Bunsenstraße
Ottensen (1915): Prof. Robert Wilhelm Bunsen (30.3.1811 Göttingen -16.8.1899 Heidelberg), Chemiker, Physiker, Bunsenbrenner
Robert Wilhelm Bunsen ist heute noch bekannt, weil der in allen Schulen im Chemieunterricht verwendete Bunsenbrenner nach ihm benannt ist.
Über die Herkunft und den Werdegang des zeit seines Lebens ledig gebliebenen Robert Wilhelm Bunsen heißt es in der Neuen Deutschen Biographie: „Vater Christian (1770–1837), Prof. der neueren Sprachen u. Kustos der Universitätsbibliothek Göttingen (…) Mutter Aug. Friederike (1775–1855), Tochter des Carl Quensel, britisch-hannoverischer Major u. Syndikus der Stadt Goslar, u. der Melanie Ther. Heldberg aus Juristenfamilie.
B. studierte seit 1828 in Göttingen Naturwissenschaften, besonders Chemie (…) und promovierte 1831 (…) über die verschiedenen Arten von Hygrometern. (…). 1834 habilitierte sich B. in Göttingen mit einer präparativ-analytischen Arbeit über Metallsalze komplexer Eisen-Cyanverbindungen. Dann führte er Versuche mit Eisenhydroxyd aus, die seinen Namen bald in der Wissenschaft bekannt machten. Er entdeckte 1834 die fällende Wirkung von Eisenhydroxyd auf gelöste arsenige Säure und erprobte in gemeinsam mit dem Mediziner Arnold Adolph Berthold durchgeführten Tierversuchen die Brauchbarkeit von Eisenhydroxyd als Gegengift bei Arsenvergiftungen. (…). Als Lehrer an der Höheren Gewerbeschule in Kassel (seit 1836) dehnte er seine Arsenversuche auf organische Verbindungen aus,(…). Bei diesen unter völlig unzulänglichen äußeren Bedingungen ausgeführten, mühseligen und gefährlichen Arbeiten brachte ihm eine Explosion 1836 eine dauernde Schädigung des rechten Auges, hinderte ihn aber nicht, die einmal begonnenen Untersuchungen über ‚Kakodyl‘ (wegen des widerlichen Gestankes so genannt) weiter und zu Ende zu führen. (…) Hinfort hat er sich ganz auf anorganische, analytische und physikalische Chemie beschränkt, und er muß als Begründer der physikalischen Chemie in Deutschland angesehen werden. Dabei war er weniger an theoretischen Erörterungen interessiert als an der praktischen Verwertbarkeit der gewonnenen wissenschaftlichen Ergebnisse, ohne sich jedoch selbst an technischen Unternehmungen zu beteiligen oder irgendwelchen persönlichen Vorteil daraus zu ziehen.
Im Auftrag der kurhessischen Regierung führte B. Untersuchungen über die in Eisen- und Kupferhochöfen sich abspielenden chemischen Vorgänge aus, die ihn zur Ausarbeitung quantitativer Bestimmungsverfahren der Gasanalyse veranlaßten und eine völlige Umwandlung der Hochofentechnik zur rationellen Ausnützung des Heizmaterials zur Folge hatten. (…)
Im Herbst 1839 wurde B. an die Universität Marburg berufen, wo er sich in Vorlesungen und im Laboratoriumsunterricht als akademischer Lehrer bewährte und seine analytischen Untersuchungen (Mineralwasser, Erdöl, Gesteine und Mineralien) fortsetzte. (…)
Seine Versuche mit der Zink-Kohle-Batterie setzte er als Professor in Breslau 1851/52 fort, beschäftigte sich mit Jodverbindungen (Jodstickstoff, Chlorjod) und begründete ein neues maßanalytisches Verfahren, die ‚Jodometrie‘, die später für die Mikroanalyse so außerordentlich wichtig geworden ist. Er freundete sich mit dem dortigen Physiker Gustav Kirchhoff an und ließ ihn nach seiner Übersiedlung nach Heidelberg (1852) bald nachkommen. - Beim Neubau des dortigen chemischen Laboratoriums benutzte er die Gelegenheit der Einführung des Leuchtgases zur Konstruktion eines mit regulierbarer Luftzufuhr versehenen Gasbrenners (1855). Dieser ‚Bunsenbrenner‘ hat dann die ganze Gasheiztechnik (einschließlich des Auerschen Gasglühlichtes) erst ermöglicht. - Gemeinsam mit seinem Schüler Henry E. Roscoe führte B. 1855-59 photochemische Untersuchungen mit Chlorknallgas aus, die wegen der Überwindung außerordentlicher experimenteller Schwierigkeiten von Wilhelm Ostwald als seine Meisterarbeit bezeichnet werden. Besonders charakteristisch für B.s ganze Wesens- und Forschungsart ist das von ihm angegebene ‚Fettfleck-Photometer‘.
Untersuchungen über die von den verschiedenen Salzen in der nichtleuchtenden Gasflamme hervorgerufenen Flammenfärbungen führten ihn zusammen mit Kirchhoff 1859 zur Auffindung der Spektralanalyse, das heißt zu der Erkenntnis, daß von jedem Element im glühenden Gaszustande Licht von ganz bestimmten Wellenlängen ausgestrahlt wird, so daß im Spektrum ganz bestimmte, für das Element charakteristische Linien auftreten. Diese Entdeckung machte ungeheures Aufsehen, denn sie ermöglichte nicht nur eine bis dahin ungeahnte Empfindlichkeit im Nachweis der einzelnen Elemente, sondern offenbarte auch die chemische Zusammensetzung der Sonne und aller selbstleuchtenden Gestirne in größten Himmelsfernen. Die Entdecker fanden bald zwei neue Elemente, zur Gruppe der Alkalimetalle gehörig: Cäsium (1860) und Rubidium (1861). Fast alle späteren Elemententdeckungen sind der Spektralanalyse zu verdanken, und die Auffindung der Spurenelemente wäre ohne sie nicht möglich gewesen. B. selbst hat später noch die Funkenspektren der Alkali-, Erdalkalimetalle und einiger seltener Erden in äußerst mühseligen Versuchen genau erforscht; und dabei ist ihm (1875) das Mißgeschick widerfahren, daß seine Aufzeichnungen einschließlich der genauen Zeichnungen der Spektrallinien in seiner Abwesenheit einem rätselhaften Brande (Wasserflasche als Brennlinse für das Sonnenlicht) zum Opfer fielen, so daß er gezwungen war, die sorgfältigen, umfangreichen Messungen noch einmal auszuführen. - Bei der Explosion eines Gemisches von feinverteiltem Rhodium und Iridium (1860) erlitt er an Händen und Gesicht Brandwunden ohne Schädigung der Augen.
(…) Die von ihm erdachte Wasserstrahl-Luftpumpe (1868) sowie einige andere Dinge (zum Beispiel B.-Ventil) sind zum selbstverständlichen Hilfsmittel der Laboratoriumsarbeit geworden. (…). Erst mit 78 Jahren ließ er sich emeritieren. (…).“1)
Bunsen: Lehrer der ersten promovierten Chemikerin
Bunsen war Lehrer der ersten promovierten Chemikerin. Sie hieß Julia Lermontowa (1846-1919) und war eine russische Adlige. Anfangs war er nicht von ihrem Anliegen begeistert gewesen, bei ihm in Heidelberg zu studieren. „Er habe sich verschworen, kein Frauenzimmer, namentlich keine Russin in sein Laboratorium aufzunehmen. Er habe also auch Frl. Lermontof[f] nicht bei sich wollen arbeiten oder hören lassen. Da seiest Du [Kowalewskaja] zu ihm gekommen und habest ihn so allerliebst gebeten, dass er nicht habe widerstehen können und seinem Vorsatze ungetreu geworden sei“ 2), zitiert Elena Roussanova von der Universität Hamburg, Schwerpunkt für die Geschichte der Naturwissenschaften, Matrhematik und Technik einen Brief des Mathematikers Karl Weierstraß an Julias Freundin und Mitstudentin Sofia Kowalewskaja. Karl Weierstraß setzte sich für die Möglichkeit des Promovierens der beiden Studentinnen ein. Elena Roussanova schreibt in ihrem Portrait über die erste promovierte Chemikerin weiter: „Lermontowa hörte Bunsens berühmte Vorlesung ‚Experimentalchemie‘ und arbeitete zwei Semester in seinem Laboratorium. Sie hielt sich insgesamt vier Semester in Heidelberg auf (vom WS 1869/70 bis SS 1871), und studierte auch bei Gustav Kirchhoff, Hermann Helmholtz und Hermann Kopp. (…) Hier ist noch anzumerken, dass Bunsen und Bornträger offensichtlich die ersten deutschen Hochschullehrer für Chemie waren, bei denen eine Frau im Laboratorium arbeitete und deren reguläre Lehrveranstaltungen besuchte.“ 3) (über Julia Lermontowas Werdegang siehe in dem angegebenen Aufsatz von Elena Roussanova).
„Erst 26 Jahre nach Lermontowa - im Jahre 1900 - erwarb als zweite Frau in Deutschland Clara Immerwahr, die spätere Ehefrau von Fritz Haber, einen Doktortitel in Chemie in Breslau. Es dauerte weitere 21 Jahre, bis mit der Engländerin Grace Emily Chisholm (Mathematikerin) in Deutschland wieder eine Frau promovierte.“ 4)