Freudenthalweg
Wilstorf (1950): Friedrich Freudenthal (9.5.1849 Fallingborstel -9.3.1929 Fintel), Schriftsteller, Heidedichter
Früher hieß die Straße Claus-Groth-Straße, benannt 1928. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen).
Andreas Lütjen schreibt über Freudenthal: Er „gehört zu den bedeutenden niederdeutschen Autoren. (…). Freudenthals umfangreicher Nachlass, der neben einer ca. 800 Bände zählenden Bibliothek auch zahlreiche persönliche Dokumente enthält, wurde im März 2021 von seinen Nachkommen an das Rotenburger Kreisarchiv übergeben, um die weitere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Heidedichter und seinem Werk zu gewährleisten.“ 1)
Friedrich Freudenthal war der Sohn von Elisabeth Freudenthal, geb. Brockmann und des Landwirts und Maurers Friedrich Freudenthal.
„Infolge drückender Zunftbestimmungen ging es in der Familie nur sparsam zu. Als darum die Großmutter aus Fintel zu Pfingsten des Jahres 1852 zu Besuch nach Fallingbostel kam, nahm sie ihren dreijährigen Enkel bei ihrer Rückkehr nach Fintel mit“2), wo der Großvater als Küster und Lehrer arbeitete.
Vor dem strengen Großvater musste die Großmutter ihren Enkel immer wieder schützen. Als Friedrich Freudenthal ca. 13 Jahre alt war, zogen auch seine Eltern nach Fintel, wo sie einen Viertel Hof von ca. 23 ha erwarben.
Friedrich Freudenthal war ein wissbegieriges Kind. Eine große Leidenschaft von ihm war das Lesen. Doch im Hause des Großvaters, wo dieser das Sagen hatte, durften keine weltlichen Bücher gelesen werden. Und wieder half eine Frau, diesmal: „die alte ‚Stutentrina‘, die jede Woche nach Tostedt kam. Die brachte ihm für wenige Groschen vom Buchbinder Sauermann, der irgendwo den Rest einer alten Leihbibliothek aufgetrieben hatte, Bücher mit, (…).“. 3)
Friedrich Freudenthal wäre gerne Lehrer geworden. Doch das Geld reichte dafür nicht aus und so erlernte er von 1864 bis 1866 den Beruf des Schreibers.
„Mit knapp 17 Jahren wurde er Soldat in Lüneburg und machte als freiwilliger Infanterist bei dem 5. Hannoverschen Infanterie-Regiment in Lüneburg den Krieg gegen Preußen und die Schlacht bei Langensalza am 27. Juni 1866 mit.“ 4) Danach arbeitete er als Postgehilfe; zog dann wieder freiwillig als Soldat in den Krieg, wurde verwundet und musste für mehrere Monate ins Lazarett.
Mit 24 Jahren veröffentlichte Freudenthal sein erstes plattdeutsches Gedicht. Schon damals war er alkoholkrank. Andreas Lütjen schreibt dazu in seiner Abhandlung „Friedrich Freudenthals Aufenthalt in der Trinkerheilstätte Stift Isenwald bei Gifhorn 1907“: „In einem Brief vom 24. November 1874 schreibt der Schriftsteller Friedrich Freudenthal aus dem westfälischen Altena an die mit ihm befreundete sieben Jahre ältere Lehrerin Elisabeth Kuhlemann in Bremen: ‚Ich weiß, es ist flüssiges Feuer, es ist Gift, was man hinuntergießt. Der Alkohol dringt ins Blut [...] und versetzt den Körper überhaupt in einen krankhaften Zustand. Und in dieser Krankheit liegt der größte Reiz des Rausches. [...] Die inneren, geistigen Kräfte und Fähigkeiten [...] werden verstärkt, Angst u. Furcht verschwinden, Muth, Entschlossenheit u. Scharfblick erreichen einen hohen Grad, große Kaltblütigkeit, abwechselnd mit heftigem Aufbrausen u. eine seltsame Beherrschungskraft [...] stellen sich ein, Witz, Humor, Ironie gehen Hand in Hand mit einer üppigen Redefertigkeit und die Phantasie [...] entwickelt sich [...] zu einer tonangebenden Beherrscherin aller sonstigen geistigen Fähigkeiten [...] ich trinke nie aus Gewohnheit sondern nur auf besondere Veranlassungen, sei es eine freudige Stimmung erhöhen oder eine trübe hinwegscheuchen zu wollen, wenn ich trinke, trinke ich überhaupt, weil ich trinken will, und wenn ich nicht will, so kann ich mich dieses lasterhaften Hanges ganz gut erwehren.‘ (…)
Schilling konstatiert, dass die Forschung nicht mit Sicherheit klären könne, ob für die Alkoholsucht Freudenthals ein ‚nicht näher bestimmbares Nervenleiden, depressive Verstimmungen, familiäre Probleme oder berufliche Enttäuschungen‘ ursächlich gewesen sind, führt aber als möglichen Grund an, dass auch dessen früh verstorbener jüngerer Bruder August (1851–1898) gleichfalls sehr viel Alkoholkonsumiert habe und deutet damit eine familiäre Prädisposition an. Mit Blick auf Freudenthals zweimalige Kriegsteilnahme 1866 und 1870/71 und seine drastischen Schilderungen der Leiden seiner durch Kampfhandlungen verwundeten und toten Kameraden sowie auf dessen eigene schwere Kriegsverletzung vom 18. August bei Gravelotte könnte man Schillings Aufzählung noch um die Vermutung der weder seelsorgerisch noch therapeutisch aufgearbeiteten Kriegserlebnisse Friedrich Freudenthals ergänzen. So führt Freudenthal in seinem Brief an Kuhlemann weiter aus: ‘Ich hatte, wie schon gesagt, meine böse Stunde und in solchen Stunden pflege ich mich in den Schutz Unserer lieben Frau von Alkohol zu begeben, ich trinke dann erst mit Widerwillen, gezwungen, aber später mit einer satanischen Lust, mit einem nicht zu löschenden Durst, als gälte es die ganze Welt zu vertrinken.(…).‘“ 5)
1875 war Freudenthal ein halbes Jahr in Amerika, wo er als Handlungsgehilfe arbeitete. Aus Heimweh kehrte er in seine Heimat zurück und lebte auf dem Hof seiner Eltern, um sich dort von einem nervösen Leiden auszukurieren. 1879, im Alter von 30 Jahren veröffentlichte er sein erstes Buch. Dann leitete er von 1881 bis 1884 die Postagentur in seinem Heimatort. Danach fungierte er ab 1887 als Bürgermeister von Soltau. Doch auch dieser Posten sagte ihm nicht zu und so wurde er ab 1887 Redakteur bei Zeitungen in Lüneburg und im Raum Hamburg.
Damals war Friedrich Freudenthal schon seit 1882 Ehemann und Vater. Im Alter von 33 Jahren hatte er die Lehrerstochter Magdalene Gathmann (1850-1927) geheiratet. Das Paar bekam drei Kinder. Neun Jahre nach der Hochzeit begann Freudenthal ab 1891 nur noch als freier Schriftsteller zu arbeiten, was dazu führte, dass die Familie in sehr bescheidenen Verhältnissen lebte. Neben der Schriftstellerei betrieb Freudenthal die väterliche Landwirtschaft, was sicherlich für die Versorgung der Familie notwendig war.
1892 übernahm Freudenthal den Posten des Gemeindevorstehers in Fintel. Diese Aufgabe führte er bis 1896 aus. „1895 startete er zusammen mit seinem Bruder August die Herausgabe der damals einflussreichen überregionalen Halbmonatsschrift ‚Niedersachsen‘ mit Beiträgen aus Geschichte, Landes- & Volkskunde sowie Literatur, deren niederdeutschen Teil er über fast 30 Jahre leitete.“ 6)
1907 wurde Freudenthal auf Betreiben des Bremer Rechtsanwalts und Notars Dr. Hermann Eggers (1867–1947 in die „Heilstätte für Alkoholkranke Isenwald bei Gifhorn“ eingewiesen. Hermann Eggers war „im und nach dem Ersten Weltkrieg durch national-konservative und antisemitische Propaganda in Bremen in Erscheinung“ 7) getreten. „Eggers, dessen Vorfahren durch den Handel mit Wein und Spirituosen zu Wohlstand gekommen waren, engagierte sich als Mitglied in verschiedenen alkoholgegnerischen Organisationen (…).“ 8)
Eggers sorgte dafür, dass die Kosten für den Aufenthalt in der Heilstätte durch Spenden beglichen werden konnten. In diesem Zusammenhang schrieb Eggers in einem Brief an Pastor Friesel in Isenwald, über das Verhältnis der Eheleute Freudenthal und im Speziellen über die Einstellung von Frau Freudenthal zur Alkoholsucht ihres Mannes: „Schlimm ist es, daß er an seiner Frau so wenig Stütze hat, sie scheint mir gar kein Verständnis für ihren Mann zu haben und auch sonst wenig Vorzüge zu besitzen. Damit muß man sich abfinden. Ich will versuchen auf sie einzuwirken, damit ein erträglicheres Verhältnis zwischen Beiden in Zukunft eintritt. Es soll auch jetzt für sie gesorgt werden, daß sie von der äußersten Not bewahrt bleibt.“ 9)
Die Entziehungskur in Isenwald schien Erfolg gehabt zu haben. Doch als die wirtschaftlichen Verhältnisse immer schwieriger für die Familie wurden und nachdem Freudenthals Ehefrau 1927 gestorben war, geriet Freudenthal wieder in eine „‘schwere seelische Krise, die erneut zu einer verstärkten Hinwendung zum Alkohol führt.‘ Schließlich ist der hochbetagte Freudenthal 1929 trotz teilweise erfolgreicher Entziehungskur doch im Zusammenhang mit seinem Alkoholmissbrauch gestorben.10)“
Freudenthal soll, nachdem er außer Haus viel Alkohol getrunken hatte, in der Dunkelheit den direkten Nachhauseweg nicht mehr gefunden haben. Und so irrte er bei großer Kälte lange herum. Dabei zog er sich eine Lungenentzündung zu, an der er schließlich verstarb. 11)