Adickesstraße
Groß Flottbek (1904): Franz Adickes (19.2.1846 Harsefeld bei Stade – 4.2.1915 Frankfurt a. M.). Oberbürgermeister von Altona. Ehrenbürger von Altona wegen seiner Verdienste an der Eingliederung der Elbvororte Bahrenfeld, Othmarschen und Övelgönne
Franz Adickes war der Sohn von der aus einer Hugenottenfamilie stammenden Therese, geb. Chappuzeau (8.5.1822 Uelzen-29.5.1898 Bremen-Lesum) und des pietistischen Amtsrichters Wilhelm Adickes (1817-1896).

Auch Franz Adickes wurde wie sein Vater Jurist, doch schlug er dann die politische Laufbahn ein. Zwischen 1873 und 1877 war er Zweiter Bürgermeister in Dortmund, dann von 1877 bis 1883 Zweiter Bürgermeister und von 1883 bis 1891 Oberbürgermeister in Altona.
Über Adickes Baupolitik heißt es in der 1981 vom Bürgerverein Flottbek-Othmarschen herausgegebenen Publikation „Flottbek Othmarschen einst und jetzt“: „Im Hinblick auf seine Baupolitik spielen darin Bahrenfeld und Othmarschen mit ihren umfangreichen Feldmarken eine besondere Rolle. [Adickes wollte Othmarschen] vor dem Schicksal Ottensens bewahren (…), vor allem vor der verheerenden Bauspekulation, die zur Errichtung der vielen Mietskasernen geführt hatte. Auch sollte eine Bebauung in ‚kleinstädtischer Weise‘ verhindert werden, und nicht zuletzt erhoffte er für Othmarschen durch die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse und Straßenverbindungen einen starken Zuzug steuerkräftiger Bevölkerung aus Altona und Hamburg. (…)
Im Jahre 1889 hatten Altona und Ottensen sich zu einer Stadt vereinigt, und es traten nacheinander Bahrenfeld, Oevelgönne und Othmarschen hinzu. Als erste hatten die vorausschauenden Einwohner Othmarschens sich zur ‚Vereinigung‘ bereit erklärt, dabei aber ihre Vorbedingungen in einem Schriftstück formuliert Dann gaben die anfänglich abgeneigten Bahrenfelder ihre Bedenken auf, und es fehlten nur noch die Ottensener, die dem allgemeinen Druck nachgaben und ihren Widerstand beendeten. Othmarschen erreichte, daß durch baupolitische Vorschriften und Baufluchtpläne der Villencharakter Othmarschens gewahrt blieb. Dieses unter preußischer Regie gewährte Sonderprivileg, die vielberufene ‚Villenklausel‘, ist erst nach der ‚Eingemeindung‘ in Hamburg aufgehoben worden.
Die Nachbargemeinde Groß Flottbek erkannte die Vorteile der Adickeschen Kommunalpolitik, und so fasste die Gemeindevertretung ein Jahr darauf, im Jahre 1891, den einstimmigen Beschluss auf Anschluss an Altona. Die Verhandlungen mit dem Oberbürgermeister Adickes führten infolge seines Fortganges nach Frankfurt aber zu keinem Erfolg, so musste Groß Flottbek außenvor bleiben. Adickes, der durch die Erweiterung im Westen die Stadt in ein ‚neues schönes Gewand‘ gekleidet hatte, ist deswegen vielfach gepriesen worden. Seine besondere Bedeutung für die weitere Entwicklung liegt aber noch mehr darin, dass er in den neugewonnenen Gemarkungen so viel Grund und Boden für die Stadt erwarb, wie er konnte, und damit verhinderte, dass er den Grundstücksspekulanten in die Hände fiel. Er hatte damit erreicht, dass auf den weiten westlichen Flächen eine organische Entwicklung gewährleistet wurde.“ 1)
1890/91 wurde Franz Adickes „ Oberbürgermeister der Stadt Ffm (…) Besonders erwähnenswert ist A.’ Engagement für die soziale Fürsorge der städtischen Bediensteten [in Frankfurt a. M.]. Er regelte die Anstellungs- und Lohnverhältnisse der städtischen Beamten und Arbeiter, ihren Anspruch auf Erholungsurlaub, ihre Unterstützung in Krankheitsfällen und bei militärischen Übungen, ihren Anspruch auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenfürsorge sowie auf Mietunterstützung nach Kinderzahl. A. war ein Vorkämpfer für das Prinzip der Einkommensstufen nach Familienstand, das wohl unter seinem Einfluss im Preußischen Kommunalbeamtengesetz von 1900 berücksichtigt wurde. Er nahm Anteil an der Ausformung der Allgemeinen Arbeiterbestimmungen, die von Ffm. aus richtungweisend für das Arbeitsrecht wurden.
Überhaupt war A. in seiner Sozialpolitik äußerst fortschrittlich. Zu einer Zeit, als das spärlich entwickelte Sozialwesen in Deutschland weitgehend von privater Seite gepflegt wurde, installierte er bereits ein städtisches Fürsorgewesen, (…). A. gründete in Ffm. damals in Wohnungsamt, eine Gemeinnützige Rechtsauskunftsstelle und – als Vorläufer des Arbeitsamts – eine Arbeitsvermittlungsstelle. Zudem förderte er den Volkschor und die Volkskonzerte, vor allem aber die Volksbildungsbestrebungen des Ausschusses für Volksvorlesungen. (…)
In der Bildungspolitik setzte sich A. neben seinen Volksbildungsbestrebungen insbesondere für die Reform des höheren Schulwesens ein, (…).
Die Krone von A.’ Wirken aber war die Gründung der Ffter Universität. (…) Aus gesundheitlichen Gründen beantragte A. bereits im März 1912 seine Entlassung als Oberbürgermeister, blieb dann aber noch bis zum 1.10.1912 im Amt, (…).“ 2)
Als die Frankfurter Universität 1914 eröffnet wurde, waren 518 Studenten und 100 Studentinnen eingeschrieben.
Verheiratet war Franz Adickes seit 1873 mit Sophie Therese Teutonie Lambert (18.5.1848 Waldkappel bei Eschwege – 18.12.1922 Frankfurt a. M.), Tochter des Kasseler Medizinalrats Friedrich Lambert und dessen Frau Marie Angelika Ulrich. Über Sophie Lambert selbst und über das Kennenlernen der beiden heißt es in der Biographie über Franz Adickes „Franz Adickes. Sein Leben und sein Werk“: Sophie Therese Teutonie: „war (…) geboren, in der Stunde, als in Frankfurt am Main mit allen Glocken das erste deutsche Parlament eingeläutet wurde; ihm zu Ehren bekam sie den Namen Teutonie. (…) [In Kassel] besuchte Sophie bis zu ihrer Konfirmation Ostern 1863 eine Privattöchterschule. Mai 1870 kam sie nach Göttingen zu ihrem Schwager, Obergerichtsrat Gleim, zur Vertretung ihrer Schwester Toni, die zur Erholung nach Norderney geschickt war. (…)
Auf drei oder vier vergnügten Ausflügen, die das Obergericht unternahm, trafen Franz [er war damals Referendar am Obergericht in Göttingen] und Sophie sich. Leider läßt sich nicht feststellen, ob sie schon am 10. Juni miteinander bekannt waren, an welchem Tag Franz auf eine mütterliche Warnung vor weiblichen Sirenen erwiderte: ‚Sei ohne Sorgen. Nichts ist mir ferner, als mich zu verloben. Kein Leichtsinn liegt so wenig in meiner Natur, als dieser. So viel aber das Spielen mit Mädchenherzen anbelangt, so sind die Göttinger Mädchen nicht so leichtgläubig, daß sie aus jedem Courmachen auf Heiraten schließen. Übrigens pflege ich eigentlich nie die Cour zu machen. Es ist mir langweilig. (…).‘ Auf ein Schwanken oder innere Kämpfe deutet vielleicht folgende Bemerkung vom 23. Juni: ‚Es fangen diese Touren mit Damen, deren wir wieder zwei gemacht haben, und wo man sich zum sprechen immer verpflichtet fühlt, mir an, so zuwider zu werden, daß ich wahrscheinlich nächsten Mittwoch, wo das Obergericht mit Anhang nach den Falschen Gleisen will, nicht mitgehn werde.“ 3)
Trotz Adickes Aversion gegen solcherart Annäherungsversuche an das weibliche Geschlecht entwickelte sich zwischen Adickes und Sophie Therese Teutonia Lambert eine Liaison. Drei Jahre nach ihrem Kennenlernen wurde Franz Adickes von der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Dortmund zum Zweiten Bürgermeister gewählt. In diesem Jahr fand dann auch die Vermählung zwischen der damals 25-jährigen Sophie und dem 27-jährigen Franz statt. Ein Jahr später kam das erste Kind durch Zangengeburt auf die Welt. Es, ein Junge, lebte nur vier Tage. Dazu schreibt Franz Adickes Bruder in der oben erwähnten Biographie über Franz Adickes: „In einem Bericht an die Lesumer [an die Eltern, die in Lesum lebten] bricht Franz in die Worte aus: ‚Daß man einen so kleinen Menschen schon so lieb haben kann!‘ (…) Sophie erfuhr die traurige Nachricht erst am anderen Tag, war zunächst natürlich sehr aufgeregt, aber überwand den schweren Schlag doch ohne Nachteil für ihre Gesundheit. Der Gatte meint: ‚Sie ist stärker, wie man denkt, wenn man sie nur oberflächlich kennt.‘ Zur Pflege waren ihre Schwestern da (…). Franz schreibt am 31. Juli: ‚Die Wartefrau wird auch wohl bald fortgehn – dann ist alles wie früher, als ob ein schöner Traum dazwischen geträumt und zerstört wäre.‘ Und Sophie am 28. August in einem Brief an die Lesumer: ‚Franz sagt immer: ‚Man muß nicht im Schmerz wühlen!‘ So versuche ich vielmehr mich durch Beschäftigung und Lesen zu zerstreuen und die traurigen Gedanken so viel als möglich zu bannen; schwer ist dies, wo man durch alles immer wieder an den Verlust erinnert wird! Es war doch so hübsch, das kleine Wesen am Herzen zu haben, und Franz sah auch so glücklich aus und deshalb war ich noch viel glücklicher; und es sah ihm so ähnlich, ich glaube es hatte nicht einen Zug von mir, so ausgesprochen war die Ähnlichkeit; und ich mochte das feine Stimmchen so gern hören, und ich war so glücklich über die viele Nahrung die ich für es hatte, - ach! es war ein kurzes süßes Glück, so schön hatte ich mir es vorher nicht gedacht. Und nun alles auf einmal vorüber!‘“ 4)
In den folgenden Jahren bekam das Paar noch drei Töchter. Sie wurden 1875, 1878 und 1889 geboren.
Franz Adickes unternahm im Laufe seines Ehelebens allein viele Reisen durch Deutschland und Europa. In seinen späteren Jahren liebte er dieses Alleinreisen nicht mehr. Als er 1904 wieder einmal allein auf Reisen war, schrieb er an seine Ehefrau: „Alleine reisen ist doch überwiegend langweilig.“ „Und im Herbst 1907“ – so sein Bruder – „reisten sie dann wirklich zusammen mit der Jüngsten nach Rom, Neapel und Florenz. 1902 besuchte das Kleeblatt die Riviera und Provence, 1903 das Rhonetal, Genfer See und Chamonix, 1904 Pontrefina, 1909 von Tremezzo (Villa Merton) aus Venedig, zweimal (1905 und 1910) waren sie zusammen in England (…). So sah auch die Gattin noch, wenn auch spät, ein gutes Stück von Gottes schöner Welt, und mit ihr zugleich der junge Nachkömmling. Und beide waren voll davon, wie gut der Vater alles organisierte, wie rührend besorgt er um ihr Wohlergehen war, wie unermüdlich und interessant er ihnen alles erklärte, ohne je in einen langweiligen, dozierenden Ton zu verfallen. (…)“ 5)
Sophie überlebte ihren Mann um knapp acht Jahre. Dazu Franz Adickes Bruder 1929: „Aber ihrem Leben war [nach dem Tod des Ehemannes] sein eigentlicher Inhalt genommen. Bronchialkatarrhe und Herzbeschwerden quälten sie in zunehmendem Maße, vor allem in den letzten beiden Jahren. So nahte sich auch ihr schließlich (am 18. Dezember 1922) der Tod im Gefolge einer Lungenentzündung, als Freund und Erlöser.“ Sophie Adickes starb im Alter von 74 Jahren.
Franz Adickes Bruder charakterisiert 1929 Teutonie Adickes wie folgt: „Sie war ihm [Franz] ihr ganzes Leben hindurch mit derselben innigen Liebe zugetan, sah mit Bewunderung, Stolz und unbedingtem Glauben zu ihm auf und freute sich von Herzen seiner Erfolge. Mit ihm wuchs sie auch allmählich in seine immer größer werdenden Aufgaben hinein und fand sich mit nicht geringer Gewandtheit in all die vielfältigen Pflichten, die seine Stellung mit sich brachte, obwohl ihr die große Geselligkeit eigentlich nicht lag. Ihre Haupteigenschaften waren Treue und Gewissenhaftigkeit in allem, im Haushalt, in der Kinderpflege und Kindererziehung. Bei Erkrankungen des Gatten betreute sie ihn stets selbst auf das sorgsamste und zeigte sich dabei, wie auch bei den häufigen Krankheiten der Kinder, als sehr geschickte Krankenpflegerin. Besonders aber in seinen letzten, schweren Jahren war sie in rührender Hingebung Tag und Nacht um ihn besorgt, obwohl sie selbst in dieser Zeit auch schon leidend war.“ 6)