Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Damaschkestraße

Eißendorf (1925): Adolf Damaschke (24.11.1865 Berlin -30.7.1935 Berlin), Nationalökonom Führer der Bodenreformbewegung


In der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Münchhausenstieg (Motivgruppe: Großdeutschland Länder, Orte, Flüsse und Berge in Österreich, Helden und Opfer der Bewegung und des volksdeutschen Gedankens in Österreich; Sudeten- und Karpatendeutschtum, Industrielle und Industrie. Sächsische Herrschergeschlechter. Harburger Persönlichkeiten, Flurnamen) umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert wurde und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen gekommen war. Bedingt durch den Krieg kam es aber nicht mehr zu dieser Umbenennung. Der Name Damaschkestraße blieb bestehen. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946)

Warum die Straße in der NS-Zeit in Münchhausenstraße umbenannt werden sollte, erschließt sich aus den Ausführungen von Jürgen Seul, der sich mit Börries Albrecht Conon August Heinrich Freiherr von Münchhausen (20.3.1874 Hildesheim – 16.3.1945) beschäftigt hat. Jürgen Seul schreibt u. a. über Münchhausen: „Der Jurist Börries Albrecht Conon August Heinrich Freiherr von Münchhausen gehört zu den bedeutendsten Balladendichtern Deutschlands. Als 1933 mit Thomas Mann und anderen die künstlerische Elite Deutschland verließ, trat unter anderem der dichtende Freiherr in das entstandene Vakuum. Er wurde auch in Hitlers ‚Gottbegnadeten-Liste‘ ausgesuchter Künstler aufgenommen. (…)

Seit der Schulzeit verfasste Münchhausen eigene Balladen. (…) Münchhausens Balladen feiern vergangenes Rittertum und die germanische Sagenwelt. Ihre Verklärung traf den Zeitgeist und machte sie so beliebt. (…)
Seit den 20er-Jahren verlor sich Münchhausens literarische Reputation allmählich. Dennoch verfolgte er mit Vehemenz das Ziel, sich wieder an die Spitze der nationalen Dichterelite zu bringen.

Nach Hitlers Machtübernahme wurde Münchhausen im Mai 1933 in die ‚gesäuberte‘ Preußische Akademie der Künste berufen, nachdem viele bisherige Mitglieder wie Thomas Mann ihre Mitgliedschaft aufgaben oder zur Aufgabe gezwungen worden waren. Im Oktober 1933 gehörte Münchhausen zu den 88 Schriftstellern, die das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler unterschrieben. Ein Jahr später erfolgte seine Ernennung zum Senator der Akademie.

Die Verklärung des Vergangenen wie die Heroisierung germanischer Sagen – etwa die Balladen aus dem Nibelungenumkreis wie ‚Hagen und die Donaufrauen‘ (1920) oder ‚Kind Hagen‘ (1931) mögen verbunden mit seiner Ablehnung der modernen Literatur ein Grund für die positive Grundhaltung der Nationalsozialisten gegenüber der Dichtung Münchhausens gewesen sein.

Trotz seiner im Dritten Reich genossenen Vorteile blieb Münchhausens Verhältnis zum Nationalsozialismus in mehrfacher Hinsicht zwiespältig. Zum einen befürwortete er Hitlers Machtpolitik, doch beanspruchte er andererseits auch den Schutz der dichterischen Freiheit. Er förderte einzelne jüdische Künstler und hegte gleichzeitig jedoch auch antisemitisches Gedankengut.

Als Hermann Göring im Juli 1937 das Amt des Protektors der Preußischen Akademie übernahm, schwand Münchhausens Einfluss auf die Literaturszene. Anfang der 40er-Jahre zog er sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Als Dichter war er unbedeutend geworden.

Börries von Münchhausen meldete sich während des Dritten Reiches in fataler Weise auch als Jurist zu Wort. So schlug er im Herbst 1936 dem NS-Reichsinnenminister Wilhelm Frick in einen Brief vor, den Juden ‚deutsche Namen‘ wegzunehmen, um ‚in Zukunft das Erkennen der Juden leichter‘ zu machen. Man solle den Juden ihre deutschen ‚Tarnnamen‘, hinter denen sie sich versteckten, ‚entreissen‘. Frick nahm den Vorschlag begeistert auf (…). Letztlich scheiterte Münchhausens Vorschlag. Stattdessen sah die später verabschiedete ‚Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen‘ vom 17. August 1938, vor, deutsche Juden anhand ihrer Vornamen (Israel oder Sara) kenntlich zu machen.

Trotz seiner geschwundenen Bedeutung als Dichter erfuhr Münchhausen 1944 noch die zweifelhafte Ehre, in die so genannte ‚Gottbegnadeten-Liste‘ aufgenommen zu werden. Es handelte sich dabei um eine vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und Hitler zusammengestellte Liste, in der die wichtigsten Künstler des NS-Regimes aufgeführt waren. Bei diesen Künstlern handelte es sich um die auf Anordnung Hitlers erwünschten Künstler wie Schriftsteller, Musiker und Schauspieler, die als unabkömmlich galten und vom Fronteinsatz freigestellt waren, um sich hauptsächlich der Propaganda des Nationalsozialismus widmen zu können.
Als sich alliierte Truppen seinem Gut Windischleuba näherten, nahm sich Börries Freiherr von Münchhausen mit einer Überdosis Schlaftabletten am 16. März 1945 das Leben. (…).“ 1)

Zur Vita von Adolf Damaschke
Adolf Damaschke war seit 1904 mit der Professorentochter Julie Gelzer (1847–1906) verheiratet und hatte mit ihr drei Töchter. Sein Vater war der Tischlermeister Adolf Damaschke, seine Mutter Auguste, geb. Sandberg, Tochter eines Kalkbrennereibesitzers.

Über Damaschkes Kinderzeit heißt es in Wikipedia: Er „wuchs in der räumlichen Enge einer Mietskaserne auf. Bis zum Alter von 10 Jahren verfügte er nicht einmal über ein eigenes Bett. Als er 1871 eingeschult wurde, gab es aufgrund des rapiden Bevölkerungswachstums für ihn keinen regulären Platz an der öffentlichen Volksschule. So besuchte er zunächst auf Staatskosten eine Privatschule. Als er später eine Gymnasialempfehlung erhielt, mussten seine Eltern aufgrund der zu erwartenden Kosten ablehnen.

Als 15-Jähriger lernte Damaschke die freikirchliche Christuskirche (…). Das gottesdienstliche Leben dieser Gemeinde beeindruckte den Jugendlichen, weil – so Damaschke in seinen Lebenserinnerungen – ‚hier alles selbst erkämpfte Überzeugung war und kein gewohnheitsmäßiges Christentum‘. Damaschke engagierte sich in der Kirchengemeinde und wurde dort Leiter der Sonntagsschule. 1883 eröffnete sich für den 18-Jährigen die Möglichkeit, sich auf einer Freistelle des Berliner Pädagogischen Seminars zum Volksschullehrer ausbilden zu lassen.“ 2)
Theodor Heuss schreibt über Damaschkes weiteren Werdegang: „D. wurde zum Volksschullehrer ausgebildet, aber der junge Berliner Lehrer, gefühlsstark, ehrgeizig und begeisterungsfähig, weitete schon in seinen frühen Berufsjahren seine Interessen ins Allgemeine, den verschiedenen ‚lebensreformerischen‘ Bestrebungen des Anti-Alkoholismus, der ‚Ethischen Kultur‘ nahestehend.“ 3)

Damaschke setzte sich auch für die Lehrmittelfreiheit ein, weil er das soziale Elend vieler Schülerinnen und Schüler sah. Allerdings sah sein Arbeitgeber, der Berliner Magistrat, dies nicht gern, und so wurde Damaschke strafversetzt. Wenig später, 1896, kündigte er den Schuldienst und wurde freier Schriftsteller.

„Schicksalhaft wurde für ihn die Begegnung mit der Lehre von Henry George und dessen deutschem Verkünder, Michael Flurscheim: daß der Boden dem kapitalistischen Marktbetrieb entzogen werden müsse, da er anderer Natur sei als die übrige Ware. Aber indem sich D., (…) ganz dieser Frage des Bodenrechtes zuwandte, wurde er selber auch für diese schicksalhaft. Er war 1896 an Fr. Naumanns Seite einer der Begründer (und später zweiter Vorsitzender) des Nationalsozialen Vereins gewesen, schied aber nach dem Misslingen dieses Versuches 1903 aus der Parteipolitik aus - der ‚Bund für Bodenreform‘, eine überparteiliche Organisation, wurde für D. das Instrument einer weitreichenden Sozial- und Volkspädagogik. Obgleich er sich wohl selber auch für einen Theoretiker hielt und mit viel Fleiß die Geschichte der ökonomischen Lehrmeinungen wesentlich unter dem Gesichtspunkt der bodenrechtlichen Beurteilung durchpflügte, war seine Begabung auf das Praktisch-Konkrete gerichtet. So gewann er einen großen und fruchtbaren Einfluss auf die Bodenvorratspolitik der deutschen Gemeinden und auf die Steuerpolitik (Steuer nach dem ‚gemeinen Wert‘, Besteuerung des „unverdienten Wertzuwachses“); es ist auch wesentlich sein Verdienst, dass in den Grundrechten der Weimarer Verfassung ein bodenreformerisches Bekenntnis Aufnahme fand,“ 3) so Theodor Heuss in der Neuen Deutschen Biographie.

So heißt es in „Artikel 155. [Bodenverteilung und Nutzung] Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird von Staats wegen in einer Weise überwacht, die Missbrauch verhütet und dem Ziele zustrebt, jedem Deutschen eine gesunde Wohnung und allen deutschen Familien, besonders den kinderreichen, eine ihren Bedürfnissen entsprechende Wohn- und Wirtschaftsheimstätte zu sichern…Grundbesitz, dessen Erwerb zur Befriedigung der Wohnbedürfnisse, zur Förderung der Siedlung und Urbarmachung oder zur Hebung der Landwirtschaft nötig ist, kann enteignet werden. Die Fideikommisse sind aufzulösen. Die Bearbeitung und Ausnutzung des Bodens ist eine Pflicht des Grundbesitzers gegenüber der Gemeinschaft. Die Wertsteigerung des Bodens, die ohne eine Arbeits- oder Kapitalaufwendung auf das Grundstück entsteht, ist für die Gesamtheit nutzbar zu machen. Alle Bodenschätze und alle wirtschaftlich nutzbaren Naturkräfte stehen unter der Aufsicht des Staates. Private Regale sind im Wege der Gesetzgebung auf den Staat zu überführen.“ 2)

„Ein weiterer politischer Erfolg der Bodenreformbewegung Damaschkes war das Reichsheimstättengesetz von 1920. In der folgenden Zeit entwickelten sich starke Widerstände gegen seine Reformideen. Die politischen Parteien wandten sich von Damaschke ab, weil er parteilos blieb. Die großen Tageszeitungen versagten ihm ihre Unterstützung aus Angst, ihre kapitalkräftigen Anzeigenkunden zu verlieren. Man verdächtigte ihn sogar öffentlich des verkappten Kommunismus.“ 2)

In der NS-Zeit trat Damaschke nicht der NSDAP bei. Weder in der NSDAP-Zentralkartei noch in der NSDAP-Gaukartei des Berlin Document Center im Bundesarchiv findet sich eine auf Damaschke ausgestellte Mitgliederkarte, sodass sich eine Parteimitgliedschaft darüber nicht nachweisen lässt.