Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Adalbert-Stifter-Weg

Rahlstedt (1948): Adalbert Stifter (3.10.1805 Oberplan Böhmen – 28.1.1868 Linz), Schriftsteller


Bereits in der NS-Zeit, 1943, wurde der Adalbert-Stifter-Weg als neuer Straßenname in der Liste „Umbenannte Straßen“, die im Hamburger Adressbuch von 1943 veröffentlicht ist, aufgeführt. Als alter Straßenname wurde der „Glindweg“ genannt. Angemerkt in dieser Liste wurde, dass noch nicht alle Umbenennungen erfolgt sind. Die bereits durchgeführten Umbenennungen wurden mit einem Sternchen versehen.

Viele, in dieser Liste aufgeführten, aber damals noch nicht benannten neuen Straßennamen, wurden nach der Befreiung vom Nationalsozialismus benannt. So wurde der Adalbert-Stifter-Weg 1948 benannt.

Dass der Name Adalbert Stifter auf der Liste „Umbenannte Straßen“ von 1943 auftaucht, hat seinen Grund wohl in der Instrumentalisierung Adalbert Stifters durch die Nationalsozialisten. Arnold Klaffenböck schreibt: „Die Nationalsozialisten korrumpierten das geistige Erbe, deuteten es ideologisch um oder bezogen sich auf Stifter, um so ihre eigenen schriftstellerischen Absichten zu legitimieren.

Öffentlicher Kult, weltanschauliche Vereinnahmung sowie die Verwertung von Werk und Biografie als literarischer Stoff zeigten sich beispielsweise, als sich Stifters Tod zum 70. Mal jährte.

Die mediale Berichterstattung widmete sich dem Anlass intensiv. Das Linzer Landesmuseum zeigte Erinnerungsobjekte an Stifter aus Linzer Beständen. ‚Kernworte‘ aus Stifters Schriften, die zur nationalsozialistischen Gesinnung passten, waren als Zitate aus dem ursprünglichen Kontext gerissen und wie Leitmotive angebracht worden, um den Schriftsteller als geistigen Wegbereiter des Dritten Reichs auszuweisen.

‚Hier, wo der Dichter Bekenntnisse ablegt und Wahrheiten ausspricht, denen erst der Nationalsozialismus die endgültige Geltung gesichert hat, hier fühlen wir ihn als lebendigen Deutschen‘, hieß es dazu in der Volksstimme.

Beim Festakt im Steinernen Saal des Linzer Landhauses am 27. Jänner 1939 hielt der Wiener Universitätsprofessor Josef Nadler einen Vortrag über Stifter in der deutschen Gegenwart. Dabei skizzierte er Stifter als einen Autor, für den bereits die zentralen Begriffe und Werte des Nationalsozialismus Bedeutung gehabt hätten. Stifter schildere den ‚Lebensraum des bajuwarischen Stammes‘, die Akteure seiner Erzählungen und Romane seien stets ein ‚Glied der Sippe, Glied des Volkes. Ständig bewegt des Dichters Denken sich in der Gemeinschaft‘, wobei ‚Volksgemeinschaft‘ für ihn ‚nicht nur naturhaftes Wachstum, sondern gewollte Schöpfung‘ sei. In der Rede wurde Stifter, in dessen Erzählungen und Romanen der ‚Führer-Gedanke‘ erkennbar sei, in ein Nahverhältnis zu Hitler gebracht: ‚Nur der Künstler kann nach Stifter Führer, nur der musische Mensch Schöpfer wahrer Volksgemeinschaft sein.‘

Vor Stifters Geburtshaus in Oberplan wurde eine ‚Weihestunde‘ abgehalten. Bei der anschließenden Feier stellte Landrat und Landesschulreferent Rudolf Lenk die Nationalsozialisten als berufene Hüter und Nachfolger Stifters dar und konstruierte eine angebliche Geistesverwandtschaft mit ihm.

‚Wenn der Nationalsozialismus den ärmsten Volksgenossen als substanziellen Wert sieht und betreut, wenn er Kraft und Wert von Blut und Boden verkündet, wenn er jede Hufe deutschen Heimatbodens liebt und schützt, so ist das Stifterisch; und wenn Stifter […] die Macht des Bluterbes und die Heiligkeit der Familie […] sichtbar werden läßt, wenn er im ‚Witiko’ […] ein ganzes Volk und seinen Führer handeln läßt […], so ist das Nationalsozialismus und der Ring zwischen ihm und uns über die Generationen hinweg geschlossen.‘

Vergleichbare Sichtweisen vertraten auch der Literaturwissenschaftler Moriz Enzinger (1891–1975), gebürtiger Steyrer und Professor an der Universität Innsbruck, oder der Germanist und Berliner Universitätsprofessor Franz Koch (1888–1969) aus Attnang. In Zusammenhang mit dem Annektierung des Sudetenlandes nach dem Münchner Abkommen (1938) und der Schaffung des Protektorats Böhmen und Mähren (1939) interpretiert Koch Stifter als Symbolfigur der Integration geografischer Räume. Er behauptet nicht nur die Wesens- und Stammeszugehörigkeit Stifters zu Oberösterreich, sondern erklärt die Eingliederung von Stifters südböhmischer Heimat in den Reichsgau Oberdonau mit dem vollzogenen ‚Recht von geschichtlich Gewordenem‘, woran sich ein volkstumspolitischer Auftrag knüpfe:

‚[…] ein Roman wie der ‚Nachsommer’ ist nach Stimmung und Atmosphäre nur in unserm, nicht aber im sudetendeutschen Raum denkbar. Als Stifter am ‚Witiko’ arbeitet, hat er das ‚unausstaunbare’ Nibelungenlied immer in greifbarer Nähe, ein Beweis dafür, wie lebendig Blut und Säfte seiner Gestaltungen um die schicksalhafte Mitte unseres Raumes kreisen. Dagegen steht das Werk [Hans] Watzliks, [Karl Franz] Leppas und [Rudolf] Witzanys viel mehr unter dem Gesetz sudetendeutschen Lebens, das in seinem südlichsten Teil erstwieder Anschluß an den Blutkreislauf unseres Gaus gewinnen muß.‘“(Arnold Klaffenböck: Literatur in Oberösterreich zur Zeit des Nationalsozialismus, in: forum oö geschichte. Virtuelles Museum Oberösterreich, unter: www.ooegeschichte.at/themen/kunst-und-kultur/literaturgeschichte-oberoesterreichs/literaturgeschichte-ooe-in-abschnitten/1900-1945/nationalsozialismus/

0005 Adalbert Stifter
Adalbert Stifter; Quelle: Autor unbekannt, gemeinfrei, via Wikimedia Commons

Adalbert Stifter war der Sohn eines „kleinen“ Flachshändlers, der auch Feldwirtschaft betrieb. Seine Mutter Magdalena, geb. Friepeß (1783-1858) war die Tochter eines Fleischhauers. Adalbert hatte noch fünf Geschwister. Seine Kinderjahre wurden u. a. geprägt durch die Liebe der Mutter zu ihrem Kind und durch die Geschichten, die die Großmutter Ursula Stifter, geb. Kary (1756-1836) ihrem Enkel erzählte. Stifter wurde Hauslehrer in Wiener Adels- und Patrizierhäusern.

1829 verliebte sich Stifter in Fanny Greipl (28.6.1808 Frymburg-1839), die Tochter eines reichen Leinwandhändlers. Gemeinsam mit ihr und ihrem Bruder unternahm er eine Reise nach Bad Hall und Berchtesgaden. Jedoch konnte sich Stifter nicht für Fanny entscheiden, ihn plagten Selbstzweifel. Er trank daraufhin vermehrt Alkohol und musste schließlich sein Studium abbrechen. 1833 drängte Fannys Familie auf Abbruch der Beziehung zu Stifter, da er nur eine ungesicherte Existenz vorweisen konnte und eine „leichtsinnige Lebensauffassung“ habe. Diese Meinung über Stifter hatte sich Fannys Familie gebildet, nachdem Stifter den Termin für die mündliche Prüfung zu einer Lehramtsstelle, auf die er sich beworben hatte, vergessen hatte.

0005 Amalia Mohaupt
Amalia Mohaupt; Quelle: gerhard.anzinger@utanet.at, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Stifter geriet nach der Trennung von Fanny zwar in eine schwere seelische Krise, lernte aber im selben Jahr der Trennung die Putzmacherin Amalia Mohaupt (30.7.1811 Kojetin/Mähren - 3.2.1883 Linz) auf einem Hausball in Wien kennen. Sie war die Tochter eines in Ungarn lebenden Fähnrichs. Adalbert Stifter gestand ihr, dass er weiterhin in Fanny Greipl verliebt sei, doch Amalia sah darin keinen Hinderungsgrund und drängte auf Heirat. Das Paar verlobte sich 1835. Vorher hatte Stifter nochmals vergeblich um Fanny geworben. In seinem letzten Brief an Fanny gestand er ihr, dass er sich nur aus gekränkter Eitelkeit und aus Trotz mit Amalia Mohaupt verlobt hätte, „so suchte ich, wie es in derlei Fällen immer zu gehen pflegt, in neuer Verbindung das Glück, das die alte erste versagte“.

1836, ein Jahr nach Stifters Verlobung,heiratete Fanny einen Finanzbeamten. Drei Jahre später starb Fanny im Kindbett.Stifter vermählte sich am 15. November 1837 mit Amalia Mohaupt, die nun die Hege und Pflege ihres Ehemannes übernahm. Über diese Verbindung heißt es z. B.: „15.11.: Heirat mit Amalie, deren ganze Mitgift aus zwei Heiligenbildern besteht. Perfekte Hausfrau, aber beschränkt und ungebildet. Unglückliche Ehe, von St. zur glücklichen stilisiert.“ 1)

Da das Ehepaar Stifter kinderlos blieb, nahm es eine damals sechsjährige Nichte - Julia – als Ziehtochter auf. Sie soll öfter von zu Hause ausgerissen sein; an einem Wintertag des Jahres 1859 fand man sie tot in der Donau.

Stifter, der mit seiner Ehefrau in materiell nicht gesicherten Verhältnissen lebte, ging es ab den 1850er Jahren gesundheitlich nicht gut. Eine der Ursachen soll sein übermäßiger Appetit gewesen sein. Er verlangte täglich sechs Mahlzeiten, wobei das Mittag- und Abendessen allein aus drei Gängen bestand. Nicht nur, dass solch großer Appetit die Haushaltskasse belastete, als Hausfrau und Köchin der Mahlzeiten hatte Amalia dadurch sehr viel zu tun.

„Stifter erkrankte, sein unheilbares Leiden konnte durch drei Kuren in Karlsbad und durch Aufenthalte in der Einsamkeit in Lackenhäuser (Bayerischer Wald) und in Kirchschlag nur gemildert, aber nicht geheilt werden. In seinen letzten Lebensjahren verwendete Stifter einen großen Teil seiner Energie für seitenlange Briefe an Amalia. Er schrieb sie für eine Veröffentlichung, in der er das Bild eines sorgenden Ehemannes in idealer Übersteigerung zeichnete und ein Familienheil beschrieb, das ihm im Leben versagt war.
Der durch eine Grippe geschwächte Dichter durchschnitt sich mit dem Rasiermesser den Hals und starb zwei Tage später am 28. Jänner 1868.“ 2)

Über Adelbert Stifters Frauenfiguren in seinen Romanen sind viele Hausarbeiten und Veröffentlichungen geschrieben worden.