Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Piependreiherweg

Ottensen (1985): nach der Zunft der Zigarrendreher, die hier lebten und arbeiteten.


Piependreiher: Zigarrendreher.

In den Tabakmanufakturen des 18. Jahrhunderts verrichteten Frauen und Männer folgende Arbeiten: das Entrippen der Blätter, das Trocknen der gebeizten Blätter auf Horden, das Schneiden der Blätter mittels einer Schneidelade, das Verpacken des geschnittenen Tabaks in Papier, Papierbriefen oder Papierpaketen. Beim Rollen- oder Stangentabak wurden die Blätter noch gesponnen, was ausschließlich Männerarbeit war und eine mehrjährige Lehrzeit erforderte. 1)

Die Tätigkeit des Zigarrendrehens war also keine ausschließliche Männerarbeit. Sie wurde auch von Frauen ausgeübt.

Über die Herkunft des Berufes des Zigarrenmachers heißt es bei Bernd Wurlitzer in seiner Publikation „Historische Werkstätten“: „Die Azteken, (…), rauchten zusammengerollte Tabakblätter. Von dort gelangte diese Form des Rauchens nach Spanien, wo der Hamburger Kaufmann Schlottmann die Zigarre kennenlernte. 1788 soll er in seiner Heimatstadt mit der Zigarrenfabrikation begonnen haben. In Amsterdam, Bremen und Hamburg, den Umschlagorten für Überseetabak, entstanden die ersten Zigarrenmanufakturen.

Das Rauchen von Zigarren war lange Zeit verpönt. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte es sich durch. (…).

Im Gegensatz zur Zigarettenherstellung gab es für die Zigarrenproduktion kaum Maschinen. Zigarren entstanden in Handarbeit in Kleinstbetrieben und durch Heimarbeiter. (…).

Die Kinderarbeit war weit verbreitet. Die acht- bis zwölfjährigen Mädchen und Jungen hatten vor allem die angefeuchteten Blätter vom Stengel und der Hautrippe abzustreifen. In den Manufakturen wurden dafür die jüngsten Arbeitskräfte oder ältere Menschen eingesetzt. Der Tabakstaub rief Lungentuberkulose und andere Krankheiten hervor. Die Lebenserwartung der Tabak- und Zigarrenmacher lag unter dem Durchschnitt. (…)
Die Zigarrenmacher zogen meist mit dem Tragekorb voller Zigarrenkisten durch die umliegenden Dörfer und Städte, in denen sie Kolonialwarenhändler, Gastwirte und auch private Kunden aufsuchten. In einigen Fällen verkauften sie ihre Zigarren an den Verleger, der ihnen den Tabak geliefert hatte.

Die Technologie der Zigarrenherstellung, wie sie sich um 1840 entwickelt hatte, blieb für nahezu 100 Jahre unverändert. Die industrielle Zigarrenproduktion verdrängte die Heimarbeit nach dem ersten Weltkrieg, bis sie völlig erlosch.“ 2)

„Hamburg, Altona und Ottensen waren im 19. Jahrhundert ein Zentrum der Zigarrenproduktion, die in Heimarbeiterstuben stattfand.

Die Zigarren wurden damals in großen Manufakturbetrieben hergestellt. Im Gegensatz zu dem in Altona-Ottensen stark verbreiteten Handwerk entwickelte sich in den kapitalistischen Zigarrenmanufakturen schnell ein offener Interessengegensatz zwischen dem Unternehmer und seinen Lohnarbeitern heraus.

Bedingt durch politische, steuerliche und zolltechnische Veränderungen ging in Altona und einige Jahre später auch in Ottensen die Zigarrenproduktion in großen Manufakturbetrieben zugunsten der Heimarbeit zurück. In Altona-Ottensen entwickelte sich verstärkt seit Anfang der siebziger Jahre die Heimindustrie im Verlagssystem - der Unternehmer liefert den Rohtabak an einen Hausarbeiter, der wiederum in seiner Wohnung auf eigene Rechnung bis zu zehn Zigarrenmacher beschäftigt - und die Einzelheimarbeit für einen Zigarrenfabrikanten. Daneben gab es auch eine Minderheit von Heimarbeitern, die direkt für Zigarrengeschäfte, Gastwirte und Privatkunden produziert,“ 3) schreibt Hans-Kai Möller.

Und über die Arbeit heißt es bei ihm: „Hatte die bis in die siebziger Jahre vorherrschende Produktion in relativ großen Manufakturen die gewerkschaftliche Organisation der Zigarrenmacher gefördert, so begünstigte die Heimarbeit mit ihren katastrophalen sozialen Verhältnissen einerseits und ihren ungehinderten Diskussionsmöglichkeiten und der Institution des Vorlesers andererseits die schnelle Verbreitung sozialistischer Theorien und die Organisation vieler Zigarrenmacher im ADAV und später in der Sozialdemokratie.

Durch die Ausbreitung der Heimindustrie entwickelte sich das Vorlesen politischer Schriften während der Arbeitszeit zu einer weit verbreiteten Einrichtung. Die Herausbildung dieser Institution basierte auf den Besonderheiten des Arbeitsprozesses bei der Zigarrenproduktion: Wickelmacher und Roller saßen sich in der Regel an langen Arbeitstischen in geringer Entfernung gegenüber und konnten sich bei der Arbeit unterhalten, da das Zigarrenmachen fast geräuschlos verlief. Die täglich hundertfach wiederholten monotonen Handgriffe des Wickelmachers bzw. des Rollers, die weder hohe physische Anstrengungen noch eine starke Konzentration verlangten, ermöglichten den Arbeitern eine umfassende und dauerhafte Habitualisierung des Arbeitsvollzuges. Dieser Umstand erlaubte es den Zigarrenmachern, während der Arbeitszeit in eine intensive Kommunikation einzutreten. Aus den anfänglichen Unterhaltungen über politische Themen entwickelte sich das Vorlesen vorwiegend von sozialistischer Literatur mit anschließender Diskussion.“ 4)