Charlie-Mills-Straße
Farmsen-Berne (1996): Charlie Mills (23.11.1888 Hamburg – 7.6.1972 in der Schweiz), Trabrennfahrer, Pferdezüchter
Charles „Charlie“ Mills war der Sohn des irischen Trabertrainers Anthony Mills und dessen Frau Susan, geborene Napier. Anthony Mills war in Charles Geburtsjahr an die neu errichtete Trabrennbahn in Hamburg-Bahrenfeld engagiert worden und Charles kam in der elterlichen Wohnung direkt auf der Rennbahn zur Welt. Mit nur 14 Jahren gab er 1903 in einem Amateur-Wettbewerb sein Debüt als Trabrennfahrer. Acht Tage später gewann er sein erstes Rennen und beschloss, Berufsfahrer zu werden. 1904 siegte er erstmals auf der Bahrenfelder Anlage und setzte anschließend seine Siegesserie bei zahlreichen anderen Veranstaltungen fort. Bereits 1903 war die Familie von Hamburg nach Berlin gezogen, nachdem Charles seine Schulausbildung abgeschlossen hatte.
Während des Ersten Weltkriegs wurde Charlie Mills in Berlin interniert, denn er besaß einen irischen Pass und Großbritannien gehörte zu den deutschen Kriegsgegnern. Zusammen mit anderen Zivilistinnen und Zivilisten, die meisten aus Großbritannien, wurde er ausgerechnet in der Trabrennbahn Ruhleben festgesetzt, dem damals größten Berliner Internierungslager.
Nach Kriegsende 1918 zog er nach Österreich, wo er weiterhin als Trabrennfahrer erfolgreich war. 1924/25 kehrte er nach Deutschland zurück und setzte seine Siegesserie fort.
Nachdem er sich bereits seit etwa 1912 auch als Importeur von Traberpferden aus den USA betätigt hatte, wandte er sich in nun in Deutschland auch der Zucht zu und erwarb dazu das bei Bargteheide gelegene Gestüt Lasbek. Da es zu weit von Berlin entfernt lag, verkaufte er es jedoch 1929 wieder.
Charlie Mills lebte für seine Pferde. Allerdings hatte er sich bei einem davon, bei Baka im Geschlecht geirrt. Baka war keine Stute, wie Mills glaubte, sondern ein Hengst. Über Barka schrieb er 1926 in „einen eigenen Beitrag in der Kulturzeitschrift ‚Der Querschnitt‘: ‚Mein schönstes Pferd. Meine Fahrten mit Baka, der herrlichen Ungarin, werde ich nie vergessen. Im Jahre 1920 tauchte der neue Stern am Traberhimmel in Wien auf, und mit einem Schlage war sie zum Favoriten geworden. Sie wurde gefeiert und verhätschelt wie eine Primadonna – und so, wie eben nur die Wiener Primadonnen – verwöhnt. Sie trabte stolz und selbstverständlich von Sieg zu Sieg, um schließlich die Krone, das Derby, zu gewinnen. Noch das gleiche Jahr brachte ihr das ehrenvolle Engagement nach Hamburg. (…) Zuerst ging alles gut; aber plötzlich merkte Baka die ungewohnte Umgebung, der fremde Boden, die Grasbahn irritierten sie: sie bekam Lampenfieber (…) und begann unregelmäßig und nervös zu laufen und zu springen, als ob sie das erste Mal eine Bahn unter ihren feinen Damenfüßchen hätte. Ich versuchte es in Güte – wurde ernstlich böse! Alles vergebens. Richtiges Lampenfieber! (…) Da – der Startschuss! Und Baka – meine Baka, läuft exakt in fabelhaftem Rhythmus, als ob nie etwas losgewesen wäre, läuft wie eine herrliche Maschine, holt in den letzten 500 Metern noch 40 Meter ein und gewinnt mit einer für europäische Verhältnisse fabelhaften Rekordzeit mit einer Halslänge das Rennen‘“. 1)
1931 holte der jüdische Verleger und Galerist Bruno Cassirer, der damals zugleich einer der bedeutendsten Traberzüchter Deutschlands war, Mills als Trainer an sein neu gegründetes Gestüt Lindenhof bei Templin in der Uckermark. Nach der Machübergabe an die Nationalsozialisten 1933 überschrieb Cassirer Mills den Besitz. Angeblich fungierte Mills fortan als Geschäftsführer, während Cassierer den eigentlichen Gestütsbetrieb bis zu seiner Flucht aus Deutschland 1938 heimlich weiterleitete. Die Germanistin Sigrid Bauschinger notierte dagegen in ihrem Buch „Die Cassirers. Unternehmer, Kunsthändler, Philosophen“, dass Cassierer nach dem Verkauf sein Gestüt nicht mehr betreten durfte. Gerd von Ende wiederum, der sich in seinem Buch „Passion“ ausführlich mit der Geschichte des Pferderennsports befasste, kommentierte den Verkauf mit den Worten: „Als der von den Nazis wegen seiner jüdischen Abstammung ins Abseits gedrängte Bruno Cassirer 1938 nach England emigrierte, übernahm Charlie Mills neben Damsbrück dessen Lindenhofer Gestüt nahe Templin in der Uckermark. Freilich für einen vergleichsweise geringen Kaufpreis von 64.000 Reichsmark, was nach 1945 noch für Wirbel sorgen sollte.“
1935 kaufte Mills, der kein Mitglied der NSDAP wurde, ein weiteres Gestüt, das Gut Staffelde nördlich von Berlin. Während des Zweiten Weltkriegs nahm er weiterhin an Trabrennen teil. Während der Wirren bei Kriegsende 1945 wurde ein Großteil der Pferde aus beiden Gestüten gestohlen oder ging verloren.
1947 verließ Charlie Mills Deutschland vor allem wegen Rechtsstreitigkeiten um die Zuchtstätte Lindenhof. Und baute sich mit fast 60 Jahren in Frankreich eine neue Existenz auf.
Nahe der französischen Hauptstadt gründete Charlie Mills das Gestüt Chamant. Nachdem er ein letztes Rennen gewonnen hatte, zog er sich 1957 mit 75 Jahren als Trabrennfahrer zurück. Im Laufe seiner Karriere war er bei insgesamt 4364 Rennen als Sieger ins Ziel gekommen. Er starb 1972 mit 84 Jahren in einem Krankenhaus in der Schweiz. In Hamburg-Bahrenfeld erinnert seit der Wiedereröffnung der Rennbahn am 5. Juli 1953 eine Gedenktafel an ihn.
Text: Frauke Steinhäuser