Albert-Schäfer-Weg
Eißendorf (2003): Dr. jur. h.c. Albert Schäfer (13.1.1881 Köln-22.1.1971 Hamburg), Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der Harburger Phoenix Gummiwerke AG von 1933-1946, Präses der Handelskammer von 1946-1956, maßgeblich beteiligt bei der Übergabe Hamburgs an die Engländer zum Kriegsende 1945
Albert Schäfer war auch Mitglied der Ernannten Bürgerschaft in Hamburg 1946 und Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages 1951-1954. An Ehrungen erhielt er u. a. die Bürgermeister-Stolten-Medaille 1951, die Ehrendoktorwürde der Universität Hamburg 1956, den Ehrenvorsitz der Handelskammer Hamburg auf Lebenszeit 1956 und das Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband 1966.
Im September 2020 berief die Behörde für Kultur und Medien eine Kommission aus acht Expertinnen und Experten, die Entscheidungskriterien für den Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg entwickeln und Empfehlungen zu möglichen Umbenennungen aussprechen sollte.
Zum Albert-Schäfer-Weg gab die Kommission im März 2022 die Empfehlung: Umbenennung mit folgender Begründung: „Schäfer war als Vorstandsvorsitzender verantwortlich für den Zwangsarbeitereinsatz bei den Phoenix-Werken. Mit den Zweigwerken in Riga und Prag, in denen jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, beteiligte sich das Unternehmen aktiv an der nationalsozialistischen Ausbeutungspolitik in den besetzen Gebieten in Osteuropa. Schäfer betrieb die ‚Arisierung‘ der gemeinsam mit seinem jüdischen Geschäftspartner Max Goldschmidt gegründeten Firma Metallgummi GmbH und leistete nach 1945 erst Wiedergutmachung, als Goldschmidt diese erstritt.“
Albert Schäfer wurde am 13.1.1881 in Köln geboren. Seine Mutter war Theodora Sophia, geborene Albrecht (1852-1919), Tochter eines Maschinisten; sein Vater war der Eisenbahn-Werkführer Jacob Schäfer (1850-1932).
In Hamburg lebte er in der Akazienallee 7. Nach Abitur und einer kaufmännischen Lehre bei der Rheinischen Gummiwarenfabrik Clouth A. G: sowie Auslandstätigkeiten u. a. in England, USA, Italien, Russland begann Albert Schäfer in den Gummiwerken Titan B. Pollak A. G: in Waltershausen tätig zu werden.
1905 im Alter von 24 Jahren heiratete er die zwei Jahre ältere Margarete Imdahl (1879-1947). Das Paar bekam vier Söhne – geboren zwischen 1907 und 1914. a) In dieser Zeit avancierte Albert Schäfer „1908 (…) zum Prokuristen, 1909 zum stellvertretenden Vorstandsmitglied und 1912 zum alleinigen Vorstand (…). 1929 erfolgte die Fusion dieser Firma mit der Continentale Gummiwerke AG., Hannover, deren Vorstand Schäfer bis Ende 1932 angehörte.“ b) Von 1932 bis nach der Befreiung vom Nationalsozialismus war Albert Schäfer als Fabrik/Werksdirektor der Harburger Phönix AG. beschäftigt.
In dieser Zeit wurde er geschieden und heiratete 1936 im Alter von 55 Jahren die 26 Jahre jüngere Sekretärin Elisabeth Koellner (6.5.1907-1997), Tochter eines Regierungsrates. Mit ihr bekam er weitere vier Kinder (drei Söhne, eine Tochter, geboren: 1937, 1939, 1940, 1942). c)
Von April 1946 bis 1961 fungierte Albert Schäfer als Aufsichtsratsvorsitzender der Phoenix-Gummiwerke AG. Außerdem arbeitete er als Geschäftsführer der Vereinigten Gummiwarenfabriken Harburg-Wien vorm. Menier J. N: Reithoffer GmbH.
Schäfer war auch von 1937 bis 1956 im Beirat der Hamburger Handelskammer tätig. „Am 9. Dezember 1946 übernahm er das Amt des Präses, das Paul Wirtz aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt hatte. Damit begann eine in der Geschichte der Comnmerzdeputation und der Handelskammer einmalig langjährige Amtszeit, die mehr als neun Jahre währen sollte. Das hing nicht nur mit der erst 1954 wieder möglichen Wahl eines Präses durch das Plenum (aufgrund einer vom Senat genehmigten vorläufigen Satzung der Handelskammer vom 9. April 1954) zusammen, das ihm vorher wiederholt einstimmig sein Vertrauen bekundet hatte. Die lange Amtszeit gründete sich vor allem auf die ungewöhnlichen Zeitumstände, bei deren Überwindung Schäfer aktiv mitwirkte. Von der Kapitulation Hamburgs über die Verhinderung mancher Demontagen, Bemühungen um die Versorgung der Bevölkerung und Anbahnung erster Auslandsverbindungen bis zum Wiederaufbau nach der Währungsreform 1948. (…) Die Handelskammer verlieh ihm am 23. Juli 1954 ihre Goldene Denkmünze. Das Plenum beschloß am 12. Januar 1956, ihren wiederaufzubauenden großen Sitzungssaal den Namen Albert Schäfer zu geben. Er wurde 1958 eingeweiht (…). Zu seinem 75. Geburtstag empfing Albert Schäfer am 13. Januar 1956 die Ehrendoktorwürde der juristischen Fakultät der Universität Hamburg. Das Plenum verlieh ihm als ersten in der Geschichte der Commerzdeputation und der Handelskammer den Titel eines Ehrenpräses auf Lebenszeit.
Mit Vollendung seines 75. Lebensjahres schied Schäfer aus Plenum und Präsidium aus. Als Ehrenpräses nahm er jedoch in den folgenden Jahren noch häufig an den Sitzungen dieser Gremien teil.“ d)
Über Albert Schäfer[1] schreibt der Historiker Sebastian Justke:
Albert Schäfer übernahm im April 1933 die Leitung der Harburger Gummiwarenfabrik Phoenix. Der gelernte Kaufmann blickte zu diesem Zeitpunkt auf eine mehr als drei Jahrzehnte währende Berufslaufbahn zurück. Zwischen 1912 und 1929 war er alleiniger Vorstand der Gummiwerke Titan B. Polack, anschließend in leitender Funktion bei der Continental AG in Hannover tätig. Schäfer war als Parlamentär an der kampflosen Übergabe Hamburgs im Mai 1945 beteiligt. 1946 wurde er zum Präses der Handelskammer Hamburg ernannt und hatte diese Position bis 1956 inne. Anlässlich seines 75. Geburtstags im selben Jahr wurde Schäfer vom Senat der Stadt Hamburg und anderen städtischen Akteuren öffentlich mit zahlreichen Ehrungen ausgezeichnet.
Eine nach wie vor zentrale Frage der Unternehmensgeschichtsschreibung zur Zeit des Nationalsozialismus ist die nach Bedeutung und Umfang unternehmerischer Entscheidungs- und Handlungsspielräume.[2] Albert Schäfer war 1933 in die Deutschen Arbeitsfront (DAF) eingetreten, jedoch kein Mitglied in der NSDAP oder einer ihrer engen Unterorganisationen. Dennoch verfügte der Unternehmer gerade in den ersten Jahren nationalsozialistischer Herrschaft nicht nur über ausreichend Handlungsspielräume, die ihm eine Umstrukturierung der Phoenix AG nach seinen Vorstellungen erlaubten. Vielmehr nutzte er die erst durch den Nationalsozialismus geschaffenen Handlungsspielräume zu seinen unternehmerischen Gunsten aus. Dies betraf insbesondere die von Schäfer vorgenommene Ausrichtung der Produktion auf Rüstungsgüter und die damit verbundene Annahme staatlicher Aufträge, das Feld der „Arisierung“ jüdischer Unternehmen, die Beteiligung an der nationalsozialistischen Ausbeutungspolitik in den besetzten Gebieten Europas und den Einsatz von Zwangsarbeiterinnen im eigenen Unternehmen. Nicht durch Zufall lassen sich die Verhaltensweisen Albert Schäfers und der Führungsriege der Phoenix, bei denen sie Handlungsspielräume des Nationalsozialismus ausnutzten, ausreizten, vielleicht sogar überreizten, für eine spezifische zeitliche Phase der nationalsozialistischen Herrschaft nachweisen. Dies waren die „Jahre der Euphorie“ zwischen 1938 und 1942, als sich angesichts riesiger Profitmöglichkeiten eine „Goldgräberstimmung“ in den großen Unternehmen ausbreitete und Vorbehalte gegenüber dem Regime verflüchtigten.[3]
Im Bereich der „Arisierung“ zeigte sich dies bei der Metallgummi GmbH, einer Firma, die vom jüdischen Ingenieur und Unternehmer Max Goldschmidt und der Phoenix AG unter Albert Schäfer 1934 zusammen gegründet und dann kurze Zeit später, angesichts der wachsenden Bedrohungslage gegenüber Jüdinnen und Juden im Deutschen Reich, unter direkter Beteiligung von Schäfer gänzlich übernommen wurde.[4] Erst auf Initiative ihres ehemaligen Geschäftspartners Goldschmidt, der nach Kriegsende erfolgreich das Wiederkaufsrecht seiner Anteile erstritt, leisteten Schäfer und die Phoenix Wiedergutmachung. Schäfers aktiv erstrebte Mittäterschaft bei der Enteignung und Verdrängung von Jüdinnen und Juden werden anhand eines im Centre for German-Jewish Studies der University of Essex archivierten Briefwechsels zwischen ihm und Max Goldschmidt mehr als deutlich.[5]
Auch die Firmenpolitik der Phoenix in den besetzten Gebieten in Europa reizte die durch den Nationalsozialismus geöffneten Handlungsspielräume vollständig aus. Neben den Firmen in West- und Nordeuropa, wo die Phoenix lukrative Lizenzverträge abschloss, zeigt sich dies in besonderer Weise in den besetzten Gebieten im Osten Europas. In Riga und in Prag unterhielt die Phoenix Zweigwerke, mindestens das Werk in Riga war nicht nur gepachtet, sondern seit 1942 im vollständigen Besitz der Phoenix AG. Dass Albert Schäfer keine zwei Monate nach der Besetzung Rigas durch deutsche Truppen im Juli 1941 mit dem Vorstandsmitglied und Ingenieur Eduard Stübiger einen seiner wichtigsten Angestellten für Sondierungen nach Riga schickte und im September selbst dorthin reise, wohl um die drei großen Gummifabriken der Stadt auf ihre Übernahmetauglichkeit zu überprüfen, zeigt, wie Albert Schäfer die ihm zur Verfügung stehenden Handlungsspielräume nutzte. Die Gummifabrik Quadrat, für die sich Schäfer und der übrige Vorstand schließlich zur Übernahme entschieden, konnte vermutlich zu einem Preis erworben werden, der deutlich unter dem Marktwert lag. Die beiden Werke in Riga und Prag waren wichtige Teile des Produktionsnetzes der Phoenix, die Firma in Prag trug in den letzten Kriegsjahren einen erheblichen Anteil am Gesamtumsatz des Unternehmens bei. Die Bedeutung der annektierten Firmen im Osten Europas zeigt sich nicht nur an den Investitionen der Phoenix und dem Anteil am Gesamtumsatz, sondern ferner an der persönlichen Kapitalanlage Schäfers in Riga und der kontinuierlichen Entsendung zahlreicher leitender Angestellter und Fachkräfte aus dem Stammwerk in die jeweiligen Werke im Osten.
Der Einsatz von Zwangsarbeiter:innen in der Phoenix AG ist schon länger bekannt und über dessen Ausmaß gibt es einige Anhaltspunkte.[6] Im Stammwerk in Harburg stellten Zwangsarbeiter:innen während des Zweiten Weltkriegs zeitweilig die Hälfte der dortigen Belegschaft. Unter ihnen befanden sich viele zivile Arbeiter:innen insbesondere aus Russland und der Ukraine sowie russische, italienische, französische und aus anderen Nationen stammende Kriegsgefangene. Auch in den Firmen in den besetzten Gebieten vor allem in Osteuropa spielte Zwangsarbeit eine große Rolle. Es gibt einige Hinweise, dass der Einsatz von Zwangsarbeiter:innen in der Phoenix nicht allein fremdbestimmt war, sondern durchaus im Einklang mit dem Eigeninteresse der Unternehmensführung stand und von dieser aktiv angestrebt wurde. Systematische Misshandlungen von Zwangsarbeiter:innen in der Phoenix tauchen in den bisher bekannten Quellen nicht auf, jedoch kam es zu individuellen Misshandlungen mit zum Teil schweren Verletzungsfolgen, die vonseiten der Firmenleitung nicht sanktioniert wurden.
Albert Schäfer selbst war kein NSDAP-Mitglied, jedoch zahlreiche Vorstandsmitglieder und leitende Angestellte der Phoenix AG. In einigen Fällen hatten Albert Schäfer und andere Mitglieder der Unternehmensführung ihnen persönlich und unter Verweis auf das Wohl der Firma zu einem Parteieintritt geraten. Diese Strategie demonstriert zweierlei. Zum einen war sie ein unternehmerisches Instrument, mit dem NS-Regime umzugehen und dessen Wohlwollen zu erhalten. Zum anderen zeigt dieses Beispiel eindrucksvoll, dass deutsche Firmenchefs wie Schäfer nach 1933 nicht selbst in die NSDAP eintreten mussten, um Teil der NS-Wirtschaft zu sein und eine erfolgreiche Unternehmenspolitik zu betreiben. Zugespitzt ließe sich formulieren, dass sogar eine – selbstverständlich nicht offen geäußerte – Ablehnung der NS-Ideologie keinen Widerspruch dazu bilden musste, nach 1933 als Unternehmer weiter in der Wirtschaft mitzumischen und damit Teil des Nationalsozialismus zu sein.
Text: Sebastian Justke
Als Albert Schäfer in der NS-Zeit Vorstandsvorsitzender der Harburger Phoenix AG war, waren rund 1500 Zwangsarbeiter, „bei der Phoenix und der Internationalen Galalith eingesetzt (..). Die großen Lager der Phoenix, mit überwiegend Ukrainern, befanden sich Schützenplatz/ Ecke Lönsstraße (heute Kapellenweg; 585 bzw. 100 Plätze) und an der Winsener Straße (100); daneben verfügte die Firma noch über ein Lager am Rande der Haake in der Gaststätte Eißendorfer Schweiz (120) sowie über ein mit anderen Betrieben genutztes Gemeinschaftslager (400) in der Straße Am Radeland, auf Höhe der Hangstraße.“ e)
Albert Schäfers Erklärung vom 23.9.1946 gegenüber den Alliierten zu seiner politischen Einstellung und den wirtschaftlichen Aktivitäten der Phoenix in der Zeit des Nationalsozialismus, die sich in der Akte „Staatskommissar f. d. Entnazifizierung und Kategorisierung“ befindet, heißt es wie folgt: „Seit ich politisch denken kann, ist meine Einstellung eine rein demokratische gewesen. Diese demokratische Einstellung konnte ich vertiefen durch frühzeitige und häufig wiederholte Reisen durch ganz Europa, hauptsächlich auch nach England, Frankreich, Holland und Belgien, wodurch mir Gelegenheit geboten wurde, mit Wirtschaftlern und auch Politikern politische Probleme zu erörtern.
Die Zuspitzung der politischen Verhältnisse seit 1908 habe ich in allen einzelnen Phasen verfolgen können und habe nach der ersten Marokko-Krise damit gerechnet, falls sich im letzten Moment die Hauptmächte Europas nicht verständigten, dass ein allgemeiner europäischer Krieg unvermeidbar war.
Da ich die Dinge in der Hauptsache vom wirtschaftlichen Standpunkt aus beurteilen konnte, gingen meine Bestrebungen seit 1908 dahin, überall im Ausland Interesse für eine Föderation der europäischen Staaten zu erwirken, da mir darin bei den sich bildenden Grossraum-Wirtschaftsgebieten das einzige Heil für Europa erschien.
Ich war auch bei Beginn des ersten Weltkrieges vom ersten Tag an davon überzeugt, dass es Deutschland niemals gelingen könne, gegen die Koalition seiner Feinde siegreich zu sein.
Das Ende des ersten Weltkrieges hat meinen Befürchtungen recht gegeben.
In der sog. Weimarer Republik war ich stets Anhänger einer freien demokratischen Entwicklung und habe alle Bestrebungen unterstützt, welche zum Zusammengehen der europäischen Völker dienlich sein konnten. In der Hauptsache war ich glühender Anhänger und Verteidiger der von Stresemann/Briand eingeleiteten Verständigungspolitik zwischen Deutschland und Frankreich, da ich darin den Schlüssel zu einer Konsolidierung der europäischen Verhältnisse sah.
Ich habe selbst zwei Unterredungen mit Briand geführt und mich auch mit Stresemann – ich erinnere nicht mehr in welchem Jahre – in Wiesbaden über die europäische Politik eingehend ausgesprochen.
Ich bin auch Anhänger des berühmtesten Wirtschaftspolitikers Englands, Lord Keynes gewesen und habe sein Wirken seit seiner Teilnahme am Versailler Vertrag aufmerksam verfolgt.
Keynes hat in seinem berühmten Buch ‚Die Folgen des Friedens von Versailles‘ ja auch die kommende Entwicklung ziemlich klar vorausgesehen.
Es bedarf wohl keiner besonderen Herausstellung, dass ich nach dieser ganzen politischen Entwicklung und Betätigung von vornherein entschiedener Gegner der nazistischen Bestrebungen sein musste. Ich habe mit grosser Sorge der Entwicklung des Nationalsozialismus vom Jahre 23 an verfolgt und wurde deshalb auch kurz vor dem Umbruch entschiedener Anhänger der von Brüning betriebenen Politik. Die ganze Entwicklung hat meinen Befürchtungen recht gegeben.
Vom Jahre 1936 an war es mir klar, dass die von Hitler betriebene Politik auf einen neuen Weltkrieg hinaussteuerte. Ich habe infolgedessen das Amt des Fachgruppenleiters der Kautschukindustrie, welches ich, um meiner Sparte zu dienen, im Jahre 1934 übernommen hatte, auch im Jahre 1936 abgegeben und mich trotz wiederholter Aufforderungen der Berliner Zentralstellen nicht bereit finden lassen, das Amt wieder zu übernehmen. Die Versuche, mich zur Übernahme zu veranlassen, wurden zuletzt im Jahre 1938 wiederholt und wurden so dringend gemacht, dass höchste Beamte des Reichswirtschaftsministeriums mich mehrfach in Harburg aufsuchten, um mich persönlich zur Übernahme dieser Stellung zu bewegen.
Das Geschick nahm seinen Lauf. Der Krieg brach aus und ich habe in den mir zugänglichen Kreisen, vor allen Dingen meinen leitenden Herren gegenüber, nie ein Hehl daraus gemacht, dass dieser Krieg für Deutschland niemals zu gewinnen sei.
Lange vor Ausbruch des Krieges habe ich in einer Gesellschaft, in der – wie ich wusste – sehr viele Nazi-Anhänger vertreten waren, den Ausspruch getan, dass mir Hitler vorkäme wie ein Wahnsinniger, welcher mit einer brennenden Pechfackel in der Hand zwischen lauter offenstehenden Dynamitfässern herumspränge und nicht Ruhe liesse, bis der Funke in eines dieser Fässer geflogen sei. Wegen dieser und ähnlicher Äusserungen, deren ich mich im einzelnen nicht mehr erinnere, hat es scharfe Auseinandersetzungen gegeben, die schliesslich zum Auseinanderfallen dieser Vereinigung führten.
Ich war mir schon bei Beginn des Krieges darüber klar, da ich die einschlägige englische politische Literatur verfolgt habe, dass Amerika unter allen Umständen diesem Kriege gegen Deutschland beitreten würde.
Ich war mir auch darüber klar, dass Russland niemals erobert werden kann und habe immer wieder auf das klassische Buch von Clausewitz vom Kriege verwiesen, in dem diese Unmöglichkeit auch klar ausgesprochen ist.
Der Krieg nahm also seinen Gang. Auf Grund der Anfangserfolge wurde die deutsche Industrie gezwungen, zur Ausweitung des deutschen Rüstungspotentials die Verbindung mit der entsprechenden ausländischen Fachindustrie aufzunehmen, diese gewissermassen zu vergewaltigen und sog. Beteiligungsverträge mit mindestens 50% Beteiligung abzuschliessen. Ich habe den Abschluss solcher Verträge angelehnt und lediglich Lizenzverträge auf Verarbeitung von Buna abgeschlossen, die dann, obschon sie zuerst als ungeschickte Machwerke verworfen wurden, doch allgemein eingeführt worden sind. Der Erfolg dieser Massnahme war der, dass noch heute zwischen Phoenix und den massgebenden ausländischen Fabriken, auch denen der Feindstaaten, die besten persönlichen Beziehungen bestehen.
Die deutsche Kautschukindustrie wurde ferner gezwungen, und zwar mit der zunehmenden Gefahr der Bombardierung der deutschen Industriestandorte, in immer steigendem Ausmasse im Ausland Niederlassungen zu errichten. Es wurde uns der Auftrag gegeben, uns für Fabrikunternehmen in Lodz, Graudenz, Riga und Prag wie auch in Holland einzusetzen. Ich habe es erreicht, dass wir lediglich in Riga und Prag Fabrikationsstätten aufnahmen. Eine Verpflanzung unserer Abteilung Metallgummi nach Riga, welche von mir verlangt wurde, habe ich abgelehnt, konnte dagegen nicht vermeiden, nach Prag zu gehen, um dort Reifen und Metallgummi-Artikel fabrizieren zu lassen. Die Ausweitung der Prager Anlage habe ich nach Kräften sabotiert. Ich habe es z. B. verhindert, Maschinen, welche nach Prag abgestellt werden sollten, zum Versand zu bringen, in dem ich Anweisung gab, sie zunächst einer gründlichen Reparatur zu unterziehen und diese Reparatur möglichst überhaupt nicht zu beenden. Einzelne Spezialmaschinen sind deshalb überhaupt nie zur Ablieferung nach Prag gekommen.
In einer Aufsichtsratssitzung unserer Gesellschaft in Berlin während des Krieges habe ich meinen politischen Standpunkt und meine Einstellung zum Nazitum in einer so klaren und unverhüllten Weise dargelegt, dass ich mir dadurch die Feindschaft des Aufsichtsratsvorsitzenden zugezogen habe, der infolgedessen nichts unversucht liess, mich von meinem Posten zu entfernen, und der sich laut in meinem Besitz befindlicher Unterlagen lange mit dem Gedanken getragen hat, mich bei den Nazis wegen Defätismus und wegen der damals gefallenen Äusserung, dass ich Hitler für den grössten Verbrecher aller Zeiten halte, zur Anzeige zu bringen.
Der Betrieb wurde wegen meiner Einstellung von Berlin aus in keiner Weise unterstützt. So war es uns z. B. unmöglich, für eine dringend benötigte Kesselanlage überhaupt die Eisenkontingente zu bekommen, so dass wir noch heute in der Dampfzentrale durch diese Nichtbeachtung wichtigster Werksbelange zu leiden haben.
Ich habe das Werk so viel wie möglich aus direkten Kriegslieferungen herauszuhalten versucht. Tatsache ist, dass entgegen fast allen anderen deutschen Gummiwarenfabriken die Menge der verarbeiteten Mischungen bei der Phoenix im Jahre 1944 nicht höher war als im Jahre 1939. Ich habe die Entwicklung der Flugzeugreifen zu bremsen versucht, obschon die Phoenix vor dem Kriege auf diesem Sektor bahnbrechend gewesen ist.
Den Schutz der Werksangehörigen vor Naziangriffen habe ich mir zur vornehmsten Pflicht gemacht. Ich habe mich schützend vor die Mitglieder des Betriebsrates aus der Zeit vor 1933 gestellt. Ich habe Juden meinen besonderen Schutz angedeihen lassen, insbesondere dem Abteilungsleiter Tobar (Volljude), dem ich vielleicht sogar das Leben gerettet habe, dadurch, dass ich die Gestapobeamten, welche ihn abholen wollten, in meinem Zimmer unter nichtigen Vorwänden so lange hingehalten habe, bis Herrn Tobar Gelegenheit geboten war, das Werk zu verlassen und zu entfliehen. Trotz heftigsten Protestes der Kreisleitung habe ich bis Ende 1944 einen Abteilungsleiter, der Halbjude ist, gehalten. Eine halbjüdische Telefonistin, bei der sämtliche Telefongespräche und auch die Fernschreiben durchliefen, und die deshalb immer wieder angegriffen wurde, habe ich so lange gehalten, bis sie wieder nach der Kapitulation in ihre alte Stellung zurückkehren konnte.
Auch die Phoenix war verpflichtet, wie alle Grossbetriebe, während des Krieges ausländische Arbeitskräfte einzustellen. Meine Anweisungen gingen dahin, diese unglücklichen Menschen in jeder Beziehung menschenwürdig zu behandeln. Jede körperliche Misshandlung war von mir verboten. Für die Unterbringung, Verpflegung und Betreuung der Ausländer hat die Phoenix im Laufe der Jahre grosse Summen aufgebracht.
Mit der französischen Fachindustrie, deren Arbeiter bei uns eingesetzt waren, wurde eine Vereinbarung getroffen, die es dem Personalchef der französischen Leitfirma ermöglichte, seine bei der Phoenix eingesetzten Landsleute zu besuchen.
Irgendwelche Beanstandungen aus der Betätigung ausländischer Arbeitskräfte sind gegen die Phoenix niemals erhoben worden. Im Gegenteil, der Kommandeur der ersten britischen Rote-Kreuz-Brigarde, der nach Harburg kam, und der die Läger der Phoenix überprüfte, äusserte sich sehr lobend über das Vorgefundene.
Man wollte mich ferner mit allen Mitteln zwingen, 500 KZ-Häftlinge zu beschäftigen und im Werk selbst unterzubringen. Der Leiter der zuständigen Abteilung erhielt von mir den Auftrag, dieses KZ zu bauen, worauf die ersten Massnahmen zur Herrichtung dieses Lagers in Angriff genommen wurden. Das Lager ist niemals fertig geworden, weil ich meinem Beauftragten erklärt habe, dass ich ihn zur Verantwortung ziehen würde, wenn das KZ jemals fertig würde.
Als im Jahre 1943 die Gross-Hamburger Katastrophe eingetreten war, habe ich im Werk der Phoenix eine ganz grosszügige Hilfsaktion aufgezogen. Am 4. oder 5. Tage erschien ein uniformierter Angehöriger der Partei mit einer Dame der NS-Frauenschaft mit der Erklärung, dass sie vom Kreisleiter beauftragt wären, das Hilfswerk der Phoenix unter ihre Leitung und Verwaltung zu nehmen. Ich habe erklärt, dass im Hause der Phoenix diese ihre Hilfsaktion allein durchführe, und dass auf dem Bahnhofsvorplatz Gelegenheit wäre, endlich das Hilfswerk der Partei aufzuziehen. Die Unterredung wurde von mir damit beendet, dass ich die Dame der NS-Frauenschaft mit ihrem Begleiter eigenhändig aus dem Verwaltungsgebäude der Phoenix an die frische Luft befördert habe.
Nach der Harburger Katastrophe vom 25. Oktober 1944 sollte ich als Opfer des Gauleiters fallen.
Der Gauleiter von Hamburg hat in öffentlicher Sitzung im Rathaus in Hamburg gegen mich agitiert. Er hat meine sofortige Abberufung verlangt. Dem Präsidenten der Gauwirtschaftskammer hat er den Auftrag gegeben, sofort einen Nachfolger für mich auszusuchen. Er hat ferner durch den hamburgischen Vertreter in Berlin offiziell den Antrag meiner sofortigen Abberufung gestellt. Dieser Abschlag konnte nur durch das Zusammenarbeiten mit meinem damals in Berlin tätigen Kollegen FRIEDRICH abgewendet werden.
Der Leiter der Industrieabteilung der Gauwirtschaftskammer hat den Versuch unternommen, mich während einer kurzen Abwesenheit von Harburg warnen zu lassen und dabei dem juristischen Mitarbeiter unseres Hauses auf dessen ausdrückliche Frage erklärt, dass es um meinen Kopf gehe und hinzugefügt, dass diese Warnung unter allen Umständen ernst zu nehmen sei. Ich bin dann noch in derselben Nacht gewarnt worden und habe die oben erwähnten Gegenmassnahmen eingeleitet.
Noch am 15. Februar 1945 bin ich von Werksangehörigen bei der Gestapo wegen Wirtschaftssabotage angezeigt worden. In diesem Verfahren haben verschiedentlich Vernehmungen stattgefunden. Es kam vermutlich deshalb nicht mehr zum Austrag, weil sich die Verhältnisse zu überstürzen anfingen.
Es waren bekanntlich umfangreiche Vorkehrungen getroffen, um bei einem Einmarsch feindlicher Streitkräfte die Industriebetriebe vollständig zu lähmen und evtl. zu sprengen. Ich habe Anfang April den ausdrücklichen Befehl gegeben, jede Sabotage oder Sprengaktion im Werk der Phoenix ganz gleich, von wem sie angeordnet oder durchgeführt werden sollte, zu verhindern und beim militärischen Eingreifen durch den bewaffneten Werkschutz mit Waffengewalt abzuwehren.
Als die Engländer bis kurz vor Harburg herangerückt waren und Harburg selbst unter dauerndem Art.-Feuer lag, bin ich unter einem Vorwand durch die Minenfelder, welche die deutschen und englischen Linien trennten, mit der weissen Fahne in der Hand hindurchgegangen und habe durch Fühlungnahme mit dem englischen Kommandeur die Kapitulationsverhandlungen eingeleitet.
Ich habe eingehenden Bericht über die Lage und Stimmung der Hamburger Bevölkerung gegeben. Der Erfolg der Verhandlungen war, dass mir die Kapitulationsbedingungen in Gestalt eines Briefes an den damals in Hamburg tätigen Kampfkommandanten General Wolz, übergeben wurden. Diesen Brief habe ich wiederum unter Einsetzung meines eigenen Lebens durch die inzwischen verstärkte Minensperre mitgebracht und hatte ihn, um ihn vor der auf deutscher Seite tätigen SS-Truppe zu verbergen, im Stiefel versteckt gehalten und dem General Wolz persönlich übergeben. Am selben Nachmittage wurden die Kapitulationsverhandlungen weitergeführt und führten dann zum Einmarsch der englischen Truppen 2 Tage später.
Von dem englischen Kommandanten wurde mir ausdrücklich erklärt, dass die Geduld Englands um Hamburg nun erschöpft sei, dass 6 evtl. auch 8.000 Flugzeuge zu einem letzten Angriff auf Hamburg bereitständen, und dass Hamburg zu wählen habe, ob es total zerstört und noch Hunderttausende sterben müssen oder ob es kapitulieren wolle. Auf das Beispiel von Bremen wurde dabei besonders hingewiesen.
Ich glaube also auch das Meinige dazu beigetragen zu haben, um das letzte sinnlose Hinschlachten von Menschen in Hamburg zu verhindern.
Unmittelbar nach dem Einmarsch der Engländer, d.h. noch im Monat Mai habe ich aus dem Betrieb der Phoenix, ehe eine Anordnung oder ein Gesetz vorhanden war, sämtliche mir bekannten aktiv tätigen Nationalsozialisten entfernt, weil ich sie als untragbar für die Firma angesehen hatte, im Gegensatz zu wohl fast allen anderen Firmen.
Ich habe selbst zwei Mitglieder des Vorstandes entfernt, darunter den Spezialisten für Metallgummi, der der beste Sachkenner auf diesem Gebiete in ganz Deutschland, vielleicht sogar in ganz Europa ist. Die Gesamtzahl der von mir entfernten Aktivisten beträgt 24.
Als die englischen Truppen einrückten, wurde selbstverständlich das Werk der Phoenix sofort besetzt. Der das Werk besetzende Offizier führte eine Liste sämtlicher leitender Persönlichkeiten mit sich. An erster Stelle figurierte mein Name. Hinter meinem Namen standen die beiden Buchstaben A.N. Ich machte darauf aufmerksam, dass ich mit Vornamen nur Albert hiesse. Der Offizier erklärte mir darauf, dass A. N. eine Abkürzung für Anti-Nazi sei.
Die Engländer waren also schon vor ihrem Einmarsch von meiner politischen Einstellung durch ihren Nachrichtendienst in vollem Umfange unterrichtet.“ f)
Während seines Entnazifizierungsverfahrens stufte der Beratungsausschuss (Advisory Com.) am 26.9.1946 Albert Schäfer als „unbedenklich“ ein. Einige Monate später kam der Fachausschuss 15 d (für die Ausschaltung von Nationalsozialisten) am 20.12.1946 zu dem Ergebnis: „politisch tragbar. Entgegen der Entscheidung des Advisory Committee kann der Fachausschuss Herrn Generaldirektor Schäfer nicht das Präsidat ‚unbedenklich‘ ausstellen, da Sch. zu seinen engstem Mitarbeiter ein belastetes Mitglied der NSDAP (Dr. Stegemann) berief und auch noch weitere Parteimitglieder in leitender Stellung bei sich duldete.“ g)
Albert Schäfer schrieb dann am 9. 4. 1947 einen Brief an Bürgermeister Christian Koch: „Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Als Vorsitzender der ‚Vereinigung Hamburger Kautschuk-Asbest- und Kunststoffverarbeiter‘ bin ich – neben den übrigen Mitgliedern des Vorstandes – verpflichtet, der Verwaltung für Wirtschaft und Verkehr nachzuweisen, dass gegen meine Person keine Bedenken in politischer Hinsicht bestehen.
Ich habe mich aus diesem Grunde an den für mich zuständigen Fachausschuss 15 d gewandt. Vom Büro der gewerblichen Fachausschüsse für die Ausschaltung von Nationalsozialisten – Fachausschuss 15 d – wird nun heute geschrieben, dass die Entscheidung der Militärregierung in meinem Falle dem Fachausschuss noch nicht vorliege. Ich kann also die verlangte politische Unbedenklichkeitserklärung – so eigenartig das mit Rücksicht auf meine stadtbekannte politische Vergangenheit auch ist – nicht beibringen und habe deshalb dem Vorstand der Kautschukvereinigung meinen Rücktritt übermittelt, was in Kürze auch in Bezug auf meine übrigen Ämter nicht ohne Auswirkung bleiben kann.
Der Fall zeigt, dass hier unbekannte politische Vorwürfe gegen mich erhoben werden. Bisher war mir das positiv noch nicht bekannt.
Ich bitte Sie, sich meines Falles anzunehmen, um eine umgehende Klärung herbeizuführen. Insbesondere lege ich Wert darauf, zu erfahren, was mir vorgeworfen wird und von wem die Vorwürfe ausgehen, damit ich mich rechtfertigen kann.“ h)
Aus weiterer, in den Akten des Staatsarchives vorliegenden, Korrespondenz ist zu entnehmen, dass der Fachausschuss 15 d seine Beurteilung vom 20.12.1946 einen Tag später (21.121946) an die englische Dienststelle „Textiles & Light ind., Denacification“ weitergeleitet hatte, aber noch im Mai 1947 keine Rückmeldung von der Militärregierung hatte. Dies wurde Albert Schäfer mitgeteilt, woraufhin er am 14. Mai 1947 an den Staatskommissar für die Entnazifizierung und Kategorisierung der Hansestadt Hamburg schrieb: „Ihrem Schreiben vom 7. Mai 1947 entnehme ich, dass Sie den sich betreffenden Vorgang bei der Militärregierung angemahnt haben. Ich bitte Sie, die Angelegenheit unbedingt weiter zu verfolgen, da ich auf schnelle Erledigung entscheidenden Wert legen muss.
Der augenblickliche Schwebezustand ist für mich untragbar und muss bei Fortdauer in absehbarer Zeit die Folge haben, dass ich zur Niederlegung meiner Ämter als Präses der Handelskammer und Vorstandsmitglied verschiedener Wirtschaftsorganisationen oder zum Bericht an den Regional Commissioner gezwungen werde. Beide Wege möchte ich mit Rücksicht auf den Staub, der aufgewirbelt werden würde, vermeiden.“ i)
Der Staatskommissar antwortete eine Woche später am 23. Mai 1947 an Albert Schäfer, Präses der Handelskammer: „Auf Ihr Schreiben vom 14. Mai 1947 teile ich Ihnen mit, dass ich heute Gelegenheit hatte, Ihre Angelegenheit mit Mr. O’Horke Deputy Inspector General und Herrn Oberstleutnant Gill zu besprechen. Oberstleutnant Gill hat mir ausdrücklich zugesagt, dass er sich um die Angelegenheit persönlich kümmern wolle. Es muss aber mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass in diesem Fall eine Stellungnahme des Zentralausschusses verlangt wird. Ich werde die Angelegenheit im Auge behalten.“ j)
Der Zentralausschuss erklärte Schäfer schließlich für „tragbar“ und stufte ihn die die Kategorie V ein. Dazu erklärte der Ausschuss: „Herr Petter, Vors. des Betriebsrates der Phönix, wurde gehört.
Der Vorwurf, dass Schäfer belastete Parteimitglieder bei sich duldete, kann nicht als stichhaltig angesehen werden, da dieses mit Einwilligung der Militärregierung geschehen ist, die für Ersatz sorgen wollte, sodass man also, um nicht die Arbeit des Werkes zu gefährden, die ehemaligen Pg’s in ihren Stellungen belassen musste.
Parteipolitisch war Schäfer nicht belastet, er hat sich im Gegenteil stets gegen den Nationalsozialismus gestellt (Aussage von Peter, der Schäfer schon aus der Zeit vor 1932 kennt).
Der Zentralausschuss erklärt Schäfer daher für tragbar, stuft ihn in die Kategorie V ein.“ k)
2015 – 70 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus – strahlte der NDR am 23. April 2015 das Dokumentarspiel „Unsere Geschichte: Hamburg 1945 – Wie die Stadt gerettet wurde“ aus und kündigte es wie folgt an: „Das Dokumentarspiel von Autor Jobst Thomas schaut zurück auf die Schicksalstage, die der Kapitulation Hamburgs am 3. Mai 1945 vorausgegangen sind, und stellt deren dramatische Ereignisse in aufwendig inszenierten Spielsequenzen (Regie Torsten Wacker) nach. Im Mittelpunkt stehen dabei drei Männer, die damals wesentlich – auch unter Einsatz ihres Lebens – zur unblutigen Beendigung des Krieges beigetragen haben. In den Geschichtsbüchern kommen sie jedoch, wenn überhaupt, nur als Randfiguren vor. ‚Hamburg 1945 – wie die Stadt gerettet wurde‘ erzählt die Geschichte hinter der Geschichte. In den letzten Apriltagen haben die britischen Truppen Hamburgs südlichen Stadtrand erreicht. Ihre Artillerie eröffnet das Feuer auf den Stadtteil Harburg. Dabei werden die Phoenix-Werke, ein kriegswichtiger Reifenhersteller, mehrfach getroffen. Seit einem Bombenangriff wenige Monate zuvor sind bereits alle umliegenden Krankenhäuser vollkommen zerstört. Deshalb ist in den Kellern der Phoenix-Werke ein Reservelazarett eingerichtet worden, nicht nur für deutsche Verwundete, sondern auch für verletzte, in Gefangenschaft geratene britische Soldaten. Um das Lazarett vor weiteren Zerstörungen zu schützen, hat Stabsarzt Hermann Burchard eigenmächtig angeordnet, auf dem Werksdach ein weit sichtbares Rotes Kreuz anzubringen. Werksleiter Albert Schäfer, ein angesehener Hamburger Kaufmann, fühlt sich übergangen und stellt Burchard zur Rede. Er sieht in dem Roten Kreuz auf dem Werksdach einen Verstoß gegen die Genfer Konvention, weil in einigen Hallen noch gearbeitet wird. Burchard seinerseits wirft Schäfer vor, die Reifenproduktion trotz des eingerichteten Lazaretts nicht eingestellt zu haben. Der Streit endet unversöhnlich. Dennoch raufen sich die beiden zusammen, denn plötzlich verbindet sie ein verwegener Plan. Zu Fuß wollen sie sich an die Frontlinie heranwagen und die britischen Kommandeure um Verschonung des Lazaretts bitten. Als sie sich am 29. April morgens zu den britischen Stellungen aufmachen, beginnen ereignisreiche Tage voller Dramatik. Bevor am 3. Mai für die Hansestadt der Krieg – anders als befohlen – kampflos zu Ende geht, ist Hamburgs Schicksal gänzlich ungewiss.“
An diesem Dokumentarspiel und dem im März 2015 erschienenen und von dem Journalisten Uwe Bahnsen im Auftrag der Hamburger Handelskammer verfassten Buch: „Hanseaten unter dem Hakenkreuz. Die Handelskammer Hamburg und die Kaufmannschaft im Dritten Reich“, entzündete sich in der Öffentlichkeit eine kontrovers geführte Diskussion bezüglich u. a. der Rolle Schäfers zum Ende des Zweiten Weltkriegs, als er sich mit einer weißen Fahne zu den Alliierten durchschlug, um sie zu bitten, Hamburg vor weiteren Bombardements zu verschonen. Durch diese Tat wurde Schäfer 70 Jahre nach Kriegsende in vielen Medien als „Retter Hamburgs“ betrachtet. Die Journalistin Petra Schellen hingegen kritisierte am 16.6.2015 in ihrem, in der taz erschienenen, Artikel: „Handelskammer im Nationalsozialismus. Verbrechen hanseatisch verschleiert. Der Band ‚Hamburgs Handelskammer im Dritten Reich‘ stilisiert Hamburgs im Nationalsozialismus stark korrumpierte Kaufleute zu Helden.“ Kurz darauf beschäftigten sich am 28.6.2015 der damalige Direktor der Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg, Prof. Dr. Axel Schildt, und der Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Dr. Detlef Garbe, im Hamburg Teil der Wochenzeitschrift DIE ZEIT ebenfalls kritisch mit dem Dokumentarfilm und dem Buch von Uwe Bahnsen. Ihr Artikel erschien unter der Überschrift: „Nationalsozialismus. Schöne Geschichte! Hamburg hübscht seine Vergangenheit auf: 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs dominiert die Mär von der aufrechten Wirtschaftselite, die den Nazis die Stirn bot. Detlef Garbe und Axel Schildt, zwei der angesehensten Historiker der Stadt, fordern mehr Ehrlichkeit. Ein Gastbeitrag von Axel Schildt und Detlef Garbe“ l)
Am 5.7.2015 antwortete der Journalist und Autor Uwe Bahnsen ebenfalls in der Hamburg-Beilage der ZEIT auf den Artikel von Axel Schildt und Detlef Garbe mit einer Entgegnung: „Nationalsozialismus Misslungene Geschichte! Hamburg hübscht seine NS-Vergangenheit auf, hieß es unlängst in der ZEIT. Eine Entgegnung. Ein Gastbeitrag von Uwe Bahnsen“ m)
Und am 29.7.2015 hieß es dann in der Hamburg-Beilage der ZEIT „Nationalsozialismus Ganz schön konstruktiv. Historiker sagen, das Buch ‚Hanseaten unter dem Hakenkreuz schöne die Geschichte‘. Nun liegt der ZEIT der Autorenvertrag vor. Er wirft neue Fragen auf. von Hanna Grabbe und Oliver Hollenstein.“ n)
Wie es mit der Kontroverse weiterging beschreibt der damalige Direktor der Forschungsstelle Prof. Dr. Axel Schildt in seinem Aufsatz „Rettung Hamburgs in letzter Minute. Zur Wiederauflage hanseatischer Legenden über NS-Herrschaft“ und nahm hier u. a. auch Bezug zur Rolle Schäfers in der NS-Zeit: „ (…) die Debatte wurde in der ZEIT nicht fortgesetzt; auch ansonsten blieb es ruhig. Insofern wurde auch unsere Antwort an Bahnsen nicht publiziert, die wir unter dem Titel ‚Misslungene Entgegnung‘ verfassten. Hier stellten wir drei konkrete Fragen: ‚Ist es richtig, dass die zu Hauptakteuren der Rettung Hamburgs 1945 erklärten Personen, namentlich Generalmajor Alwin Wolz und Generaldirektor Albert Schäfer, zuvor Mitverantwortung trugen für die Herrschaftsstabilisierung bzw. für Rüstungsproduktion und Zwangsarbeitereinsatz?‘ “o)