Büringstwiete
Ohlsdorf (1929): Henning Büring (um 1435 Hildesheim – 10.3.1499 Hamburg), Bürgermeister von 1486-1499, Stifter
Ergänzt 2017 um seine Ehefrau, die Stifterin Anna Büring, geb. Sandouw (geb. etwa 1455, gest. 1537).
Neuer Erläuterungstext, benannt nach Henning B. (geb. um 1435, gest. 1499), Bürgermeister von 1486-1499 und Stifter, und dessen Ehefrau Anna B. (geb. etwa 1455, gest. 1537), Gründerin einer Aussteuerstiftung für „arme, ehrliche Jungfrauen“
Henning Büring kam als Kaufmann zu Reichtum. Bei seinem Tod „hinterließ [er] laut Heinrich Reincke ‚vermutlich 46.000 Mark lübisch‘, womit es das seinerzeit größte Erbe in Hamburg gewesen wäre. Unklar ist, ob Büring das Vermögen zu Lebzeiten selbst erwirtschaftete oder die Witwe das Erbe in ihrer verbliebenen Lebenszeit zu diesem Stand brachte“. 1) Noch zu Lebzeiten erhielt Henning Büring nach dem Tod seines Schwiegervaters eine erhebliche Summe Geldes.
Henning Büring war mit Anna, geb. Sandouw verheiratet. Das Paar hatte 1471 geheiratet, als Anna Büring ungefähr 16 Jahre alt war. Das kinderlose Ehepaar wohnte am Grimm 25. Im selben Jahr nach Henning Bürings Tod gab Anna Büring 1499 ein Tafelgemälde in Auftrag. Aus Trauer um ihren Mann wählte sie als Motiv die Salbung des toten Christus, wobei die über den Tod Christi trauernden Frauen im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Anna Büring schenkte das Gemälde nach seiner Fertigstellung der St. Katharinen Kirche. Wie es damals üblich war, ließ sie sich zusammen mit ihrem Mann auf dem Gemälde verewigen. Sie ist dort in Anbetung versunken, den Kopf mit einer Haube bedeckt, abgebildet. Damals konnte man an der Haube den gesellschaftlichen wie auch den Familienstand einer Frau erkennen. Eine verheiratete Frau trug stets eine Haube, das offene Haar war das Zeichen für Jungfräulichkeit.
Anna Büring gründete auch eine Aussteuerstiftung für „arme ehrliche Jungfrauen“ und verfügte in ihrem Testament sechszehn Freiwohnungen für Arme.Diese Anna-Büring-Testaments-Wohnungen wurden 1708 in der Steinstraße 75-78 (damalige Adresse) erbaut. Der Abbruch der Gebäude geschah 1928 im Zuge der Altstadtsanierung. Bei diesen Freiwohnungen handelte es sich um Buden, die beidseitig eines langgestreckten Hofes standen, an dessen Ende sich ein größerer Garten auftat, der auch als Wäschebleiche benutzt wurde. Zu den Buden gelangte man von der Steinstraße kommend durch einen schmalen niedrigen Durchgang in einem Vorderhaus. Die aneinandergereihten eingeschossigen kleinen Häuser mit Mansardendach waren ebenerdig zugängig und besaßen im Erdgeschoss eine Diele und eine Stube, die von einem zwischen den beiden Räumen sich an der Wand befindenden Kamin beheizt werden konnten. Die Diele war häufig sehr niedrig, der Fußboden mit Fliesen belegt, die Wände der Stube und der Diele mit Kalktünche gestrichen. Im Mansardengeschoss lag ein größerer Wohnraum, darüber befand sich ein Boden.
Anna Büring gehörte zu den reichsten Frauen Hamburgs, und dies selbst als Witwe, was außergewöhnlich war. Denn starb in einer kinderlosen Ehe der Ehemann vor der Frau, musste sich die Witwe das Vermögen hälftig mit den Verwandten des Mannes teilen. Starb hingegen die Frau vor dem Mann, erhielt der Ehemann zwei Drittel und die Verwandten der Ehefrau nur ein Drittel aus dem gemeinsamen Ehevermögen – so stand es im Hamburger Stadtrecht von 1301. Eine Witwe stand unter Vormundschaft eines Advokaten, denn Frauen durften keine eigenen Rechtsgeschäfte, wie z. B. Renten- und Grundstücksgeschäfte, vornehmen. Wollten sie eine neue Ehe eingehen, mussten sie die erbberechtigten Familienangehörigen um Erlaubnis bitten.
Anna Büring bestimmte in ihrem Testament sechszehn Freiwohnungen für Arme.
In ihrem Testament aus dem Jahre 1535 heißt es u. a. : „Ich, Anna Büring, des seligen Herrn Henning Büring’s weiland Bürgermeister zu Hamburg nachgelassene Witwe, habe mit Zustimmung und Einwilligung meiner Blutsfreunde – die wegen Länge der verflossenen Zeit ihr Erbrecht an meinen hinterlassenen Gütern nicht durch Zeugnis nachweisen konnten – nach den Rechten dieser Stadt und mit einmütiger Erlaubnis und Bewilligung des Ehrbaren Rates zu Hamburg (der mir dieses erlaubt und huldvoll gestattet hat, um einiger stattlicher Gaben willen, die ich derselben Stadt und dem gemeinen Gute zugeführt habe) vor Zeiten mein Testament und meinen letzten Willen best. auf Anfordern meiner Blutsfreunde und Vormünder, der ehrsamen Herrn Hermann Rodenburg, Elert van Stendern (Ratshherrn) und Harder van dem Stove (Bürger), und zwar folgendermassen: Fünfzig Mark Geldes habe ich dem gemeinen Gute gegeben von hundertundzehn Mark Geldes, die ich in die Kämmerei stehen habe, und nach meinem Tode sollen die übrigbleibenden sechzig Mark Geldes auch frei werden und dazu kommen.
Und ausserdem sollen meine Testamentsvollstrecker funfundzwanzighundert lübische Mark, wie es in meinem ersten Testament bestimmt, nach meinem Tode dem Ehrbaren Rate Johann v. Spreckelsen – damals Zehnpfennigsherren, die auf Geheiss und Befehl des ganzen Ehrbaren Rates besonders damit beauftragt worden sind – verhandelt und endlich mit meinen vorbenannten Blutsfreunden verträglich festgelegt worden ist, im Jahre 1504 am Vorabend der Bekehrung des hl. Apostels Paulus, nach dem Wortlaut eines versiegelten Briefes, welcher mir von dem E. R. darüber gegeben und welcher zu grösserer Sicherheit auf Geheiss und Befehl derselben Herren im gleichen Jahre, Montag nach Mitfasten im Stadtbuch zum Zeugnis eingetragen worden ist.
Weil nun mein Leben durch göttlichen Willen bis heute gedauert hat, so habe ich alle oben beschriebenen Vermächtnisse, welche in meinem ersten Testament enthalten sind, und welche meine Testamentsvollstrecker nach meinem Tode entrichten sollten, schon zu meinen Lebzeiten dem gemeinen Gute entrichtet und bei der Kämmerei hinterlegt, wie das die darüber gegebenen und bei mir verwalteten Brief und Siegel vermelden, damit meine Testamentsvollstrecker nach meinem Tode unbelästigt bleiben mögen.
Nachdem nun dieses Vermächtnis entrichtet und mir in meinem ersten Testament durch eine allgemeine, übliche Klausel die Möglichkeit vorbehalten ist, dasselbe Testament zu widerrufen, wie auch in allen Testamenten der löbliche Gebrauch und die Gewohnheit dieser Stadt es mit sich bringt, so geschieht jetzt dieser vorbehaltene Widerruf aus folgenden notwendigen Ursachen: da alle in meinem ersten Testament benannten Testamentsvollstrecker in Gott verstorben sind, und weil auch in diesem meinen ersten Testament etliche Vermächtnisse enthalten sind, die ich schon zu meinen Lebzeiten entrichtet habe. Zudem habe ich auch an Kirchen und Klöster Schenkungen gemacht, die doch nun zur Zeit teilweise zu anderen Zwecken als zu Gotteshäusern gebraucht werden. Desgleichen habe ich auch in meinem ersten Testament für Virgilien, Seelenmessen und von den Kanzeln zu verlesende Jahreszeitengedächtnisse Stiftungen verzeichnet und gegeben, damit meine und meiner verstorbenen Freunde Seelen, wie zu jener Zeit gelehrt wurde, Gott dem Herren getreulich empfohlen sein und von der Pein des Fegefeuers befreit sein möchten. Da ich nun aber durch Gottes Wort und sein heilbringendes Evangelium ganz anders unterrichtet und gelehrt worden bin, so habe ich mir bedacht, dass es sehr nötig sei, mein erstes Testament aus den angeführten Ursachen zu verändern und zu widerrufen (…) und dieses, mein folgendes Testament wiederum an dessen Stelle setze mit Wissen und Zustimmung etlicher meiner Testamentsvollstrecker. (…)
Zuerst befehle ich meine arme Seele der Barmherzigkeit des allmächtigen Gottes, der mich durch sein bitteres Leben von dem ewigen Tode gnädiglich erlöst hat und wünsche, dass nach meinem Tode die Leiche nach christlicher Gewohnheit zu Sankt Katharinen bei meinem seligen Hausherren zur Erde bestattet werden. Für Bauzwecke dortselbst gebe ich dafür dreissig Mark, und den anderen Kirchen, St. Peter, St. Nikolai, St. Jacobi, St. Georg und der Hl. Geistkirche, je zehn Mark für Bauzwecke.
Dem gemeinen Gute für Wege und Stege ein Markstück.
Auf dass denn mein gegenwärtiges Testament und das meines seligen Vaters Hans Sandow gemeinsam dauern und von meinen Testamentsvollstreckern aufrechterhalten werden mögen, so gebe ich zur Ehre Gottes mein Brauhaus, gelegen in der neuen Bäckerstrasse zwischen den Erben von Otto Hesterberg auf der einen und Hans Köster auf der anderen Seite, frei und unbelastet, wie ich es besitze; und sie sollen das Erbe mit keinem Kapital oder Rente beschweren, sondern das Haus jährlich vermieten und von der Miete instandhalten. Was dann jährlich von der Miete übrigbleibt, sollen sie nicht zum Kapital legen, sondern den ganzen Mieteüberschuss zur Notdurft der Armen verwenden nach meinem und meines seligen Vaters Testament, in der Art und Weise wie hier folgt:
A. Zuerst sollen meine Testamentsvollstrecker dem Pockenhaus für Kohlen- und Leinwand jährlich zwanzig Lübische Mark für die Armen geben.
B. Ferner jährlich einem Gesellen oder Jungen, der arm ist, fünf Jahre lang jährlich zwanzig Mark zum Studium auf einer christlichen Universität. Und wenn die fünf Jahre herum sind, dann solle meine Testamentsvollstrecker einem andern Studenten fünf Jahre lang diese zwanzig Mark als Stipendium begehrte, so soll er das nächste dazu sein.
C. Ferner soll man einer armen ehrlichen Jungfrau oder Magd jährlich zwanzig Mark zu ihrem Brautschatz geben. Es sollen aber stets die Verwandten, wenn man es begehren würde, als die Nächsten
D. Ferner sollen meine Testamentsvollstrecker jährlich beim St. Felicianimarkt (d. h. um den 20. Oktober) vierzig Mark Kleidung und Schuhe an arme notdürftige Menschen verteilen.
E. Dann sollen sie jährlich zwei „Seelenbäder“ halten lassen mit zwei Tonnen Bier, und nach dem Bade sollen sie jeden der armen Menschen zwei Pfennig und ein Wecken Brot geben. Das eine Bad soll in der Woche meiner Jahreszeit (d. h. in der Woche des Gedächtnistages der Verstorbenen), das andere ungefähr ein halben Jahr danach stattfinden.
F. Weiter soll man zwei Spenden veranstalten, die eine am nächsten Freitag, nach meinem Gedächtnistage, die andere am Abend vor St. Michaelis, beidemals soll jeder Arme, ob jung oder alt, zwei Pfennige erhalten.
G. Was dann über das für diese Stiftungen benötigte Geld hinaus noch jährlich von der Miete des Brauhauses übrigbleibt, sollen meine Testamentsvollstrecker vollständig zu Gottes Ehre verwenden, wie es ihnen am besten und nötigsten scheint. Wenn aber die Miete des genannten Hauses wegen Gebäudeschadens oder einer anderen Wertverminderung nicht ausreichen sollte, so sollen meine Testamentsvollstrecker, damit diese Stiftungen ewig bleiben, das fehlende von meinem anderen nachgelassenen Gütern nehmen.
H. Wäre jemand von meinen Verwandten, der arm und notdürftig befunden würde, und der um Gottes willen etwas begehrte, demselben sollen meine Testamentsvollstrecker, nach ihrem Ermessen und je nach den Umständen der Notdurft, von dem Überschuss der Miete geben und mitteilen.
I. Damit diese Stiftungen treulich zur Ehre Gottes dargereicht werden mögen, wünsche ich, dass meine Testamentsvollstrecker zu Gottes Ehren von Jahr zu Jahr abwechselnd die Mühe übernehmen und zwar dergestalt, dass immer einer ein Jahr lang das Brauhaus vermiete, die Miete einnehme und davon bau, kaufe und ausgebe – und nach dem Tode der Anna vom Stove jede Woche vor seiner Tür den Armen für acht Schilling Brot austeile. Das Kapital dafür, das jährlich sechsundzwanzig Mark trägt, ist in dem Bäckerhaus am Hopfenmarkt angelegt, das jetzt vom Dierk Schoene bewohnt wird, es liegt zwischen Engelke Grote an der einen und Klaus Simons an der anderen Seite; und sollte das Kapital daraus ausgelöst werden, so sollen meine Testamentsvollstrecker es möglichst wieder in einem Bäckerhaus anlegen. Ferner sollen meine Testamentsvollstrecker mit ihren Hausfrauen jedes Jahr einmal zur Zeit des Filicianimarktes (20. Oktober) im Haus desjenigen zusammenkommen, der in diesem Jahr die Verwaltung gehabt hat, und sie sollen dort ein Mahl halten, mit einer Tonne Bier und den Speisen, die dazu gehören. Dabei soll man den bedürftigen armen Leuten Kleidung und Schuhe und alle anderen Gaben zu Gottes Ehre, wie oben angedeutet ist, austeilen. Auch dem ehrbaren Rat soll von diesem Testament jährlich das übliche Schoss (Steuer) bezahlt werden. Derjenige, welcher nun in dem Jahr die Arbeit mit Vermieten, Einnahme der Miete, Bauen, und Brotverteilung vor seiner Haustür an die Armen gehabt hat, der soll für seine Mühe zehn rheinische Gulden haben, was zwischen meinen Testamentsvollstreckern ein Jahr um das andere umgehen soll. Und derjenige von den Testamentsvollstreckern, der in diesem Jahr die Rechnung führt und das Mahl gibt, der soll alsdann augenblicklich dem andern, der der nächste ist, die Lade mit beiden Testamenten und den andern Büchern und Schreiben, die dazu gehören, übergeben.
Weil ich auch ein Wohnhaus in der Steinstrasse habe, zu dem sieben Gottesbuden gehören, die armen Leuten als Wohnung dienen, und auch immer dabei bleiben sollen, so soll man das Wohnhaus vermieten und von der Miete die Instandsetzung und Ausbesserung der Buden bestreiten.
Dazu sollen meine Testamentsvollstrecker einem jeden Armen, der in den Buden wohnt, zu allen vier Zeiten des Jahres (das sind Mittwoch nach Icokavit, Pfingsten, 14. September und 13. Dezember) drei Pfund Fleisch, zwei Pfennig und ein Feinbrot sowie jährlich zwei Stücke Kohlen geben, für die ich bei den Hl. Leichnamsgeschworenen zu St. Peter das erforderliche Kapital angelegt habe. Die Leichnamsgeschworenen sollen jährlich nach meinem Tode einem jedem meiner Testamentsvollstrecker 25 Kohlengutscheine für die Armen senden, nach Inhalt eines versiegelten Briefes, den die Hl. Leichnamsgeschworenen darauf gegeben haben. Ich habe auch eine arme Jungfrau, Wöbbecke genannt, ins Kloster zu Plön geben und einkleiden lassen. Der soll man jährlich, was sie an Kleidern und Leinwand nötig hat und was sie Zeit ihres Lebens bedarf, geben.
Weiter soll man Beke im hl. Ilsabenhaus und Katharina im Konvent, meiner alten Magd, einer jeden vierteljährlich zwei Mark geben, solange sie leben. Auf dass nun meine Freunde nicht vergessen werden, so gebe ich zuerst dem Ehrbaren Rate dreihundert Gulden, wovon meine Testamentsvollstrecker ein oder zwei stattliche Kleinodien mit dem Wappen meines seligen Mannes nach den Wünschen des Ehrbaren Rates machen lassen sollen, die zu ewigem Gedächtnis stets bei ihnen (im Ratssilberschatz) aufbewahrt werden sollen. (…)
Was ich nun weiter nachlassen werde an Häusern und beweglichen und unbeweglichen Gütern, die ich zu meinen Lebzeiten nicht vergeben habe, das alles sollen meine Testamentsvollstrecker zu Gottes Ehre in die Hände der bedürftigen Armen geben. (…)“2)
Die Anna BüringTestaments-Wohnungen lagen an der Steinstraße 75-79 und wurden 1928 abgerissen. Die Freiwohnungen befanden sich in Buden, die an beiden Seiten eines langgestreckten Hofes standen, an dessen Ende sich ein größerer Garten auftat, der auch als Wäschebleiche benutzt wurde. Zu den Buden gelangte man von der Steinstraße kommend durch einen schmalen niedrigen Durchgang in einem Vorderhaus. Die aneinandergereihten eingeschossigen kleinen Häuser mit Mansardendach waren ebenerdig zugänglich und besaßen im Erdgeschoss eine Diele und eine Stube, die von einem zwischen den beiden Räumen sich an der Wand befindenden Kamin beheizt werden konnten. Die Diele war häufig sehr niedrig, der Fußboden mit Fliesen belegt, die Wände der Stube und der Diele mit Kalktünche gestrichen. Im Mansardengeschoss lag ein größerer Wohnraum, darüber befand sich ein Bodenzimmer.
Noch heute besteht die Stiftung Anna-Büring-Testament.