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Wincklerstraße

Neustadt (1906): Johann Winckler (13.7.1642 Golzern -5.4.1705 Hamburg), Hauptpastor zu St. Michaelis, Senior des geistlichen Ministeriums.


Johann Winckler
Portrait von Johann Winckler, Quelle: Rijksmuseum, CC0, via Wikimedia Commons

Der Hauptpastor zu St. Michaelis, Johann Winckler, war ein lutherischer Pietist.

Er war der Sohn von Maria Winckler, geborene Drechsler und des Müllers Martin Winckler. In seiner Kindheit „musste er das Vieh seiner Eltern hüten. Von seinem neunten Jahre an besuchte er die Schule zu Grimma. Seine Mutter wollte von früh an ihn einen Geistlichen werden lassen. Im J. 1656 kam er auf die Thomasschule (…).“ 1)

Nach Beendigung der Schulzeit begann Winckler 1660 an der Universität Leipzig mit dem Studium der Philologie und Philosophie, musste dies Studium aber nach zwei Jahren abbrechen, weil die finanziellen Mittel dazu fehlten. Er verdingte sich in seiner Heimatstadt Grimma nun als Hauslehrer, konnte dann aber 1663 an der Universität Jena sein Philosophiestudium abschließen. Da Winckler Theologe werden wollte, wozu er zuerst einmal hatte Philosophie studieren müssen, setzte er 1666 sein Studium - nun an der theologischen Fakultät der Universität Leipzig fort. 1668 wurde Winckler für vier Jahre der Hauslehrer der Söhne der Herzogin Anna Margaretha von Schleswig-Holstein-Sonderburg, geborene Landgräfin von Hessen-Homburg und des Herzogs Philipp Ludwig von Schleswig-Holstein-Sonderburg, Im Rahmen seiner Tätigkeit begleitete Winckler ab 1669 den 15-jährigen Prinzen Christoph Ludwig nach Tübingen, wo Winckler seiner Aufgabe als prinzlicher Privatlehrer drei Jahre lang nachkam. 2) In dieser Zeit hatte Winckler die Möglichkeit, sein Theologiestudium neben seiner Erwerbsarbeit fortzusetzen und zu beenden.1672 erhielt Winckler seine erste Stelle als Theologe: er wurde Diakon in Bad Homburg. In diesem Jahr heiratete er Elisabeth Magdalena von Lindau. Solch ein Schritt in die Ehe wurde damals von den Pastoren erwartet.

Claudia Tietz befasst sich in ihrer Dissertation über Johann Winckler auch mit den Ehefrauen Wincklers. Über Wincklers erste Ehefrau Elisabeth Magdalena ist bei Claudia Tietz zu erfahren, dass diese die Tochter eines Hauptmanns im Dienst des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel und einer Hofmeisterin, die an verschiedenen deutschen Adelshöfen tätig war, gewesen ist.3) Da die adlige Familie verarmt war, mussten Vater und Mutter in fremden Hofdiensten arbeiten, und so waren sie schließlich auf Schloss Wiesenburg in Sachsen tätig. Hier starb Elisabeth Magdalenas Vater 1667. Die Mutter arbeitete dort als Hofmeistern. Elisabeth Magdalena wuchs auf diesem Schloss auf und befreundete sich dort mit dem adligen Kammerfräulein Johanna Eleonore von Merlau. Hier auf Schloss Wiesenburg scheinen sich Winckler, der ebenfalls dort als Hauslehrer der Prinzen arbeitete und Elisabeth Magdalena kennen gelernt zu haben. Claudia Tietz schreibt, dass es bei der Ehe zwischen Winckler und Elisabeth Magdalena um eine unstandesgemäße Ehe gehandelt hat. Und erklärt: „Bis Ende des 18. Jahrhunderts galten Ehen zwischen einer Adligen und einem Bürgerlichen als ungewöhnlich. Charakteristisch waren sie hingegen für das pietistische Milieu. Wincklers Hochzeit mit einer Angehörigen des verarmten Adels könnte daher ein Indiz dafür sein, dass es vor deren Eheschließung bereits pietistische Neigungen auf Wiesenburg gab.“ 4) Über das Eheleben äußert Claudia Tietz: „(...) die Eheleute Winckler [unterhielten] (...) ein Beziehungsnetz zu solchen Menschen (...), die eine besonders intensive innere Frömmigkeit lebten. (...) zweitens hören wir, dass Elisabeth Magdalena Winckler unabhängig von ihrem Mann, vielleicht früher oder intensiver als er, Erfahrungen in der 'Gottseligkeit' gemacht hatte. Dieser Begriff, der im 17. Jh. mit dem der 'Frömmigkeit' nicht völlig identisch ist (...) soll eine den Menschen in allen seinen Lebensfunktionen regierende Frömmigkeit umschreiben. (...) Wahrscheinlich war Wincklers Frau zu der anspruchsvollen und allumfassenden Lebenseinstellung der 'Gottseligkeit' auf Schloss Wiesenburg durch Johanna Eleonora von Merlau angeleitet worden, die hier einen asketischen, von Weltabkehr und Quietismus geprägten Frömmigkeitsstil entwickelt hatte. Elisabeth Magdalena Winckler war ihrem Mann in der praxis pietatis offenbar mindestens ebenbürtig, was dieser (...) akzeptierte und schätzte. Daraus ist ersten zu schließen, dass Winckler hinsichtlich seiner Frömmigkeitsentwicklung auch von seiner ersten Frau beeinflusst wurde. Zweitens ergibt sich, dass er an einem offenen Austausch über Fragen der Frömmigkeit mit allen Christen interessiert war (...).“ 5)

Und weiter schreibt Claudia Tietz über das Eheleben des Paares Winckler: „Exemplarisch wird an Wincklers erster Ehe die Anspannung deutlich, unter der im Umfeld des frühen Pietismus diejenigen standen, die zu den 'gottseligen' bzw. wiedergeborenen Christen gehören wollten. Die rigorosen Forderungen, die fromme Frauen an sich selbst und aneinander stellten, werden z. B. in den Briefen anschaulich, die Johanna Eleonora von Merlau zwischen 1678-1684 an Herzogin Sophie Elisabeth von Sachsen-Zeitz schrieb. In diesen Briefen ermahnt Johanna Eleonora von Merlau, die sich als geistliche Mutter der Herzogin versteht, die jüngere Freundin immer wieder zur Abkehr von der Welt und zur Hinwendung zu Gott. (...). Das Beispiel Elisabeth Magdalena Wincklers (..), weist als Kehrseite dieses Frömmigkeitsstrebens gesteigerte Selbstzweifel und -prüfungen, Minderwertigkeitsgefühle und Angstzustände auf." 6) Das war für eine Schwangere nicht besonders verträglich. Dazu Claudia Tietz: "In zeitgenössischen Andachts- und Gebetbüchern wurde ihr empfohlen, sich seelisch auf die bevorstehenden Schmerzen vorzubereiten, ihre Zuversicht auf Gott zu richten, vor der Geburt zum Abendmahl zu gehen und sich den bevorstehenden Tod vor Augen zu halten. Diese Spiritualisierung sollte zu einer Haltung gelassener Gottergebenheit führen.“ 7)

Elisabeth Magdalena Winckler starb ein Jahr nach der Hochzeit am 10.10.1773 bei der Geburt ihres ersten Kindes, welches ebenfalls unter der Geburt verstarb.

Winckler, der 1673 eine volle Pfarrstelle im Dorf Braubach bekommen hatte, ging 1674 erneut auf Brautschau und hielt um die Hand von Johanna Eleonore von Merlau (1644-1724) an, von der in diesem Text bereits die Rede war. Doch die 30-Jährige hatte sich vorgenommen, ehelos zu bleiben. Als dann auch ihr Vater und ihr Onkel die Ehe mit Winckler ablehnten - Claudia Tietz vermutet den Ablehnungsgrund in dem "unvermögenden, bürgerlichen Stand des Bewerbers", 8) lehnte auch sie endgültig ab. Daraufhin heiratete Winckler noch im selben Jahr die damals 16-jährige Johanna Kugelmann (11.4.1658 – 14.6.1719). Claudia Tietz schreibt dazu: „Für eine Heirat gab es auf beiden Seiten pragmatische Gründe: Die bürgerliche Halbwaise Johanna Kugelmann war - wie auch ihre verwitwete Mutter und ihre Schwester - auf materielle Versorgung und auf männlichen juristischen Beistand angewiesen. Für Winckler hingegen war es gesellschaftlich notwendig, das Pfarrhaus bald wieder mit Frau und Kindern zu füllen. Außerdem erwarb er durch die Einheirat in die Familie Mentzer [Johannas Mutter war in zweiter Ehe mit dem Oberarchivar Ludwig Mentzer verheiratet gewesen], welche in der zweiten Hälfte des 17. Jh. Schlüsselpositionen in der hessen-darmstädtischen Kirche und Verwaltung besetzte, eine wichtige Voraussetzung für den beruflichen Aufstieg in der Landgrafschaft.“9)

Das Paar bekam 12 Kinder. 1675 wurde der damals 33-Jährige zum ersten Mal Vater. Ein Jahr später, 1676, wurde Winckler Hofprediger von Hessen-Darmstadt; 1678, im Jahr, als er das zweite Kind mit seiner Ehefrau bekam, Prediger in Mannheim; 1679, im Jahr als das dritte Kind geboren wurde, Superintendent in Wertheim. 1682 kam das vierte Kind auf die Welt und 1684 wurde Winckler zum Hauptpastor der Michaeliskirche in Hamburg berufen. In den folgenden Jahren wurden noch weitere acht Kinder geboren (1685, 1686, 1688, 1690, 1693, 1694, 1695, 1697). 10) 1681 starb ein damals sechsjähriges Kind, 1682 ein 4-jähriges Kind und 1690 ein zweijähriges Kind. 11)

1699 wurde Winckler Senior des Geistlichen Ministeriums.

Der lutherische Pietist Johann Winckler führte mehrfach Auseinandersetzungen mit der Hamburgischen Bürgerschaft, die mehrheitlich dem Luthertum angehörte, und dem lutherischen Ministerium. Diese „lehnten den Pietismus ab, weil er ihrer Meinung nach durch Hausversammlungen und die dort blühende enthusiastische Privatfrömmigkeit Lehre und Gottesdienst der Kirche auflöse“. 12)

Winckler verweigerte den Hamburger Religions-Revers, eine unter Eid abgegebene Verpflichtungserklärung, „die das lutherische geistliche Ministerium, die Vertretung der Pfarrerschaft der Freien Stadt Hamburg, am 14. März 1690 beschloss. Er sollte für alle Pastoren der Hamburgischen Kirche verpflichtend werden. Hintergrund war die kämpferische Abwehrhaltung der lutherischen Orthodoxie gegen den Pietismus. Der Revers löste eine überregionale theologische Kontroverse aus. Er wurde vom Stadtrat in Ausübung des landesherrlichen Kirchenregiments abgelehnt und erlangte keine Rechtsgeltung.“ 13)

Unter Wincklers „Einfluss kam es zu einer Reihe pietistisch geprägter Neuerungen, darunter eine Liturgiereform, die Einführung eines neuen Gesangbuches und die Einrichtung einer Armenschule. Daneben engagierte er sich für ein Verbot von Opernaufführungen, hielt weiterhin Hauskonvente ab und finanzierte aus eigener Tasche den Druck lutherischer Bibelausgaben.“ 14)