenwerkes Oberhausen, war Ausdruck des Einflusses der Persönlichkeit B.s auf die Neugestaltung des öffentlichen Lebens in Deutschland nach 1945. Die Krönung seiner Arbeit für die deutsche Gewerkschaftsbewegung bedeutete das unter Vermeidung des schon beschlossenen Streiks in diesen Industriegruppen durchgesetzte Mitbestimmungsrecht in der Stahl- und Eisenindustrie und dem Bergbau zu Beginn des Jahres 1951, womit nach seinen Worten ein erster Schritt auf dem Wege zur Neuordnung der deutschen Wirtschaft und zum Ausgleich zwischen den Sozialpartnern getan war. (…).“ 5)
In einer Nachkriegsreportage des NWDR über den privaten Hans Böckler stellte der Reporter die Frage an Magdalena Böckler: „Sie haben Ihr Leben an der Seite Ihres Gatten wirklich nicht immer genossen, (…) denn ein Mann, der so in der Öffentlichkeit steht wie Ihr Gatte, von dem haben Sie ja als Frau nichts.‘ (…) ‚Nee, da hab ich gar nichts. Der geht fort, acht Tage, und kommt dann wieder und holt sich frische Wäsche, packt ein und haut dann wieder ab. Oder aber er liest Zeitungen, stundenlang. Und wenn man dann sagt, ich bin ja auch noch hier, dann sagt er: ‚Ich muss ja meine Zeitungen lesen, nützt alles nichts.‘ Ihr Mann, erklärt sie, sei eher ‚Schlafgänger‘ als Kostgänger.‘Kochen Sie denn so schlecht?‘, will der Journalist wissen. Magdalena antwortet: ‚Mein Mann isst schon einmal hier. Aber was ich koche, sagt ihm meistens dann nicht zu.‘ Er sei zwar ‚ein ganz guter Kerl‘, aber sie bleibe eben auch oft allein zuhaus. ‚Ich kann doch meine Frau nicht überall mit herumschleppen‘, sagt Böckler. Er sieht sich selbst als Funktionär, der nicht verfügt, sondern über den verfügt wird. Und als ein Mann ohne Hobbys: ‚Ich wüsste gar nicht, was mir mehr Spaß machte, als wenn ich mich draußen tummeln kann.‘ Die Botschaft ist klar: Von zu Hause gibt es eigentlich nichts Bedeutendes zu berichten.“ 6)