Franz-Gartmann-Treppe
Nienstedten (1970): Franz Gartmann (23.7.1875 Altona – 23.10.1945 Hamburg), Vorbesitzer des Geländes, Fabrikant.
Franz Gartmann gehörte zur Familie Gartmann, die seit 1810 in Altona eine Schokoladenfabrik betreibt, die sich bis heute in Familienbesitz befindet. In der Firmenchronik heißt es zu Franz Gartmann, der in dritter Generation die Fabrik führte: „1908 übernahm die nächste Generation mit Hermann Gartmann (1873 – 1962) und Konsul Franz Gartmann (1875 – 1945) die Firma und entwickelte sie gemeinsam weiter. Nach dem ersten Weltkrieg gründete Franz Gartmann eine weitere Schokoladenfirma, namens Kobold. Einige der damals aufgestellten Kobold-Automaten haben bis heute überlebt und sind bei Sammlern fast so begehrt, wie die original Gartmann-Automaten.
Im Jahr 1923 verkaufte Hermann Gartmann seine Firmenanteile an seinen Bruder Franz und ging 1930 wieder in das Land seiner Vorväter, in die Schweiz nach Bern. Damit war ab 1923 Konsul Franz Gartmann Alleininhaber der Firma. Bis 1935 ließ er neue Schokoladenautomaten entwickeln, u.a. die kuriose Kugelschleuder. Die Kugelschleuder bildet eine Variante im Bereich der Warenautomaten und erfreute sich vor allem in den 30ern großer Beliebtheit. Somit entwickelte sich die Kugelschleuder zu einer Vorstufe der heutigen Glücksspielautomaten. Die meist in Kneipen aufgestellten Thekengeräte lieferten die Produkte nicht direkt aus, sondern spielten farbige Kugeln als Prämien aus, die später beim Wirt für die entsprechende Ware eingetauscht werden konnten. Über die Beschriftung am Gerät war ein ständiger Wechsel der zu gewinnendenden Artikel unbegrenzt möglich.
Doch lange währte die Freude an den Kugelschleudern nicht, denn schon bald wurde sie zunächst in geschlossenen Innenräumen verbannt, dann wurde verfügt, dass die Kugel, die die Ware bezeichnete bereits vor Zahlung des Einsatzes sichtbar und die möglichen Gewinne detailliert angegeben werden mussten. So war für jeden von vornherein ersichtlich, was es für seinen Einsatz gab, wodurch die Kugelschleuder jeglichen Spielreiz verlor. Am 1. Januar 1940 wurde die Kugelschleuder aufgrund eines neuen Gesetztes, das mechanisch betriebene Spieleinrichtungen mit Gewinnmöglichkeiten verbot, endgültig vom Markt genommen.“ 1)
1933 war Franz Gartmann der NSDAP beigetreten (Mitgliedsnummer: 2726335, AZ: NSDAP-Gaukartei). 2)
Vor Beginn des Zweiten Weltkrieges übergab Franz Gartmann, der seit 1904 mit Maria Ernestine Röhl (geb. 28.4.1896) verheiratet war, die Firma an seine beiden Söhne Kurt und Richard.
In dieser Zeit des Nationalsozialismus beschäftigte der Betrieb Zwangsarbeitende. Die genauen Lagerstandorte sind allerdings unbekannt. 3)
Während des Krieges wurde der Betrieb zerstört. Die Söhne von Franz Gartmann bauten ihn 1945 wieder auf.
Schokolade und Kolonialismus
Die Franz-Gartmann-Treppe ist unter Gartmann Treppe in der Liste der Straßennamen mit kolonialen Bezügen aufgeführt. Siehe unter: https://geschichtsbuch.hamburg.de/wp-content/uploads/sites/255/2017/07/AB-SEK-I-Stra%C3%9Fennamen-Projekt-1.pdf und siehe auch unter: Siehe auch unter: www.google.com/maps/d/u/0/viewer?mid=19ofi7hSFkKY0Ixjar9GjarxBgyg&hl=de&ll=53.62554100000003%2C10.041203000000003&z=11 Koloniale Spuren im öffentlichen Straßenraum
Zur Verbindung des Nahrungsmittels Schokolade zum Thema Kolonialismus heißt es u. a.: „Seit dem 15. Jahrhundert sind Kakao und das daraus hergestellte Genussmittel Schokolade in Europa bekannt und beliebt. Weniger bekannt ist die historische Verknüpfung dieser Nahrungsmittel mit Versklavung und Kolonialismus. Der Kakaobaum benötigt ein feuchtwarmes und schattiges Klima, das nur in den Tropen zu finden ist. Daher werden die Kakaobohnen nicht in Europa angebaut, sondern aus Lateinamerika und Afrika importiert. Früher war der Anbau von Kakao mit der Versklavung und Ausbeutung von Menschen in den von Europa kolonisierten Gebieten verbunden – so auch in den von Deutschland kolonisierten Gebieten des heutigen Togo, Kamerun und Samoa. (…)
Durch europäische Pflanzer*innen gelangte die Kakaopflanze Ende des 19. Jahrhundert in afrikanische Gebiete, wo Kakao unter menschenunwürdigen Bedingungen und durch Versklavung von Afrikaner*innen auf Plantagen angebaut wurde. (…).“4)
Joachim Zeller beschreibt in seinem Buch „Bilderschule der Herrenmenschen. Koloniale Reklamesammelbilder“ die von europäischen Firmen herausgegebenen Sammelbilder, die eine große Beliebtheit unter der Bevölkerung genossen. In diesem Zusammenhang gibt Zeller auch Beispiele von Sammelbildern der Firma Gartmann, die diese herausgab. (siehe dazu auf der Website der Firma Gartmann, unter: www.gartmannschokolade.de/sammelbilder/). So geht Zeller zum Beispiel auf die Sammelbildchen „Blutsfreundschaft“ um 1915 und „Filausana“ um 1915 ein und schreibt dazu: „Verbrüderungsszene mittels Blutsfreundschaft. Ein seltenes Bild, in dem sich Weiße und Schwarze von Gleich zu Gleich begegnen. Wie diese ‚Freundschaft‘ in Wirklichkeit aussah, zeigt ein anderes Bild aus der Serie. ‚Herr blieb trotz alledem der Weiße ‚Filausana‘, Gartmann Schokolade um 1915.“ 5)
Joachim Zeller resümiert u. a. zum Thema Sammelbilder: „Harmlos? Charakteristika der kolonialen Sammelbilder“: „vor allem aus Sammlerkreisen ist immer wieder zu hören, die Reklamesammelbilder seien gegenüber den politischen, ideologischen und religiösen Strömungen ihrer Epoche weitgehend neutral geblieben. Eine Ausnahme seien jene Propagandabildchen gewesen, die unter den Nationalsozialisten herausgegeben wurden. (…). Die These ihrer Neutralität überzeugt jedoch nicht und ist gerade hinsichtlich der Sammelbilder mit kolonialen Motiven schlicht unzutreffend. Das gilt umso mehr für die den Sammelbildern zugeschriebene Harmlosigkeit, da das millionenfach unter die Menschen gebrachte Bildgut im Kleinformat so ziemlich alle Klischees und Stereotype des Fremden aufgriff und (re-)produzierte, die im Umlauf waren. Wer durch diese Bilderschule des Kolonialismus gegangen war, hatte seine Lektion vom weißen Herrenmenschen gelernt. Die mit kolonialen und exotischen Motiven arbeitende Werbeindustrie verfestigte nicht nur bestehende Stereotype, sondern schuf auch neue (…).“ 6)