Bulckestraße
Blankenese (1949): Carl Bulcke (29.4.1875 Königsberg – 24.2.1936 Berlin), Dichter, Schriftsteller
Vor 1949 hieß die Straße Luisenstraße nach der Ehefrau des Apothekers und Gemeindeverordneten Carl Adolf Hoffmann.
Bereits in der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Karl-Bulcke Straße umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen kam. Bedingt durch den Krieg kam es aber nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bis 1949 bei Luisenstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946)
Carl Bulcke unterzeichnete Ende Oktober 1933 das „Gelöbnis treuester Gefolgschaft auf Adolf Hitler“.
Aus dem Eintrag in Wikipedia über Carl Bulcke ist zu seinem literarischen Schaffen folgendes zu entnehmen: „Nach der Promotion zum Dr. iur. (…) war Bulcke Staatsanwalt in Naumburg (Saale), Nordhausen und Essen tätig. Zeitgleich war Bulcke auch als Lyriker, als Verfasser von Novellen und als Romanautor tätig. Um die Jahrhundertwende lebte er in Uetersen und war ein gern gesehener Gast bei den Damen der höheren Gesellschaft der Stadt. Durch deren Erzählungen über die menschlichen Tragödien und den Selbstmord von Meta Kahlke auf Schloss Düneck wurde er zu seinem Roman Silkes Liebe inspiriert, der 1901 erschien. (…) Bulcke verfasste vierzehn Romane und Novellen, deren Titel oft auf die Mühen der Schicksale junger Mädchen hinweisen. Zur Lebzeit Bulckes gehörten Silkes Liebe (1901), Ein Mensch namens Balzereit (1917) und Tapferer Cassio (1930) zu seinen bekanntesten literarischen Werken. (…).“ (Wikipedia: Carl Bulcke, abgerufen 1.12.2019)
Bulckes Roman „Silkes Liebe“ kam 2012 und 2013 in Uetersen in einer Inszenierung von Elsa Plath sogar auf die Bühne. Die Uetensener Nachrichten berichteten am 6. Februar 2013: „Untermalt von Lichtbildern mit Ansichten von Alt-Uetersen, wird den Zuhörern das damalige tragische Geschehen in Lied und Wort nahe gebracht. Die Handlung des Romans beruht auf einer wahren Begebenheit, die sich auf Schloss Düneck zugetragen hat: Zwei junge Menschen hatten sich das Leben genommen. Wenige Jahre später trat ein junger Referendar namens Carl Bulcke in Uetersen seinen Dienst am Königlich-Preußischen Amtsgericht an. Er kam aus Ostpreußen, hatte schon einen Roman veröffentlicht und verweilte oft auf dem Alten Friedhof – an den Grabsteinen der beiden Liebenden. Dabei fand er den Stoff für sein nächstes Buch: „Silkes Liebe“. (www.shz.de/lokales/uetersener-nachrichten/wieder-auf-der-buehne-silkes-liebe-id13525301.html)
Und in den Uetesener Nachrichten vom 21.10.2012 schreibt Jan-Hendrik Frank über das aufgeführte Stück: „Im Roman sucht der ‚Freiherr Johannes Friedrich von Nürnberg‘ das Moorreger Schloss als Kurort auf. In dem Hotel lebt die 17-jährige Wirtstochter Silke Maria Raders. Als der Freiherr in dem Gasthaus einkehrt, vertieft er sich begeistert in der Ortszeitung in einen Fortsetzungsroman und bittet die Wirtstochter um ältere Folgen. Da entdeckt sie in ihm einen Gleichgesinnten – und entflammt für ihn. Fortan singt sie für ihn morgens am Schloss. Abends rührt sie ihn durch ihr Klavierspiel.
Doch machen auch andere Frauen dem Freiherrn schöne Augen, etwa Ophelia von Qualen. Zusammen mit ihrem Verlobten bezieht sie Quartier in dem Schloss Westensee, das der Romanautor in dem Uetersener Kloster lokalisiert. Während Ophelia den Freiherrn verführt, tröstet sich ihr Verlobter mit Silke. ‚Ich wollte es nicht, aber er wollte es‘, gesteht diese später.
Von der abenteuerlustigen Ophelia verstoßen, erkennt der Freiherr in Silke seine wahre Liebe.‘„Es ist wahr, dass der Ekel vor dem Leben durch ein reines Herz geheilt wird‘, sagt er. Doch als er um ihre Hand anhält, fühlt sie sich seiner Liebe wegen der Affäre mit Ophelias Verlobtem nicht mehr würdig. Sie weist ihn zurück. Am Abend vor seiner Abreise stürzt sie sich in die Pinnau. Der Freiherr kann sie zwar noch aus den Fluten ziehen, aber ihren Tod nicht mehr verhindern. Daraufhin erschießt er sich. (…)
Historische Vorlage des Romans ist das Schicksal von Meta Kahlke. Die 15-Jährige hatte 1886 bei Michael Lienau, dem Erbauer des Schlosses Düneck, als Dienstmädchen gearbeitet. Als der Gast Fritz Norrenberg mit ihr anbandelte, verwies Lienau ihn des Hauses. Norrenberg erschoss sich daraufhin, Kahlke stürzte sich in die Pinnau und starb. Die Grabsteine des Paars stehen heute im Park des Schlosses Düneck.“ (Quelle: www.shz.de/13533516 ©2020)
Verheiratet war Carl Bulcke seit 1908 mit Maria, geborene Volkmann (1885–1965), Tochter des Kaufmanns und amerikanischen Konsuls in Odessa Johann Hermann Volkmann und seiner Ehefrau Lina, geb. Bleuler. Das Paar bekam drei Kinder.
Über Bulcke schreibt der Historiker David Templin:
„Carl Bulcke wurde 1875 im ostpreußischen Königsberg geboren.1) An den Universitäten Freiburg, Berlin und Kiel studierte er Jura. Um 1900 war Bulcke als Referendar u.a. am Amtsgericht in Altona tätig. In den frühen 1910er Jahren arbeitete er in Nordhausen und Essen als Staatsanwalt. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert verfasste Bulcke Gedichte, Novellen und Romane, darunter ‚Balzereit‘ bzw. ‚Ein Mensch namens Balzereit‘ (1917), ‚Und so verbringst du deine kurzen Tage‘ (1930) und ‚Tapferer Cassio‘ (1934).2) 1911 trat Bulcke dem zwei Jahre zuvor gegründeten Schutzverband deutscher Schriftsteller bei. Seit 1920 arbeitete er im Vorstand des Verbandes mit und amtierte 1922/23 auch als dessen Vorsitzender.3) Nach Ende des Ersten Weltkrieges zog Bulcke nach Berlin und wurde 1920 Leiter der Film-Oberprüfstelle und damit der Filmzensur. In dieser Funktion urteilte er über als ‚Kolportage‘- und ‚Schundfilme‘ deklarierte Produktionen. 1921 wurde er zum Oberregierungsrat ernannt.4) Im Juli 1921 erlaubte er den Film ‚Das Judenmädel von Sosnowice‘, der zuvor mit Verweis auf Antisemitismus verboten worden war. In der von Bulcke unterzeichneten Begründung hieß es, zwar sei ‚eine antisemitische Tendenz‘ des Films zu erkennen, aber ebenso ein ‚soziales Mitleid‘ gegenüber osteuropäischen Juden. Die Provokation antisemitischer Kundgebungen sei nicht zu erwarten, da der Film ‚nicht etwa deutsche Juden und etwaige Charaktermängel deutscher Juden [zeige] […] sondern […] die Verderbtheit der russisch-polnischen Juden‘.5) Daniel Wild hat in seiner Studie zur Filmzensur in der Weimarer Republik betont, dass Bulckes Entscheidung zwar als zynischer Versuch der Zulassung eines antisemitischen Films gewertet werden könne, gleichzeitig aber darauf aufmerksam gemacht, dass Bulcke in anderen Fällen sehr darauf bedacht war, Filme mit antisemitischem Inhalt zu verbieten, und prorepublikanisch argumentierte.6) So verbot er Anfang der 1920er Jahre zwei antifranzösische und rassistische Propagandafilme, auch wenn er konzedierte, dass die ‚Entrüstung des deutschen Volkes über die schwarze Besatzung im Rheinlande […] als Gefühlsausdruck‘ berechtigt sei.7)
Als 1922 der Film ‚Nathan der Weise‘ erscheinen sollte und eine nationalsozialistische Kampagne gegen diesen einsetzte, vor deren Hintergrund auch Gutachter der Münchener Filmprüfstelle für ein Verbot votierten, stellte sich Bulcke ‚geradezu demonstrativ hinter den Film‘, wie Stefan Volk betont, und erklärte es zur Aufgabe der Polizei, gegen eine mögliche Störung der öffentlichen Ordnung durch antisemitische Proteste vorzugehen.8) Im März 1924 wurde Bulcke auf dem Posten des Filmzensors abgelöst 9)
Carl Bulcke wurde nicht Mitglied der NSDAP,10) unterzeichnete jedoch das Ende Oktober 1933 reichsweit verbreitete ‚Gelöbnis treuester Gefolgschaft‘, das 88 deutsche Schriftsteller auf eine Initiative der Deutschen Akademie der Dichtung (der gleichgeschalteten, vormaligen Preußischen Akademie der Künste) unterschrieben hatten. Mit dem Gelöbnis sollte der politische Kurs Adolf Hitlers bedingungslos unterstützt werden.11) Jenseits dieses Aktes der öffentlichen Unterstützung des neuen Regimes konnten keine weiteren Hinweise zu Bulckes Haltung zum Nationalsozialismus oder zu etwaigen Mitgliedschaften in NS-Organisationen ausgemacht werden. Auch über seine letzten Lebensjahre ist wenig bekannt. 1934 veröffentlichte er einen letzten Roman, 1934/35 verbrachte er mehrere Ferienaufenthalte auf Helgoland. Entsprechende Tagebuchnotizen wurden 1940 posthum veröffentlicht.12) Im Februar 1936 starb Bulcke schließlich im Alter von 60 Jahren in Berlin – wie in der Presse berichtet wurde, ‚nach langem, schwerem Leiden‘.13)
Im Februar 1949 wurde eine Straße in Blankenese nach Carl Bulcke benannt, der nach 1900 einige Jahre dort gelebt hatte.14) 1953/54 druckte das Hamburger Abendblatt mehrere seiner Kurzgeschichten ab.15) Ende 2014 stellte der Förderkreis Historisches Blankenese die Forderung auf, die Bulckestraße umzubenennen und als alternative Namensgeberin die wohltätig wirkende Friederike Klünder (1776-1848) zu wählen [siehe: Friederike-Klünder-Weg, seit 2019, R. B.]. Begründet wurde der Umbenennungswunsch u.a. mit Verweis auf die Unterzeichnung des Treuegelöbnisses durch Bulcke. 16)
Text: David Templin