Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Winckelmannstraße

Nienstedten (1947): Johann Joachim Winckelmann (9.12.1717 Stendal – 8.6.1768 Triest), Archäologe.


Vor 1947 hieß die Straße Hindenburgstraße. In der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in von Seeckt-Straße umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen kam.

Johannes Friedrich Leopold von Seeckt (22.4.1866 Schleswig -27.12.1936 Berlin) „war ein deutscher Generaloberst und von 1920 bis 1926 Chef der Heeresleitung der Reichswehr. Er war außerdem von 1930 bis 1932 Mitglied des Reichstages und hielt sich zwischen 1933 und 1935 mehrere Male in der Republik China als Militärberater von General Chiang Kai-shek auf.“ 1) Bedingt durch den Krieg kam es nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bis 1947 bei Hindenburgstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946)

Die Winckelmann Gesellschaft schreibt auf ihrer Website über die Herkunft und Jugend des Begründers der Klassischen Archäologie und modernen Kunstwissenschaft, Johann Joachim Winckelmann: „Er wurde (…) als einziges Kind des Schuhmachers Martin Winckelmann und seiner Ehefrau Anna Maria, geborene Meyer (…) geboren. (…)

Die Familie Winckelmann lebte in dem kleinen, von der Mutter mit in die Ehe gebrachten strohgedeckten Fachwerkhaus in der Lehmstraße 263 notgedrungen auf engstem Raum. Das einzige Vorderzimmer diente sowohl als Wohnraum mit Familientisch und Sitzecke wie auch als Werkstatt und Verkaufsraum mit Schustertisch, Werkzeug-, Schuhregal und Schemel. (…). Seine Kindheit verlebte Winckelmann in ärmlichen Verhältnissen. Doch die Ausbildung ihres begabten Sohnes lag den Eltern am Herzen. Nach der Grundschule, die Winckelmann im Alter von fünf Jahren besuchte, wurde er vermutlich schon mit neun Jahren in die städtische Lateinschule aufgenommen. (…).

Um einen Beitrag zu seinem Unterhalt leisten zu können, ließ sich Winckelmann in den Kreis der Kurrendeschüler aufnehmen. Die Kurrende, ein liturgischer Chor mittelloser Schüler, ermöglichte es diesen, sich Schulbücher und freien Unterricht zu verdienen.“ 2)

Gefördert wurde Winckelmann von seinem Schulrektor Tappert, der wegen seiner Erblindung einen Assistenten benötigte. Winckelmann übernahm diese Tätigkeit drei Jahre lang, er las Tappert vor und betreute die Schulbibliothek.

Auf Empfehlung seines Rektors ging Winckelmann 1735 nach Berlin, um am Cöllnischen Gymnasium Griechisch zu lernen. Er wohnte in dieser Zeit bei dem Schulrektor Friedrich Bake, ein Bekannter von Tappert. Als Gegenleistung beaufsichtigte Winckelmann dessen Kinder. „Als Winckelmann im Herbst 1736 das Gymnasium verließ und nach Stendal zurückkehrte, vermerkte Rektor Bake in der Schulmatrikel hinter seinem Namen als Einschätzung: ‚homo vagus et inconstans‘ [ein rastloser und unsteter Mensch]. So hielt es Winckelmann auch nicht lange in seiner Heimatstadt. Bereits am 15. November 1736 schrieb er sich, um sein Griechisch zu vervollkommnen, im Salzwedeler Gymnasium ein, wo er zugleich die Tätigkeit eines Hilfslehrers übernahm.“ 3)

Um seine Schulbücher bezahlen zu können, erhielt Winckelmann ein Bücherstipendium der Stendaler Schönebeck’schen Stiftung, die mit einem Stipendium auch das Universitätsstudium ermöglichte. Winckelmann studierte ab 1738 zuerst zwei Jahre ohne Abschluss Theologie, arbeitete dann aus finanziellen Gründen als Hauslehrer, nahm 1741 das Studium wieder auf und studierte bis 1741 Medizin, war dann wieder Hauslehrer und von 1743 bis 1748 Konrektor der Lateinschule in Seehausen.

Diese Zeit als Lehrer und die Studienjahre hat Winckelmann in seinen Briefen „als Fron- und Leidenszeit“ 4) bezeichnet. Neben der ungeliebten Unterrichtstätigkeit bildete er sich intensiv, und oft über seine Kräfte hinaus, in griechischer Literatur und in der Kunst, Kultur und Geschichte des Altertums aus.

Als Winckelmann 1748 von Heinrich Graf von Bünau das Angebot erhielt, sein Bibliothekar auf Schloss Nöthnitz bei Dresden zu werden, nahm er freudig an. „Das Schloß sollte für fast sechs Jahre Winckelmanns Heimat werden. Mit 42.139 Bänden besaß Bünau eine der größten deutschen Privatbibliotheken des 18. Jahrhunderts. (…)

Die vorrangige Aufgabe Winckelmanns in Nöthnitz war die Materialsammlung und -auswertung für das große Geschichtswerk Bünaus, die ‚Teutsche Kayser- und Reichshistorie‘. (…). Durch diese Arbeit erwarb Winckelmann wichtige Erfahrungen im Umgang mit historischen Zeugnissen und Grundkenntnisse in der Quellenkritik. (…). Von besonderem Interesse waren für ihn jedoch die antiquarischen Stichwerke, in denen die antike Kunst und Kultur vorgestellt und beschrieben wurde.“ 5)

Während seiner Bibliothekars Tätigkeit lernte Winckelmann den Maler Adam Friedrich Oeser (1717-1799) kennen, der ein reger Bibliotheksbesucher war. Es entwickelte sich zwischen ihnen eine enge Freundschaft, die bis zum Tode hielt. „Oeser hatte an der Wiener Akademie studiert und war mit frühklassizistischen Tendenzen vertraut. 1764 wurde er zum Direktor neugegründeten Leipziger ‚Zeichnungs-, Mahlerey- und Architectur-Academie‘ und unmittelbar darauf zum Hofmaler berufen.“ 6)

1754 kündigte Winckelmann seinen Dienst und ging nach Dresden, wo er bei Oeser wohnte und von ihm Zeichnen lernte.

„Auf der Grundlage seiner Studien antiker Literatur, der archäologisch-antiquarischen Forschung, der Philologie, der französischen und englischen Aufklärung und nicht zuletzt auch der modernen Kunsttheorie entstand in der Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Kunst Winckelmanns Erstlingsschrift, die ‚Gedanken über die Nachahmung der Griechischen Wercke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst‘ (1755). (…). Von großer Bedeutung für die Wirkung dieser Schrift war zweifelsohne Winckelmanns These von der Vorbildlichkeit griechischer Kunst. Er hatte den Künstlern seiner Zeit mit Nachdruck empfohlen, nach dem Vorbild der griechischen Kunst zu arbeiten. (…). Damit meinte er jedoch alles andere als eine sklavische Nachbildung. Diese epochemachende Erstlingsschrift, obgleich sie vorrangig an die Künstler gerichtet war, hat nicht nur der klassizistischen Kunsttheorie den Weg bereitet, sondern auch nachhaltig auf die deutsche Literatur und Literaturtheorie gewirkt.“7)

Angesichts seiner Verehrung für die Antike, war es nur folgerichtig, dass Winckelmann nach Rom wollte. Während seiner Anstellung im Schloss Nöthnitz hatte er den päpstlichen Nuntius in Sachsen. Alberico Archinto kennengelernt. Dieser war von Winckelmann beeindruckt und bot ihm eine Stelle als Bibliothekar in Rom an. Allerdings war die Voraussetzung dafür, zum katholischen Glauben überzutreten. Damit tat sich Winckelmann sehr schwer, doch schließlich ging er diesen Schritt und zog daraufhin im September 1755 nach Rom. Und wieder half eine Förderung, diesmal vom sächsischen König, dass Winckelmann finanziell abgesichert war. Durch eine Empfehlung des „Dresdner Malers Christian Wilhelm Ernst Dietrich (1712–1774) an Anton Raphael Mengs, der 1752 als sächsischer Hofmaler nach Rom gegangen war, fand Winckelmann eine Wohnung im Palazzo Zuccari. (…).“ 8)

Über weitere Bekanntschaften, Empfehlungen und Förderungen erweiterte sich das Berufsfeld Winckelmanns. So reiste er 1759 nach Florenz, „wo er (…) Gemmensammlung des Barons Philipp von Stosch bearbeitete. (…).“9)

Im April 1759 kehrte Winckelmann nach Rom zurück. Auch hier spielte wieder eine Empfehlung eine Rolle. Diese kam von Baron Philipp von Stosch, er empfahl dem Altertumskenner Kardinal Alessandro Albani (1692-1779) Winckelmann als Bibliothekar einzustellen. Winckelmann wohnte nun in der Villa von Albani, betreute die Bibliothek und „der antikenbegeisterte Kardinal unterstützte Winckelmann gern bei seinen Forschungen. Die Antikensammlung des Kardinals gehörte schon damals zu den größten Privatsammlungen Roms. 1746 begann der Kardinal mit dem Bau einer Villa an der nach Norden aus Rom hinausführenden Via Salaria, in der seine Antikensammlung untergebracht werden sollte.“ 10) Winckelmann wirkte entscheidend bei der künstlerischen Ausgestaltung der Villa Albani.

Und wieder ging es durch eine Empfehlung einen beruflichen Schritt weiter. Dazu schreibt die Winckelmann Gesellschaft: „Als am 30. März 1763 der Präsident der Altertümer von Rom, Abbate Ridolfino Venuti (1705–1763), (…) starb, wurde Winckelmann auf Vorschlag Kardinal Albanis dessen Nachfolger als päpstlicher Antiquarius. (…). In dieser Funktion gewann Winckelmann zunehmend Einfluß. Die Ausfuhr von Antiken bedurfte seiner Genehmigung. Fundorte mußten bei seinen beiden Assessoren, die ihm als Präfekten unterstanden, gemeldet werden. Ebenso gehörten Führungen hoher Gäste durch das antike Rom zu Winckelmanns Aufgaben.
Da das Präsidentenamt wenig einträglich war, bemühte sich Albani, es mit einer Stelle in der vatikanischen Bibliothek zu verbinden. 1763 wurde auf Gesuch Kardinal Albanis Winckelmann zum Scrittore teutonica (für die deutsche Sprache zuständigen Bibliotheksschreiber) ernannt. Ein Jahr darauf erhielt Winckelmann die Anwartschaft auf das griechische Scrittorat zuerkannt. In der vatikanischen Bibliothek hatte Winckelmann von November bis Juni eine feste Arbeitszeit, täglich von 9.00–12.00 Uhr außer donnerstags und sonntags.“ 11)

„1763 lernte Winckelmann den Freiherrn Friedrich Reinhold von Berg (1736–1809) kennen und wohl auch lieben. Seine Liebe sollte allerdings unerwidert bleiben. Nach dessen Abreise verfasste Winckelmann die Abhandlung von den Fähigkeiten der Empfindung des Schönen in der Kunst, und dem Unterrichte in derselben. Die Abhandlung gilt sowohl als Grundlagenwerk der Kunsttheorie als auch als Schlüsseltext seiner eigenen Persönlichkeit, d. h. vor allem seiner homoerotischen Neigungen.“ 12)

Winckelmann unternahm auch archäologische Forschungsreisen, so in die Gegend von Neapel, wo Ausgrabungen stattfanden. „Seine Beobachtungen und Untersuchungen faßte er nach der zweiten Studienreise im „Sendschreiben von den Herculanischen Entdeckungen“ (1762) zusammen. Mit seinen beiden herkulanischen Schriften hatte Winckelmann viel dazu beigetragen, die archäologischen Forschungen im Königreich Neapel nördlich der Alpen bekanntzumachen. Mit den Berichten über die Ausgrabungen in den Vesuvstädten entwickelte Winckelmann ein erstes Schema für die wissenschaftliche Grabungsbeschreibung.“ 13)

Winckelmann veröffentlichte eine Vielzahl von kunsthistorischen Schriften. Sein Hauptwerk ist die „Geschichte der Kunst des Altertums“, erschienen 1764. Er beschreibt darin: „die Entwicklung der Kunst anhand der Abfolge ihrer Stilperioden (…) und dies hauptsächlich am Beispiel der griechischen Kunst (…). Das große Verdienst Winckelmanns ist es, daß er die formalen Charakteristika einer jeweiligen Stilepoche sehr treffend beschrieb. Damit schuf er nicht nur für die Klassische Archäologie ein wichtiges Instrumentarium, Kunstwerke anhand dieser Spezifika in die Kunstentwicklung einzuordnen. Voraussetzung dafür war die exakte Beschreibung der Werke.“ 14)

In seinem Werk „Monumenti antichi inediti, spiegati ed illustrati“ [Unveröffentlichte antike Denkmäler, erklärt und abgebildet] stellte Winckelmann: „nicht nur bisher unbekannte oder unveröffentlichte Denkmäler mit Reproduktionen und detaillierten Beschreibungen vor, sondern deutete und interpretierte zugleich die Darstellungen aus ihrem meist mythologischen Zusammenhang. Damit wies er der archäologischen Hermeneutik neue Wege.“ 15)

Auch dieses Werk kam nur durch finanzielle Förderung/Unterstützung zustande, so von Kardinal Albani und anderen Freunden.

Im Frühjahr 1768, Winckelmann war damals 50 Jahre alt, wollte er mit dem Bildhauer Bartolomeo Cavaceppi nach Deutschland reisen, um seine alten Freunde wiederzusehen. Doch als beide die Tiroler Alpen erreichten, erkrankte Winckelmann. „Sein seelischer Zustand verschlechterte sich während der beschwerlichen Reise in der Postkutsche zunehmend, die hohen Berge schienen ihm erdrückend, und er hatte nur noch einen Wunsch: zurück nach Rom. Dem Freunde zuliebe ließ er sich mühsam bis Regensburg mitschleppen. Doch dann beschloß er, endgültig umzukehren. In Begleitung von Cavaceppi reiste Winckelmann noch bis Wien, wo er von der österreichischen Kaiserin Maria Theresia empfangen wurde. Nach einem Fieberanfall reiste Winckelmann nach Triest, wo er sobald wie möglich ein Schiff nach Ancona nehmen und von dort auf dem Landweg nach Rom reisen wollte. Als sich die Abfahrt des Schiffes mehrere Tage verzögerte, wurde Winckelmann am 8. Juni 1768 das Opfer eines grausamen Mordes. Der Täter, Francesco Arcangeli, ein wegen Diebstahls vorbestrafter Koch, wurde bald nach der Tat gefaßt und am 20. Juli 1768 hingerichtet.“ 16)

Winckelmann hatte den Koch im Hotel kennengelernt, wo der Koch der Zimmernachbar von Winckelmann war. Winckelmann hatte ihm seine vier Gold- und Silbermedaillen gezeigt, die er von Maria Theresia erhalten hatte.

„Am Morgen des 8. Juni versuchte Arcangeli bei einer dieser Gelegenheiten, Winckelmann mit einem Strick zu erdrosseln und die Münzen zu rauben. Als dies nicht gelang, stach er mit einem Messer auf ihn ein. Winckelmanns Gegenwehr war jedoch so heftig, dass beide Hände verletzt wurden, als er zur Abwehr des Messers in die Klinge fasste. Fünf der sieben Stiche, die den Körper Winckelmanns trafen, waren lebensgefährlich. Winckelmann verblutete, war aber noch über Stunden hinweg ansprechbar und konnte den Behörden genaue Angaben zum Geschehen machen. Er verwies bei der Befragung auf den Täter und nannte Habgier als Motiv. Er starb etwa sechs Stunden nach dem Anschlag“ 17)

Anlässlich der Ausstellung „Winckelmann – Das göttliche Geschlecht“, gezeigt 2017 im Schwulen Museum Berlin, heißt es in einem dazu erschienenen Artikel im „Mannschaft Magazin“ über den Tod von Winckelmann: „Gerüchteweise wurde er durch einen Stricher ermordet, andere Quellen sprechen vom Täter als einem ‚des Diebstahls überführten Koch‘. Tatsächlich, erzählt Wolfgang Cortjaens, der die Ausstellung kuratiert hat, wurde Winckelmann in einem Hotel von einem Mann namens Francesco Arcangeli getötet. Die Männer sollen in den Tagen zuvor unzertrennlich gewesen sein. Vielleicht war es ein Raubmord, vielleicht war die Tat sexuell motiviert? Die mysteriösen Umstände der Ermordung sind von der meist heteronormativen Winckelmann-Forschung stets heruntergespielt worden. Dabei war Winckelmanns Schwulsein damals bekannt. Er war, über 100 Jahre vor Oscar Wilde, eine schwule Ikone – und zwar unter den Augen der römischen Kurie. 13 Jahre lebte er dort, war päpstlicher Antiquar der römischen Altertümer und Bibliotheksdirektor.“ 18)