Dag-Hammarskjöld-Brücke
Neustadt (1962): Dag Hammarskjöld (29.7.1905 Jönköping – 18.9.1961 Bei Ndola/Sambia), Generalsekretär der Vereinten Nationen, Friedensnobelpreisträger, Freimaurer
Siehe auch: Dag-Hammarskjöld-Platz
Bevor die Brücke benannt wurde, war diese eine Teilfläche der Marseiller Straße.
Dag Hammarskölds Mutter war Agnes, geb. Almquist (15.1.1866 Stockholm – 21.1.1940 Stockholm), sein Vater war der schwedische Politiker Hjalmar Hammarskjöld (1862-1953).
„Am 29. Juli 1905 im mittelschwedischen Jönköping geboren, verbrachte Dag Hammarskjöld den größten Teil seiner Jugendzeit und seine ersten Studienjahre in Uppsala, wo sein Vater Hjalmar Hammarskjöld Gouverneur war. Er erlebte seinen Vater als pflichtbewußten Beamten und dem Frieden verpflichteten Politiker, der diese Ziele als (parteiloser) Ministerpräsident während des Ersten Weltkriegs bis zu seinem abrupten, nach heftigen Protesten der Bevölkerung gegen seine kriegsbedingte Rationierungspolitik erfolgten Rücktritt wie als schwedischer Delegierter auf Friedenskonferenzen und im Völkerbund konsequent vertrat.
Gleichzeitig verband ihn eine tiefe Freundschaft mit seiner Mutter, deren künstlerische und religiöse Interessen er teilte. Über sie lernte er auch die Familie des Erzbischofs von Uppsala, Nathan Söderblom (1866-1931), kennen. Nach glänzenden Studien der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Uppsala und Stockholm tritt er 1930 als parteiloser Fachmann in den Dienst der Regierung und wird zusätzlich 1935 Sekretär der Reichsbank. In dieser Zeit beschäftigt er sich mit Fragen der Arbeitslosigkeit und der Konjunkturpolitik - Themen und Projekte, die in den 50er und 60er Jahren für die Entwicklung des schwedischen Sozialstaates von entscheidender Bedeutung gewesen sind Diese nationale Komponente wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit seiner Berufung als ‚Ständiger Berater in internationalen Finanz- und Wirtschaftsfragen‘ und dem Wechsel ins Außenministerium durch eine vielgestaltige Tätigkeit auf internationaler Ebene erweitert. Diese Arbeit als parteipolitisch unabhängiger Fachmann und als Diplomat eines neutralen Landes machte ihn 1953 zu einem möglichen Kandidaten für das Amt des UN-Generalsekretärs, nachdem die Wahl eines Nachfolgers für den (ersten) UN-Generalsekretär, den Norweger Trygve Lie, in eine Sackgasse geraten war. Für ihn überraschend, wurde er dann auch Anfang April 1953 zum Generalsekretär berufen und bestätigt.“ 1)
„Im Zuge der Kongokrise 1960 kritisiert er die Ressourcenausbeutung in Afrika und ruft im Rahmen der Operation der Vereinten Nationen im Kongo (ONUC) die UN-Friedenstruppen (Blauhelme) ins Leben. Jene Operation, die Hammarskjöld im Alter von 56 Jahren ein ebenso tragisches wie rätselhaftes Ende bereitete.
Am 30. Juni 1960 erhält der Kongo die Unabhängigkeit vom brutalen Regime der belgischen Kolonialisten, doch sofort besetzen belgische Truppen Teile des Landes, um eine Verstaatlichung rohstoffreicher Bergwerke zu verhindern.
Auch Großbritannien fürchtet um Beteiligungen an Minengesellschaften. Für die USA ist Zentralafrika als Einflusszone im Kalten Krieg und wegen der großen Uranvorkommen interessant. Einzelne Provinzen verweigern sich der Zentralregierung, der Sezessionist Moïse Tschombé ruft nach elf Tagen die Unabhängigkeit der ressourcenreichen Provinz Katanga aus. Kongos Demokratie ist kurz nach den ersten freien Wahlen schon zersetzt, das Land bevölkert von Söldnern, Geheimdienstlern und vom westlichen Kapital korrumpierten Politikern. Die ONUC-Mission soll Einigkeit und Frieden wiederherstellen und wird doch in harte Gefechte verwickelt.
In dieser explosiven Gemengelage befindet sich Dag Hammarskjöld am 17. September 1961 als Teil einer 16-köpfigen Delegation auf dem Weg nach Nordrhodesien (heute Sambia) zu Friedensgesprächen mit Tschombé. Sein Flugzeug Albertina startet um 16. 51 Uhr. Man vermeidet Funkverkehr und den Luftraum über Katanga, die Reise ist gefährlich.
Der belgische Söldner und Kampfpilot Jan van Risseghem, bekannt als ‚Lone Ranger‘, attackiert als Teil der winzigen Luftwaffe Katangas in jenen Wochen UN-Truppen. Hammarskjöld bat daher um Luftunterstützung, die ihm jedoch Großbritannien und die USA verweigern. Stattdessen wird versichert, dass der Belgier an diesem Tag nicht fliegen werde - ein falsches Versprechen, denn der wird besonders aktiv sein.“ 2)
Das Flugzeug stürzte ab. Mit Dag Hammarskjöld kamen 16 Insassen des Flugzeugs ums Leben. Nach offizieller Leseart wurde der Absturz als Unfall deklariert.
„Jahrzehntelang gibt es nur vage Theorien trotz gewaltiger Ungereimtheiten: Einige Köhler bei Ndola berichten von einem kleinen Flugzeug, das über einem größeren flog, bis in einem der beiden Feuer ausgebrochen sei.
Zudem seien kurz nach Absturz zwei Jeeps zum Absturzort gefahren, erst danach habe das Wrack hell gebrannt. Einer der Köhler sucht die Polizei auf, die Aussage wird aber als unzuverlässig abgetan. Einziger Überlebender ist der von schweren Verbrennungen gezeichnete Harold Julien. Er berichtet von vielen kleinen Explosionen in der Luft, die zum Absturz geführt hätten, bevor er nach sechs Tagen überraschend an Nierenversagen stirbt. Der nordrhodesische Untersuchungsbericht tut dies als Delirium ab. Doch Fakt ist, dass Bilder der Opfer von Gewehrkugeln getroffene Körperteile zeigen. Der optisch weitgehend unversehrte Hammarskjöld lag im weißen Anzug seltsamerweise als einziger etwas abseits, in seinem Kragen soll ein Pikass gesteckt haben - ein Symbol des Todes.
Über Jahrzehnte sind weitere Zeugenaussagen dazugekommen. (…)
In der Dokumentation ‚Cold Case Hammarskjöld‘ von 2019 berichtet ein Freund des Söldnerpiloten Jan van Risseghem alias ‚Lone Ranger‘, dass der ihm vor seinem Tod den Abschuss der Albertina gestanden habe. Er habe den Auftrag ausgeführt, ohne Wissen um die Identität der Insassen.
Die Doku vermutet eine Schattenorganisation hinter der Exekution, die Aufträge im Namen von CIA und MI5 ausführt, doch fehlen Beweise. Die Hintermänner bleiben faktisch im Dunkeln, viele Akten sind bis heute unter Verschluss oder offiziell gar nicht existent.
2017 ernennt António Guterres, Generalsekretär der Uno, Mohamed Chande Othman zum Sonderermittler. Nach dessen im September 2019 veröffentlichten 95-Seiten-Bericht bleibt ein Abschuss ‚plausibel‘, doch moniert er fehlende Transparenz und nennt vor allem Großbritannien, Russland, Südafrika und die USA Guterres hat weitere Ermittlungen zugesichert.“ 2)
Über Dag Hammarskjöld als Person und seine ethischen Vorstellungen sowie Glaubensvorstellung erfährt man viel aus seinem Tagebuch, das 1963 nach seinem Tod veröffentlicht wurden. Diese Tagebucheintragungen zeugen: „von dem beherrschenden Gefühl einer Einsamkeit, die Hammarskjöld als Lebensbürde empfunden wie auch als Chance angenommen hat: ‚Einsamkeit lässt uns schließlich nur die Wahl, entweder in Einsamkeit zu verzweifeln oder hoch auf die Möglichkeit zu setzen, dass wir uns ein Recht zum Leben in einer Gemeinschaft über den Individuen erobern. Aber fordert diese letztgenannte nicht einen Glauben, der Berge versetzt? und Bete, dass deine Einsamkeit der Stachel werde, etwas zu finden, wofür du leben kannst, und groß genug, um dafür zu sterben.‘ Bis zu seinem Tod hat er diesem Gefühl offenbar nicht entrinnen können; einige Wochen vor dem Flugzeugabsturz notiert er: ‚Müde/ und einsam. Müde/ bis der Verstand schmerzt‘ , schreibt aber am Folgetag einen Brief an Barbara Hepworth, der Nähe und Einvernehmen zum Ausdruck bringt. (…) Die Erfahrung, vom anderen nicht erkannt werden zu können, setzt Hammarskjöld gleichsam in die Mahnung um, diese Form des Alleingelassenseins notwendigerweise zu akzeptieren.“ 3)
„Was ihn zu seiner lebenslangen Einsamkeit hatte bewegen können, wurde nicht nur einmal erörtert und sie waren die einen der Uberzeugung, dass seine intensive Mutterbindung darauf hin deutet dass eine zweite Abnabelung nicht gelingen konnte und er deshalb immer unverheiratet blieb. Andere Stimmen unterstellten dem ehemaligen UN-Generalsekretär homosexuelle Neigungen, was aber von Dag Hammarskjöld selbst aber immer wieder bestritten wurde. Freunde, wie Sven Stolpe berichten ‚die Frau, für die er eine Zeitlang schwärmte, gab er augenblicklich auf, als er merkte, dass einer seiner Freunde ihr den Hof machte; es schien ihm nicht im geringsten schwerzufallen; er wurde ein loyaler Freund dieser Familie, man konnte aber beobachten, dass er bei einem Zusammentreffen mit dem Paar konsequent das Wort an den Mann, nicht an die Frau richtete‘. Ob er nun außerordentlich gehemmt oder schüchtern war sei dahingestellt, verheiratet war Dag Hammarskjöld jedenfalls niemals und eine Partnerin die ihm zur Seite stand ist nicht bekannt.“ 4)
Doch „mit der britischen Künstlerin Barbara Hepworth [10.1.1903 Wakefield/England – 20.5.1975 St. Ives/Cornwall] (deren Kunstwerke u.a. im Gedenkhaus im südschwedischen Backåkra ausgestellt sind und die die vor dem New Yorker UN-Gebäude stehende Erzskulptur ‚Single Form‘ geschaffen hat) verband ihn seit Ende der fünfziger Jahre nicht nur ein reger Gedankenaustausch, sondern auch eine tiefer werdende Freundschaft.“ 3)
Dag Hammarskjöld besaß einige Skulpturen der Bildhauerin, u. a. eine Sandelholzversion von Single Form aus den Jahren 1937-1938. Sie stand auf seinem Schreibtisch. Die vor dem Gebäude der Vereinten Nationen in New York stehende Version mit einer Größe von 21 Meter, wurde nach Hammarskjölds Tod als Denkmal für ihn geschaffen.