Breitscheidweg
Heimfeld (1976): Rudolf Breitscheid (2.11.1874 Köln – 24.8.1944 KZ Buchenwald), , Reichstagsabgeordneter (SPD), Verfolgter des NS-Regimes
Ergänzt 2017 um die ebenso bedeutende Ehefrau Tony Breitscheid, geb. Drevermann (19.4.1878 Authammer- August 1968)
Neuer Erläuterungstext, benannt nach Rudolph B. (1874-1944), Mitglied des Reichstags (SPD), Opfer des Nationalsozialismus und dessen Ehefrau Tony B. (1878-1968), Frauenrechtlerin, Verfolgte des Nationalsozialismus
Rudolf Breitscheids Mutter war Wilhelmine, geb. Thorwesten, sein Vater der Buchhandlungsgehilfe Wilhelm Breitscheid.
Rudolf Breitscheid studierte Nationalökonomie. Nachdem er promoviert worden war, arbeitete er als Redakteur „für bürgerliche und liberale Zeitungen.Von 1903 bis 1908 war Breitscheid Mitglied in der liberalen Freisinnigen Vereinigung. 1904 wurde Breitscheid in die Berliner Stadtverordnetenversammlung und gleichfalls in den brandenburgischen Provinziallandtag gewählt. Weil er mit der neuen Parteistrategie durch Beteiligung am Bülow-Block nicht einverstanden war, trat er 1908 aus der Freisinnigen Vereinigung aus und wurde Gründungsmitglied der linksliberalen Demokratischen Vereinigung (DV). Bis zur Reichstagswahl wurde er deren Vorsitzender.“ 1)
In dieser Zeit heiratete Breitscheid die Frauenrechtlerin Tony Breitscheid, geb. Drevermann. Sie war die Tochter von Emilie, geb. Funke und des Fabrikanten Ernst Drevermann. Laut Geburtsregister wurde Tony und Rudolf Breitscheid am 29.3.1903 ein Sohn (Gerhard Richard Oskar Ernst) geboren.
Im Jahr der Hochzeit: „begann Tony Breitscheid sich für die Frauenbewegung zu engagieren, wobei sie bis 1912 eng mit Minna Cauer zusammenarbeitete. Breitscheid und Cauer standen an der Spitze des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht und vertraten dort eine radikal-demokratische Position in der deutschen Frauenstimmrechtsbewegung. Das bedeutete, dass sie für das gleiche, direkte und geheime Wahlrecht von Männern und Frauen eintraten. Als 1912 beim Richtungsstreit im Deutschen Verband für Frauenstimmrecht die konservative Richtung die Oberhand gewann, trat Breitscheid wie viele radikale Frauenrechtlerinnen aus Protest aus.
1912 wurden Tony und Rudolf Breitscheid Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei. „Tony Breitscheid engagierte sich nun in der sozialdemokratischen Frauenbewegung. Während des Krieges trat das Ehepaar zur Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) über. Tony Breitscheid schrieb regelmäßig für Der Sozialist, eine von 1918 bis 1922 unter der Chefredaktion ihres Mannes herausgegebene, wöchentlich erscheinende Theoriezeitschrift der USPD, die aus der ebenfalls von ihrem Mann herausgegebenen zwischen 1916 und 1918 erschienenen Zeitschrift Sozialistische Auslandspolitik hervorgegangen war, einem pazifistischen Organ der Burgfriedenspolitik-Gegner in der SPD, dann ab 1917 der USPD. Während der Weimarer Republik war das Ehepaar in der SPD und der pazifistischen Bewegung aktiv. (…).“ 2)
Rudolf Breitscheid war von 1918 bis 1919 preußischer Innenminister. „Für die USPD saß er ab 1920 im Reichstag. Im Oktober 1922 kehrte Breitscheid mit der Vereinigung von USPD und MSPD zur SPD zurück. Er war Vorsitzender und außenpolitischer Sprecher der SPD-Reichstagsfraktion und trat in dieser Funktion auch im Sinne der Parteilinie für die Westorientierung des Reiches ein. Später wurde er Mitglied der deutschen Delegation beim Völkerbund. (…) In den letzten Jahren der Weimarer Republik wurde er als prominenter, außenpolitisch verantwortlicher Sozialdemokrat zum Schmähobjekt für die rechtsradikale Presse. Er sah mit Klarheit die Folgen einer Hitlerdiktatur voraus: ‚Wir haben die Frage auszuwerfen: was würde der Sieg des Hitlertums bei der Reichspräsidentenwahl bedeuten? Die erste Antwort — ich glaube, Sie sind darin mit mir einverstanden — heißt Sturz der Weimarer Verfassung. Gewiß, ich gebe zu, daß der Boden der Demokratie jetzt eingeengt ist durch das System der Notverordnungen, das herbeizuführen wir wahrhaftig nicht den Anlaß gegeben haben. Aber das Terrain ist noch da, das Terrain der Verfassung besteht, dieses Terrain, dieser Boden kann wieder bereinigt werden, die Stacheldrähte der Notverordnungen können beseitigt werden. Kommt das Hitlertum zur Herrschaft, dann ist das Fundament beseitigt, auf dem wir das Haus unserer Zukunft und das Haus unserer Kinder aufbauen können.‘“ 3)
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten ging das Paar ins Exil nach Frankreich. Ende 1941 wurden Tony und Rudolf Breitscheid von der französischen Polizei an die Nationalsozialisten ausgeliefert. Im November 1941 wurde Tony ins KZ Buchenwald überführt. (Europa, Registrierung von Ausländern und deutschen Verfolgten 1939-1947, Archiv Arolsen). Rudolf Breitscheid war aus dem Pariser Gefängnis La Santé in das Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin verbracht worden. Anfang 1942 wurde das Ehepaar Breitscheid in das Konzentrationslager Sachsenhausen und von dort im September 1943 ins KZ Buchenwald gebracht. Dort war das Ehepaar in einer Sonderbaracke für so genannte prominente Häftlinge untergebracht. Am 24. August 1944 wurde Tony Breitscheid bei dem Luftangriff auf die Hallen des Gustloff-Rüstungswerkes verschüttet, sie überlebte schwerverletzt. Rudolf Breitscheid kam bei dem Luftangriff entweder ums Leben oder wurde verletzt und dann von den NS-Wachen ermordet. Tony Breitscheid zog zu ihrem Sohn nach Kopenhagen-Charlottenlund und kehrte bewusst nicht nach Deutschland zurück.